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Kurzkritik


18. Mai 2013 - Staatsoper im Schiller Theater

KLAVIERRECITAL MIT YEFIM BRONFMAN



Yefilm Bronfman - Foto (C) Frank Stewart (Fotoquelle http://staatsoper-berlin.de)



Scharf im Kopf

„Von Hamburg nach Davos sind zwanzig Stunden, - ja, mit der Eisenbahn. Aber zu Fuß, wie lange ist es da? Und in Gedanken? Keine Sekunde!“ Über die Relativität der Zeitmessung sinniert Hans Castorp im Roman Der Zauberberg von Thomas Mann, weil er gerade „sehr scharf im Kopf“ ist. Objektiv betrachtet braucht Yefim Bronfman kaum mehr oder weniger Zeit für bestimmte musikalische Werke als jeder andere beliebige Pianist. Doch im Konzert überrascht es immer wieder, wie schnell bei ihm die Zeit verfließt. Und da stellt sich oft Hans Castorps Frage: Wie viel Zeit benötigt man für ein Stück? Und in welchem Tempo? Wie lange dauert es in Wirklichkeit? Und in Gedanken?

Niemals gibt es bei Bronfman billige Effekthascherei. Und doch schrumpft die Zeit zusammen – ohne dass eine Tempobeschleunigung vorgenommen wird! Dieses Phänomen ist allein dadurch zu erklären, dass Bronfman immer das Ganze in Sicht hat. Jede Komposition, von der ersten bis zur letzten Note, wird nicht „mit der Eisenbahn“, und nicht „zu Fuß“, sondern immer „in Gedanken“ überflogen. Und weil es Bronfman Spaß macht, die komplette musikalische Form stets im Auge zu behalten, macht er sich gerne an die Aufgaben, die nicht so leicht zu knacken sind, die ihn herausfordern. Er spielt immer das Schwierigste, das Monumentalste. Die Form, die Entwicklung der musikalischen Gedanken, stilistische Fragen, Assoziationen, Verknüpfungen mit dem, was schon früher gespielt, gehört, gefühlt, gelesen und gedacht wurde – all das ist wichtig für Bronfman als Künstler. Er spielt eigentlich immer so, als ob er selbst das Stück komponiert hätte. Kein Wunder, dass Komponisten unserer Zeit (wie Esa-Pekka Salonen oder Jörg Widmann) ihm die Uraufführung ihrer Werke anvertrauen: Man kann sicher sein, dass Bronfman einen neuen Text genauso deutet, wie der Autor es sich vorstellt.

Doch ist er kein Komponist, sondern ein Pianist geworden. Die Natur selbst hat ihn dafür entsprechend großzügig ausgestattet. Sein Körper ist groß, belastbar und birgt viel Kraft, die er allerdings sehr bedacht und sparsam einsetzt. Seine Hände scheinen geradezu knochenlos zu sein, gummihaft, weich wie bei einem Kind. Dieses Geschenk der Natur befähigt den Pianisten zu außergewöhnlichen Leistungen. Bei den Passagen rollten die Töne so perlenhaft, so ebenmäßig dahin, wie bei keinem anderen Pianisten. Das Klavier klang oft wie ein ganzes Orchester. Der Pianist vermochte ihm völlig neue Töne zu entlocken. Wie sensibel Bronfman die Register hört – das ist wirklich einzigartig! „Very graceful“, flüsterten die begeisterten Amerikaner im Publikum, nachdem er die Sonate von Joseph Haydn vorgetragen hatte. Beinahe stöhnten die Damen in ihren Sesseln vor Verzückung nach drei Zugaben, die ebenfalls „very graceful“ erklangen. Begeisterte „Bravo!“-Rufe und standing ovations folgten dem Vortrag der monumentalen Sonaten von Brahms und Prokofjew. Hier leistete Bronfman schier Unmögliches: An allen polyphonen Stellen herrschte einzigartige Klarheit, verschiedene Stimmen liefen völlig unabhängig voneinander dahin, und doch war Harmonie unter ihnen – und über ihnen. Eine wahre Virtuosität, die nichts mit Sport gemeinsam hat, sondern beweist: Nichts ist unmöglich für den menschlichen Geist! Doch wo ist die Quelle der Energie, die das Ganze bewegt? Ein wirklich großartiger Künstler, der zum Denken und Fühlen anregt und die Sinne weckt – und letztendlich die Realität beeinflusst.




Bewertung:


Leyla Jasper - 1. Juni 2013
ID 00000006798
KLAVIERRECITAL (Staatsoper im Schiller Theater, 18.05.2013)
Joseph Haydn: Sonate für Klavier Nr. 60 C-Dur Hob. XVI:50
Johannes Brahms: Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 5
Sergej Prokofjew: Klaviersonate Nr. 8 B-Dur op. 84
Yefim Bronfman, Klavier


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de/


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