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Konzertkritik


Der Dirigent Nezét-Séguin und der Pianist Piotr Anderszewski geben ihr Debüt bei der Staatskapelle Berlin



Nezét-Séguin - Foto (C) Marco Borggreve



Einfach schön

Es gibt sie immer noch, die Komponisten, die zu langsam ihren Weg zum breiten Publikum finden. Zu ihnen gehört auch der Pole Karol Szymanowski. Achtzig Jahre sind inzwischen vergangen seit dem Entstehen seiner Sinfonia concertante op. 60. Und doch war diese Komposition für die meisten Zuhörer neu. Neu – und faszinierend! Die Klänge – eine märchenhaft bunte Mischung. Die Rhythmen – kapriziös, in ständigem Wechsel. Die Melodien – kurz und einprägsam. Alles änderte sich schnell wie in einem Kaleidoskop. Neue Muster und Farben überraschten immer wieder: Logisch, dass die Aufmerksamkeit des Zuhörers keinen Augenblick nachließ. Die Dynamik pendelte stets zwischen zartestem Pianissimo und gewaltigem Fortissimo. Erstaunlich, wie schnell der Komponist von einem zu dem anderen wagte! Die Tutti kamen jedes Mal wie ein Vulkanausbruch, bei dem das Schlagzeug und das Klavier sich mächtig ins Zeug legten. Trotz des ständigen Wechsels wirkte das Ganze nicht artifiziell, sondern kunstvoll, warm. Der Gesamteindruck: ein bunter orientalischer Teppich, gewebt aus Tönen des Orchesters und des Klaviers. Einfach schön!

Jung, ehrgeizig und sehr emotional: Das sind die Qualitäten, die den kanadischen Dirigenten Yannick Nézet-Séguin auszeichnen. Sein überbordendes Temperament ließ vieles an dem Abend erfrischend vital erklingen. Die Gestik des Dirigenten war sehr expressiv. Seine Vorstellungen vom Klang teilte er eindeutig – plastisch und theatralisch - den Musikern des Orchesters mit.

Und doch gab es einiges zu bemängeln. Jeder Musiker kennt das: Das Konzert beginnt, und eine Weile sucht man nach dem richtigen Klang, dem richtigen Tempo. Erst nach und nach wärmt man sich auf. Diesen schwebenden Zustand erlebte man gleich zweimal im Konzert, sowohl zu Beginn der ersten als auch der zweiten Hälfte des Konzertes. Der 1. Satz des Klavierkonzerts A-Dur von Mozart war deswegen zu langsam. Eine kleine Beschleunigung des Tempos hätte zu einem vollkommenen Vortrag des Allegro geführt. Erst ab der zweiten Hälfte des Adagio stellte sich unter allen Beteiligten die richtige Stimmung ein, und bis zum Ende des Allegro assai ließ die emotionale Wärme der Musiker nicht nach. Sie fand ihren Gipfel in der Sinfonia concertante von Szymanowski. Die Anfangsphrasen der Sinfonie von Schostakowitsch, die nach der Pause kam, erreichten wiederum nicht den optimalen Klang. Eine Sexte hoch – eine runter, auf Pianissimo gespielt: Hier fehlte es an dem linearen Klang, der für Schostakowitsch so typisch ist. Die Intensität jedes einzelnen Tones ließ schnell nach - anstatt auf gleichem Niveau zu bleiben. Schlapper Klang – fehlende Spannung, und folglich verpasste emotionale Wirkung. Dasselbe Hauptthema auf Forte wurde dagegen perfekt wiedergegeben. Ganz besonders beeindruckend klang die Coda im Dur. Überhaupt gelangen dem Dirigenten an dem Abend all die Stellen, die man laut und schnell spielt (insbesondere alles Marschartige in der Sinfonie von Schostakowitsch), besser als leise und langsame Abschnitte.
Genau das Gegenteil gilt für den Pianisten Piotr Anderszewski, den man oft als Meister der flüsternden Töne lobt. Je leiser er spielte, desto aufmerksamer wurde der Zuhörer. Man hielt buchstäblich den Atem an, um keinen Ton zu verpassen. Ganz im Sinne der Forderung von Heinrich Neuhaus: „Der Klang muss in Stille gehüllt sein, er muss in Stille ruhen wie ein Edelstein in einer Schatulle.“ Im hektischen 21. Jahrhundert ist diese Einstellung fast völlig in Vergessenheit geraten. Überhaupt bleibt der Pianist Anderszewski den Idealen der Vergangenheit treu. Es gab Zeiten, wo man an Musen glaubte, die nur in der Stille einem Künstler ihren Besuch gönnten. „Und far niente ist mein Gesetz“, gab der russische Dichter Puschkin zu. Der Müßiggang öffnet den Weg zum Parnassus, und dann „laufen die Verse ungezwungen“. Auch Anderszewski möchte das in jedem Konzert erreichen: dass die Musik ganz frei läuft. Es lebe der Müßiggang - und die einfache, von willkürlicher Verzerrung befreite Schönheit.



Bewertung:    
Leyla Jasper - 2. Juli 2013
ID 6915
STAATSKAPELLE BERLIN (Konzerthaus Berlin, 27.06.2013)
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert A-Dur KV 488
Karol Szymanowski: Sinfonia concertante für Klavier und Orchester op. 60
Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47
Piotr Anderszewski, Klavier
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Yannick Nézet-Séguin


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatskapelle-berlin.de


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