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Oper Frankfurt, 14. Februar 2008

Il trittico

Giacomo Puccini


Copyright: Monika Rittershaus

Bist Du fort?
Parade-Inszenierung an der Frankfurter Oper von Giacomo Puccini’s « Il trittico »

Einmal war der kleine, wohl dem Totenreich angehörende Junge Ursache des finalen Ehe-Bruchs, einmal Ursache des finalen Lebens-Bruchs. Und zuletzt? Lachte er da wohl noch ungeboren aus Lauretta’s Bauch? Immer geht es in diesem dreieiigen „Trittico“ darum, eine szenische Verbindungslinie in den Sujets aus gut sechs Jahrhunderten herzustellen. Das Frankfurter Team Guth/ Schmidt/ Tuma (Regie/ Bühne/ Kostüme) ist derer fündig geworden: durchaus gewohnt, in einer „heutigen“, etwas angeschönten Sicht auf das Werk; kreativ, in einem zweistöckig gebauten, drehbühnegestützten Kunstraum, der sämtliche Einakter ummantelt und, gleichsam als Coup de théâtre, die offensiv auf das Gesamtwerk hin geöffnete Idee aus dem Schluss der Schwester Angelica das Jenseits mit dem Diesseits, Reich der Toten mit dem der Lebenden szenisch zu verbinden. Unversöhnt und zombiehaft geistern sie übers weiße Gelände. Selbst der kleine Junge. So sorgt das Ausstattungsteam, gemeinsam mit Sängern und Orchester für eine werkauthentische, von Strindbergscher Kammer-Tristesse im „Mantel“ über die hundselende Pein um die „kleine Nonne“ (Puccini) bis hin zu einem zündenden Feuerwerk „Gianni Schicchi“ reichende, jahressiegverdächtige Opernvorstellung mit Schluss à la Quentin Tarantino, nur besser.
Oft und meist zwangsweise wird die 25-jährige Giorgetta aus dem Mantel zu alt besetzt. Nicht so in Frankfurt: Elza van den Heever, ein voller jugendlich-dramatischer Sopran mit besonderer Süße, packender Höhe und toller Zukunft, verkörpert diese einsam den Teddy des toten Kindes drückende Geliebtwerdenwollende, wie man einfach sagen muss, recht wundervoll. Dazu sekundieren ein selbstbemitleidender wie mitleiderregender, lyrisch und meist auch heldisch-dramatisch überzeugender Željko Lučić als Michele und ein affektbestimmter, das Duell suchender Frank van Aken als ein kerniger Luigi. Andrea Szánto gibt dazu eine kokett-lockere Lumpenphilosophin Frugola, Daniel Behle einen klangschönen gitarreschnurrenden Liederverkäufer. Und Hans-Jürgen Lazar (Stockfisch), Carlos Krause (Maulwurf) sowie Karina Kardaschewa/ Ricardo Iturra (Liebespaar) sind stellvertretender Ausdruck für die durchweg gelungenen Besetzungsentscheidungen des Hauses.
An der „Suor Angelica“, vor allem an ihrem erlösungsmotivischen Schluss, dem „Marcia Reale della Madonna“, haben sich schon viele Regisseure die Zähne ausgebissen, denn äußerst schmal nur ist der Grat zwischen Klosteraura und Kitsch. Bei Guth ist das Unglaubliche durch den Ansatz längst Realität, wenn auch das Schlussbild durch die Entfernung zwischen Mutter und Kind etwas Rätselhaftes anbehält. Hinzu kommen die artikulatorisch facettenreiche Gestaltung dieser Partie von Angelina Ruzzafante und ihre darstellerische Poesie, wie beispielsweise die Choreographie ihrer rechten Hand, die gerade den Verzicht aufs Erbe unterschrieb: sie führt sie weg, von sich, vom Leben, zittert zu den Trinktönen Puccinis – da hat sie, die an dem einsamen Tod ihres Kindes Verzweifelte („Senza mamma, o bimbo, tu sei morto!“), den Schierlingstee schon lange intus. Und kontrapunktisch zu der leicht an Jenufa erinnernden Schwester erscheint Marina Prudenskaja, Zia Principessa, in opernschicker Adjustierung und singt sicher noch um etliche Grade kühler als die durchschnittlichen Petersburger Winter. Eine Glanzleistung (genauso als Zita).
Gianni Schicchi (derb wie superb: Željko Lučić) geht wie jede gelungene Lachsalve schneller von Null auf Hundert als jeder V8-Motor und verlangt neben einer energiesprühenden Szene immer wieder lyrische Inselbilder der Hoffnung. Beides gelingt Guth von Beginn an, das heißt hier mit der Wanderung Luigis hinüber ins Totenreich. Hoffnungsinseln liegen letztlich in den beiden Zöglingen, dem Romeo und der Julia, selber, in dem mit schönem Schmelz ausgestatteten Rinuccio von Massimiliano Pisapia, der äußerst smart und in gelassen moderatem Tempo das fluffige Arioso „Firenze è come un albero fiorito“ trällert, und in der rein perlend daherkommenden, fußballausschaltenden Schicchi-Tochter Lauretta von Blickfang Juanita Lascarro. Ein schöner Stadtgruß der Beiden, bevor der herzdurchsch ... ach, das erzähle ich jetzt nicht.
Gut geleitet wird das Museumsorchester von Yuval Zorn, der jedem Einakter seine eigene Note zu verleihen versteht: Behänd düster, aber immer wieder in puccinesk ruppig ausbrechender Manier begegnet der „Mantel“, dessen Apotheose Zorn allerdings ein wenig absäuft, dagegen durchaus flott die erste Hälfte von „Suor Angelica“, elegisch und sphärisch die zweite. Schnurrend und glänzend ist es bis zuletzt: Die Sänger zeigen bis auf wenige Ausnahmen keinerlei Probleme gegen das Orchester anzusingen, erst recht nicht der gewitzt spielfreudige, erfreulich jungstimmig wirkende Chor (Einstudierung: Alessandro Zuppardo).

Eine Paradeproduktion voller Glücksinseln und intensiver Sternsekunden, wie sie allein der Oper vorbehalten sind: Ein Muss für alle Opernfreunde und die, die es werden wollen.


Wolfgang Hoops - red / 20. Februar 2008
ID 3713

Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-frankfurt.de





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