Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Neuinszenierung

Verfangen im

Leuchtschrift-

gewirr



Nabucco an der Oper Bonn | Foto (C) Matthias Jung

Szenische Bewertung:    



So sieht es also aus, wenn einem Herrscher die Hybris buchstäblich vor die Füße fällt: Balken mit Leuchtschrift, die eben noch von Josef Stalin, Adolf Hitler, Donald Trump und anderen illustren finsteren Figuren der Weltgeschichte kündeten, hängen stromlos herab. Nabucco am Boden, mit Wahnsinn geschlagen nach seiner Aussage, er sei Gott. Das kann der Gott der Hebräer, der hier zugleich verspottet wurde, nicht auf sich sitzen lassen.

Regisseur Roland Schwab und Bühnenbildner Piero Vinciguerra, die an der Oper Bonn für die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Frühwerk verantwortlich zeichnen, nutzen Text (als Leuchtschrift, als Projektion, als Transparent oder in Buchform) als Mittel, um Überheblichkeit und Menschenverachtung auszudrücken. Das beginnt gleich im ersten Bild mit dem Schriftzug „Das ist das große Babel“. Das ist teilweise sinnvoll und erhellend, führt aber spätestens nach dem oben erwähnten Absturz einer Balkenkonstruktion am Ende des zweiten Aktes zu einem (sicherlich gewollten) Kabeldurcheinander, das ein Agieren zu Beginn des dritten Aktes für alle sehr erschwert.

Auch Celli spielen eine große Rolle an diesem Abend, nicht nur in Verdis Komposition: Die bedrohten Hebräer tragen zwei bei sich, später sitzt ein Sextett auf der Bühne, zum Konzert bereit, aber sie spielen nicht und hängen insgesamt auch eher traurig in den Seilen.

Das sind alles gute Ideen, die sich aber leider nicht zu einem zwingenden Ganzen fügen wollen, dafür bleibt vieles andere zu unbestimmt oder gerät zu pittoresk: Was ist denn nun der Tempel, was der Raum, in dem die Babylonier sich versammeln, um ihrer neuen Königin zu huldigen? Schwab und Vinciguerra lassen die Handlung in einem Einheitsbühnenbild spielen, was trotzdem vor allem im zweiten Teil schier endlose Umbaupausen erfordert. Dabei geht leider jeglicher dramaturgischer Fluss verloren. Angst und Schrecken werden von dunkel gekleideten Schergen Nabuccos verbreitet, die mit offensichtlich leeren Benzinkanistern ein Feuer entfachen wollen und mit kleinen Dolchen herumhantieren: Wirklich bedrohlich ist das nicht. Am überzeugendsten gerät das Ganze dann doch wieder über Text: Am Anfang hängen Transparente mit dem Text „Wo ist euer Gott?“ im Tempel und in Leuchtschrift erscheint „ENJOY“ über den Köpfen der Hebräer, die hingerichtet werden sollen.

Musikalisch gerät das Ganze äußerst beglückend, was nicht nur, aber auch an dem Stargast dieses Abends liegt: Amartuvshin Enkhbat überzeugt mit seiner profunden Stimme, die mühelos Orchester und Chor überstrahlt. Ihm gelingen aber durchaus die leisen, weniger kraftmeierischen Momente seiner Partie, wie in der Gefängnisszene im vierten Akt zu sehen. Auch szenisch strahlt er Präsenz und durchaus Gefährlichkeit aus, Ersteres nicht unbedingt selbstverständlich für einen Gast. Alle anderen Solistinnen und Solisten sind ihm dabei durchaus ebenbürtig. Derrick Ballard gibt einen stimmgewaltigen Hohepriester der Israeliten, dem man durchaus abnimmt, dass er am Ende nicht einfach wieder zu einem friedvollen Leben zurückkehren kann. Ioan Hotea und Charlotte Quandt haben als Liebespaar Ismaele und Fenena nur wenige Gelegenheiten sich auszuzeichnen, aber beide nutzen diese Momente, vor allem Charlotte Quant in ihrem Gebet vor ihrer scheinbaren Hinrichtung. Besonders hervorzuheben ist hier noch Erika Grimaldis Abigaille, die musikalisch und szenisch der heimliche Mittelpunkt der Aufführung ist, ein ebenbürtiger Gegenpart zu ihrem vermeintlichen Vater Nabucco. Ihre Arie vor dem eisernen Vorhang gehört zu den stärksten Momenten des Abends. Etwas gemächlich lässt das Beethoven Orchester Bonn den Abend angehen. Aber Will Humburgs Dirigat gewinnt im Laufe der Aufführung an Präzision und Tempo.

Ihren großen Erfolg hat Verdis Nabucco vor allem den Chören zu verdanken. In ihnen kommt das kollektive Sehnen nach Freiheit zum Ausdruck, am bekanntesten sicherlich in „Flieg Gedanke“ im dritten Akt. Das stieß bei der Uraufführung im Jahr 1842 bei den unter Fremdherrschaft stehenden Italienern auf offene Ohren. „Flieg Gedanke“ wurde so zu einer Art inoffizieller Nationalhymne. Und der Chor des Theaters Bonn präsentiert ihn beindruckend in der Dynamik, präzise auf den Punkt. Nur warum nach und nach alle Chormitglieder Mobiltelefone nach oben halten, erschließt sich nicht. Ist das der neue Gott, zu dem gebetet wird?

Musikalisch bleiben bei Nabucco an der Oper Bonn wenig Wünsche offen, szenisch hätte man sich an der einen oder anderen Stelle mehr Klarheit gewünscht.



Nabucco an der Oper Bonn | Foto (C) Matthias Jung

Karoline Bendig - 20. Oktober 2025
ID 15521
NABUCCO (Oper Bonn, 19.10.2025)
Musikalische Leitung: Will Humburg
Regie: Roland Schwab
Bühne: Piero Vinciguerra
Kostüme: Renée Listerdal
Licht: Boris Kahnert
Choreinstudierung: André Kellinghaus
Besetzung:
Nabucco ... Amartuvshin Enkhbat
Abigaille ... Erika Grimaldi
Zaccaria ... Derrick Ballard
Ismaele ... Ioan Hotea
Fenena ... Charlotte Quadt
Anna ... Nicola Wacker
Abdallo ... Ralf Rachbauer
Chor des Theaters Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 3. Oktober 2025.
Weitere Termine: 24., 31.10./ 02., 09., 14.11./ 11.12.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


Post an Karoline Bendig

Opernpremieren

Schauspielpremieren



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!    



Vielen Dank.



  Anzeigen:





MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CD / DVD

KONZERTKRITIKEN

LEUTE

MUSIKFEST BERLIN

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

RUHRTRIENNALE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2025 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)