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Konzertbericht

„In 1959

I could have

been your

babysitter.“



Patti Smith auf dem Kölner Roncalliplatz | Foto © Ansgar Skoda

Bewertung:    



Patti Smith gilt als Urmutter oder Godmother des Punk. Ihr Konzert auf dem Kölner Roncalliplatz war am vergangenen Freitag mit mindestens 4.000 Zuschauern ausverkauft. Langes, gewelltes graues Haar rahmte ihren Kopf ein, als sie weit nach 20 Uhr die Bühne betrat und mit wandlungsfähiger stimmlicher Präsenz den Platz füllte und Glanzpunkte setzte. Sie bewegte sich geschmeidig in einer dunklen Anzugjacke. Die Chicagoer Punk-Poetin erschien androgyn, trug sie doch eine Weste, ein weißes T-Shirt und Turnschuhe. Großzügig lächelte sie, als sie von ihrer Freude sprach, vor der Kathedrale des Kölner Doms spielen zu können. Die 78-Jährige bot mit ausdrucksstarken, mitunter keifendem Gesang, stilvoll dynamische Interpretationen ihrer Klassiker, die auch von Rock, Grunge und Pop beeinflusst sind, dar.

Die Punk-Poetin wurde von ihrem Sohn Jackson Smith an der Gitarre, ihrem langjährigen Bassisten und Keyboarder Tony Shanahan und Seb Rochford am Schlagzeug sowie dem Gastmusiker Oisin Murray an der Gitarre feinfühlig begleitet. Shanahan beteiligte sich an den Vocals und Backing Vocals und erdete so mitunter geradlinig melodische Songstrukturen. Patti stolzierte, von Energie sprühend, mit ihrem Mikrofonständer oder in die Luft erhobenen Fäusten herum. Patti streckte ihre Hände leidenschaftlich aus, begrüßte das Publikum und tänzelte voll Unbekümmertheit über die Bühne. Sie leitete den Song „1959“ ein, indem sie ihr mitunter betagteres Publikum an diese Zeit erinnerte: „I could have been your babysitter“. Ihre Stimme wechselte von Rufen zu leisem Gesang. Wir lauschten andächtig subtil-schwebenden, vorsichtigen Arrangements und beschwörenden Lyrics.

Die Punk-Ikone kam ins Plaudern über die 1970er Jahre in New York, das Treffpunkt vieler aufstrebender Künstler war. Sie lernte im Kreis der Beat-Poeten Persönlichkeiten wie Sam Shepard, Todd Rundgren und Tom Verlaine kennen: „They were all fighting censorship. Germany first translated the beat poets. Thanks for that.“ Sie trug das Gedicht Footnote to Howl von Allen Ginsberg vor, mit dem das Gewöhnliche oder Alltägliche als heilig gefeiert wird. Inmitten des Taumels der Beat-Poesie betonte Patti mit emotionaler Kraft und Tiefe in der Stimme eine einschneidende Klage: Auch hungernde und traumatisierte Kinder, Flüchtlinge im Gazastreifen oder in der Ukraine, seien selbstverständlich heilig.

Bei der US-amerikanischen Lyrikerin wirken Punk, Politik und Poesie stets zusammen.

Während des Konzertes erinnerte die preisgekrönte Rockmusikerin an „his holiness“, den vierzehnten Dalai Lama. Sie freue sich, dass Tenzin Gyatso immer noch unter den Lebenden weile. Patti selbst trägt mit ihren Songs aus mittlerweile sechs Jahrzehnten weiterhin zur heutigen Diskussion bei. Der Folk-Song „Ghost Dance“ von 1978 erinnert eindringlich und ergreifend an die vertriebenen amerikanischen Ureinwohner. Während des Vortrags von „Peaceable Kingdom“ erinnerte Patti an das Leid der Menschen in Palästina, auch Flüchtlinge in ihrem eigenen Land. Sie schrieb den Song in Gedenken an die pro-palästinensische Aktivistin Rachel Corrie, die 2003 von einem israelischen Bulldozer mit Panzerung getötet wurde, als sie versuchte, den Abriss palästinensischer Häuser zu verhindern. Die Ausnahmekünstlerin forderte ihr Publikum auf, die Hände in die Luft zu strecken und ihren Aufruf gegen Völkermord zu unterstützen.

Expressiv war ihr atmosphärisches Bob Dylan-Cover „Man in the Long Black Coat“. Viele Handys wurden gezückt, als Patti leidenschaftlich das zeitlose „Dancing Barefoot“ sang und ihre Band erneut dezent harmonisch Akzente setzte. „Because the night belongs to us“, bei dem Bruce Springsteen mitkomponierte, performte Patti mit intonationssicherer Melancholie und Nachdruck in der Stimme. Sie improvisierte, wenn sie mal eine Textzeile vergaß und meinte charmant: „I stared at all of your faces and the lyrics flew away with the birds.“ Nicht verlegen um Albernheit flachste sie mit ihren Konzertbesuchern herum: „Yes, this year is the 50th birthday of Horses. But stop fxxxing asking. Be happy with what you get. CU later for coffee.“ Ein weiterer Publikumsliebling war dann doch als letzte Zugabe eine mitreißend ausgedehnte Version von „Gloria“ aus Horses, ihrem Albumdebüt von 1975.

Die Kraft und das Charisma der Dichterin und ihre ruhigen oder leidenschaftlichen Interpretationen wirkten nach. Die warmherzige Künstlerin überzeugte und begeisterte mit ihrer unaufdringlichen Authentizität, freundlichen Gelassenheit und hypnotisierenden Stimmintensität.



Patti Smith auf dem Kölner Roncalliplatz | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 27. Juli 2025
ID 15380
Weitere Infos siehe auch: https://www.pattismith.net/


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