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Konzertbericht

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einen geben



Christian Steiffen singt "Schützenfest in Budapest 1810" am Kölner Tanzbrunnen | Foto © Ansgar Skoda

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Die besonders ausgefallen, schrill und bunt gekleidete Fangemeinde treffen wir bereits im Köln-Deutzer Bahnhofsareal. Schon Stunden im Vorfeld wird nahe des Kölner Tanzbrunnens am Samstagabend ausgelassen gefeiert. Christian Steiffen-Rüschenhemden und -T-Shirts mit ihm als Che Guevara oder mit Schaufel und Spitzhacke als „Arbeiter der Liebe“ trifft man in der eingeschworenen Fangemeinde zuhauf. Feiergruppen tummeln sich in Hawaii-Hemden oder auch mit einheitlichen Flamingo-Eimerhüten, in Flamingo-Hemden und Shorts - ein tropischer Dschungel aus Polyester im oder um den Tanzbrunnen. Vier vor uns stehende, kräftige Herren tragen, ebenfalls im Partnerlook, Polyester-Hemden und Shorts im Stil von Langnese-Eiscreme-Preisschildern. Wenn der größte Steiffen aller Zeiten sich ankündigt, lassen farbige Weisheiten, etwa für die Balz, nicht auf sich warten. Zu den bekannten Hits des Künstlers zählt „Eine Flasche Bier“. Hier lässt sich der Tanzbrunnen nicht lumpen, gibt es doch eine ganze Reihe an Bierständen und kaum Warteschlangen.

*

Die Band The Livelines aus Steiffens Heimat Osnabrück sorgt mit einer etwa 50-minütigen Show als Support ab 18.30 Uhr für rhythmisch-stimmungsvolles, tanzbares Vergnügen. Frontfrau Maria Koltsov wirbelt zu rockig-eingängigen Songs wie „Indie Boy“ oder „Rushing through my veins“ über die Bühne und wirft ihr Haar in die Luft. Auch Hannah Oberste-Wilms an den Keys und in den Backing Vocals, Gitarrist Erik Halilaj und Bassist Daniel Essing setzen Akzente. Spätestens wenn Schlagzeuger Marius Holkenbrink im hellen Sopran „Cause I'm just a teenage dirtbag, baby“ ins Mikrophon flötet, ist das Eis gebrochen.

Steiffens große „Ich komme!“-Tour schürte hohe Erwartungen. Viele seiner Fans feiern den charismatischen Schlagersänger mit den ironisch gebrochenen Texten als Kulturerbe oder gar als Messias. Zugabe-Chöre rufen den Künstler bereits lange vor Beginn auf die Bühne. Im Vorjahr gab es keine Zugaben, da ein Konzert des Künstlers im Kölner Tanzbrunnen unwetterbedingt vorzeitig abgebrochen werden musste. Der heute 54jährige Hardy Schwetter, der hinter der Kunstfigur steht, möchte mit dem Namen „Steiffen“ das steife im Schlagergenre hervorheben. Er greift in seinen humorvollen, oft zweideutigen Texten, alltägliche Situationen auf. Das Arbeiterkind mit deutsch-ungarischen Wurzeln, das auch Schauspieler ist, spielte bereits in mehreren Kinofilmen von Erfolgsregisseur Axel Ranisch mit, zuletzt 2022 als Reverend Hary Hardon in Orphea in Love.

Der selbsternannte Schlagergott betritt gegen 19.30 Uhr mit Rüschenhemd, Retro-Schnauzer, Koteletten und im dunklen Jackett vor johlendem Publikum die Bühne. Er wirft sich in Posen, bewegt sich viel, läuft die geräumige Bühne auf und ab und sucht Blickkontakt zum Publikum. Die erwartungsfrohe Menge grölt die ersten Zeilen seines Openers „Wie gut, dass ich hier bin“ beflissen mit. Bei „Eine Flasche Bier“ singt Steiffen eine Bonusstrophe auf Französisch. Schonungslos selbstironische Weisheiten bietet Steiffen sich in „Selbstmitleid“, „Ich habe Haschisch probiert“ und „Arbeiter der Liebe“ dar. Bei „Ich hab dir den Mond gekauft“ macht eine junge Frau, weiter vorne auf den Schultern eines Mannes sitzend, mit Rufen und einem liebevoll gestalteten Pappschild auf sich aufmerksam. Steiffen liest das Schild der Besucherin vor „Sei mein Trabant!“ Kleiner darunter steht: „Bring mich zum Mond“. Steiffen schmunzelt. In den Lyrics des Refrains heißt es: „Ich hab dir den Mond gekauft/ Und morgen schiess ich dich da rauf/ Oder vielleicht sogar bis hinter den Mond/ Denn da hast du ja schon immer gewohnt.“

Der Barde, der in seinen Liedern gänzlich unbescheiden demonstrative Selbstverliebtheit kultiviert, scheint in Bestform. Er erklärt, er habe seine Finger stets in alle Öffnungen der Menschen gelegt und erfreue sich am wogenden Meer aus Fleisch, das er vor sich sehe.

Neben Dr. Martin Haseland an den Tasteninstrumenten sorgt auch Backgroundsängerin Meike für Stimmung. Bei „Die dicksten Eier der Welt“ überzeugt sie in einem kurzen Solo, dass sie wirklich die dicksten Eier hat. Auch der Osnabrücker Saxophonist Tommy Schneller legt sich ins Zeug. Vor der Performance von „Schöne Menschen“ holt Steiffen außerdem eine weitere Backgroundsängerin, Lorelei, auf die Bühne. Ferner erweitert der junger Geiger So-Kumneth Sim beim Song „In Budapest beim Schützenfest 1810“ das Ensemble. Steiffen und Haseland schlüpfen hier in traditionelle Husarenjacken und -hüte. Steiffens Assistent, Tastendompteur und Mitproduzent Haseland begeistert mit einer Kasatschok-Kosakentanzeinlage.

Christian Steiffen, der 2013 und 2021 jeweils unter diesem Namen für das Amt des Oberbürgermeisters von Osnabrück kandidierte und 3,3% bzw. 2,51% der Stimmen erhielt, begreift sich auch als politischer Liederschreiber. Der Entertainer nimmt während seiner Show seinen Bildungsauftrag wahr und gibt Geschichtsunterricht: mit seinem Song „Kack Kack Karneval“ möchte er auch Aufklärungsarbeit in vermeintlichen Krisengebieten wie Mainz oder eben Köln leisten. Das Publikum lässt es sich nicht nehmen, zu der Melodie in Reihen zu schunkeln. Die Fans interagieren mit dem vitalen und energiegeladenen Sänger, der mit „Hier ist Party“ und „Ich hab die ganze Nacht von mir geträumt“ für Stimmung sorgt. Ein Konzerthöhepunkt ist das fröhlich-widerwillige Duett „Du und ich“ mit Eva Schneidereit, die klassisch ausgebildete Sängerin in der Stimmlage Mezzosopran ist. Während Steiffen gewollt deplatziert neben ihr Gesten macht, singt sie anschließend ein opernartiges Solo. Später in der Zugabe präsentieren sich Steiffen und Schneidereit als Traumpaar, während sie energievoll „My heart will go on“ von Céline Dion singt macht er, direkt hinter ihr stehend, sichtlich ergriffen die legendäre „Wir fliegen“-Geste mit weit ausgebreiteten Armen, um dann einigermaßen entsetzt aufzuschrecken, geht das „Du und ich“ doch eigentlich nicht.

Steiffen holt zu Beginn der Zugabe seinen schwanzwedelnden Hund Sunny aka Monty Steiffen auf die Bühne. Danach posiert Steiffen bei „Sexualverkehr“ lasziv über das Treppengeländer gelehnt. Er fragt einzelne Zuschauer, ob sie sich auch so nach Sexualverkehr sehnen. Viele Kehlen stimmen mit ein. Leider performt Steiffen, wie schon beim Kölner Konzert 2016, nicht live seinen Song „Mein bester Freund“, in dem er mit Jesus Christus liebäugelt und sein Fehlen in der Gegenwart schmerzlich beklagt. Gegen Ende holt das frenetisch bejubelte schiere Urgestein nochmals alle Musiker inklusive der Livelines für „Eine Rose“ auf die Bühne.



Christian Steiffen zusammen mit der Opernsängerin Eva Schneidereit am Kölner Tanzbrunnen | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 6. August 2025
ID 15398
Weitere Infos siehe auch: https://www.christiansteiffen.de/


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