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Uraufführung

LASH



LASH von von Rebecca Saunders - an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Marcus Lieberenz

Bewertung:    



Mit LASH - Acts of Love hat Rebecca Saunders ihre erste abendfüllende Oper geschaffen – ein Stück radikalen Musiktheaters, das gestern Abend unter der musikalischen Leitung von Enno Poppe an der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt wurde. Der Auftrag kam 2022 von Intendant Dietmar Schwarz, die Entstehung des Werks war jedoch ein langjähriger künstlerischer Reifungsprozess.

Zentrale Inspirationsquelle für Saunders war der britische Künstler Ed Atkins, dessen poetisch-physischer Text Grundlage der Oper wurde. LASH kreist um Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Sterblichkeit – und die fundamentalen menschlichen Erfahrungen von Liebe, Sex und Tod. Saunders komponierte das Werk eng im Austausch mit vier außergewöhnlichen Sängerinnen (Noa Frenkel, Sarah Maria Sun, Anna Prohaska, Katja Kolm), deren Stimmen sie zu individuellen musikalischen Stimmen und Charakteren formte.

Zum Inhalt aus dem Programmheft:



"Im Zentrum steht eine Frau in einem Schwebezustand – eine Zwischenwelt nach einem Verlust. Sie reflektiert Erinnerungen und Fantasien: über Liebe, Sex, Krankheit, über Küsse, Augäpfel, Fingerspitzen, Wimpern und Haut. In dieser tastenden Selbstbefragung entdeckt sie durch die Erfahrung des eigenen Körpers und der eigenen Vergänglichkeit den Verlust als Voraussetzung für Sinn, Bewusstsein – und die Fähigkeit zu lieben. Das Stück thematisiert nicht Handlung, sondern Zustand – es ist ein Durchschreiten existenzieller Räume."


Poppe beschreibt LASH als ein Werk mit außergewöhnlich differenzierter Klangarchitektur. Er erkennt darin eine neue Form von Kontrapunkt: Die Instrumentengruppen – etwa Bläser, Elektronik, E-Gitarre, Orgeln, Schlagwerk – greifen farblich ineinander, schaffen ein Kontinuum, in dem Klangfarben verschmelzen oder sich reiben. Die Musik lebt von dieser subtilen Verbindung und Transformation – vergleichbar mit Konsonanz und Dissonanz bei Palestrina, nur bezogen auf Farbe statt Harmonik. Melodien - etwas, das in zeitgenössischer Musik selten ist - findet man bei auch Saunders Oper kaum. Und wenn, sind diese Melodien, was fast paradox ist, frei von Narrativen, eigenwillig ausdrucksstark, eigenständig und zukunftsgewandt. Sie verschmelzen mit dem Orchester in heterophonen Strukturen oder werden von dichten Streicherclustern getragen, die wie rauschende Wolken um die Stimmen gelegt sind.

Die szenische Umsetzung durch Dead Centre arbeitet mit zentralen Metaphern wie Mund, Haut und Auge als Übergänge zwischen Innen- und Außenwelt. Diese Bilder sind tief in Saunders’ Musik und Denken verwurzelt. Der dritte Akt weitet den Raum, lässt Sängerinnen und Musiker das Publikum umgeben – eine raumgreifende Musik, die Zeit und Orientierung auflöst. LASH ist auch formal ein mutiges Werk: zwischen Arien, Duetten und Ensembles im ersten Akt, immer stärker werdenden Kontrasten im zweiten Akt und völliger Auflösung im dritten. Klanglich reicht die Dynamik von flüsterleise bis eruptiv, getragen von neun Schlagzeugern, darunter vier auf der Bühne.

Der Dirigent geht im Programmheft auf das Vorurteil ein, neue Musik sei „verkopft“ und meint, LASH zeige das Gegenteil: die Oper wäre emotional, körperlich, kompromisslos sinnlich – ja eine Oper im besten Sinne. Leider konnte das die Oper und die Inszenierung nicht erreichen: von den ca. 2 Stunden Aufführungsdauer bestehen drei Viertel aus einer patternartig dahingleitenden Musik, ohne emotionale Entwicklungen. Die Texte der Sängerinnen, oft nur gesprochen, sind literarische Reflexionen ohne eine erkennbare Handlung oder Entwicklung. Kurzum: Schnell vermisst man Spannung, Emotion und das, was Oper ausmacht, ein berührendes Narrativ, was die Sinne anspricht. Dieses Manko kann auch die sehr ambitionierte Inszenierung nicht kompensieren, welche kongenial mit Videotechnik, Liveaufnahmen und spannenden Überblendungen der Aktionen auf der Bühne und zuvor produziertem Material arbeitet.

Ein interessanter Abend, der leider nicht das gehalten hat, was man erwartete. Aber das ist erlaubt und auch immanent, wenn Neues ausprobiert wird.




LASH von von Rebecca Saunders - an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Marcus Lieberenz

Steffen Kühn - 21. Juni 2025
ID 15318
LASH - Acts of Love (Deutsche Oper Berlin, 20.06.2025)
von Rebecca Saunders

Musikalische Leitung: Enno Poppe
Inszenierung: Dead Centre
Bühne und Kostüme: Nina Wetzel
Licht: Jörg Schuchardt
Video: Sébastien Dupouey
Klangregie: Arne Vierck
Dramaturgie: Sebastian Hanusa
Mit: Anna Prohaska, Noa Frenkel, Sarah Maria Sun und Katja Kolm (Gesang) sowie Christoph Grund und Ernst Surberg (Synthesizer) als auch Adrian Pereyra (E-Gitarre)
Orchester der Deutschen Oper Berlin
UA war am 20. Juni 2025.
Weitere Termine: 27.06./ 01., 11., 18.07.2025


Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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