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Neuinszenierung

Kinder an

die Macht

DAS RHEINGOLD an der
Oper Köln


Tuomas Katajala (als Froh) und Miljenko Turk (als Donner) | Foto (C) Matthias Jung

Bewertung:    



Unten am Boden des Rheins geht es eher karg zu, links und rechts auf der Bühne sichtbar zwei Scheinwerferbatterien, die Rheintöchter und Alberich in Abendkleidung. Und dann fällt einem plötzlich auf, wie schwierig es ist, eine Neuinszenierung von Richard Wagners Tetralogie DER RING DES NIBELUNGEN im Interim zu starten, auf einer Bühne mit wenig Bühnentechnik und ohne Orchestergraben.

Eines vorweg: Es gelingt ganz wunderbar. Musikalisch auf jeden Fall, szenisch ist nicht alles stimmig. Aber Das Rheingold im Staatenhaus – und damit in unmittelbarer Nähe zum Rhein – macht Lust auf die weiteren drei Teile und ist alles in allem ein sehr inspirierender Abend.

Besonders beeindruckt das Gürzenich-Orchester unter Marc Albrecht mit einer enormen Klangfülle und einem guten Gespür für Dynamik. Dabei hat Albrecht stets im Blick, dass das Orchester nicht im Orchestergraben sitzt und dadurch recht laut ist, aber eben nie die Sänger:innen zudeckt oder zu Höchstleistungen in Sachen Lautstärke zwingt. Beim Auftritt der Riesen Fasolt und Fafner knallt das Blech, in Nibelheim schwingen die Hämmer. Das geht vielleicht manchmal auf Kosten der Komplexität, klingt gelegentlich sehr nach Schauspielmusik, die das Bühnengeschehen kommentiert, passt aber sehr gut zu Paul-Georg Dittrichs Inszenierung. Denn diese setzt auch eher auf grobe Pinselstriche als auf fein nuancierte Seelenbilder. Und spätestens beim Einzug nach Walhalla bleiben musikalisch keine Wünsche mehr offen.

Dittrichs Götterwelt, die er zusammen mit den Bühnenbilderinnen Pia Dederichs und Lena Schmid sowie Kostümbildnerin Mona Ulrich ersonnen hat, sieht aus, als treffe Barocktheater auf Marvel Universe. Wotan thront auf einem großen Mond, Kulissen in Wolkenform werden von links und rechts ins Bild geschoben. Alles ist Pappmaché, auch die Sektflasche, zu der Wotangattin Fricka aus lauter Verzweiflung greift, weil die Sektflöte nicht mehr ausreicht. Fasolt und Fafner werden mit einem papierene Bagger auf die Bühne gezogen. Freia ist ein Mädel mit roter Perücke, stets das Handy zur Hand. Donner und Froh in Comic-Superhelden-Kostümen kämpfen darum, ein möglichst gutes Bild abzugeben (und scheitern). Ein Fest für die Ausstattung.

Nibelheim ist dagegen deutlich dunkler geraten, mit einem mehr als mannshohen portalfüllenden goldenen Reif im Zentrum. Das Ganze wird optisch begrenzt durch die Umrisse eines riesigen Auges, durch das die Zuschauenden auf das Geschehen blicken. Erst für die letzte Szene wird die Bühne wieder komplett geöffnet.

Das ist Gassentheater im besten Sinne, auch die Beleuchtung (Andreas Grüter) erfolgt ausschließlich hinter dem Portal, nicht von vorne. Und es ist überdies ausgesprochen unterhaltsam, denn es gibt immer etwas zu sehen. Der Hang zur Charge und zur Übertreibung ist nicht von der Hand zu weisen, aber die Darstellenden füllen das mit Verve und Spiellust aus, nicht nur in der Götterwelt. Und auch gesanglich tönt das alles äußerst souverän: Beginnend bei den Rheintöchtern Woglinde (Tamara Banješević), Wellgunde (Regina Richter) und Flosshilde (Johanna Thomsen), deren Klagelied aus der Ferne dem Einzug der Götter in ihre neue Burg einen faden Beigeschmack verleiht, über die Götter Froh (Tuomas Katajala) und Donner (Miljenko Turk), die sich von comicartigen Witzfiguren zu bedrohlichen Elemente-Beherrschern aufschwingen, bis zu Martin Kochs Mime, der zu Recht einen Sonderapplaus erhält, und Adriana Bastidas-Gamboas Erda, die sphärisch an die Macht des Ringes gemahnt und dabei mit ihrem Reifrock sprichwörtlich Schutz bietet.

Christoph Seidl und Lucas Singer lassen als Fasolt und Fafner keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, auf ihrem Lohn für den Bau von Walhalla zu bestehen. Wobei Tanja Christine Kuhns Freia nur zu Beginn abgeneigt zu sein scheint, mit ihnen zu gehen. Nach ihrer Rückkehr ins Götterreich zeigt sich, dass sie zarte Bande zu Fasolt geknüpft hat. Dennoch bietet sich ihrer Schwester Fricka in Gestalt von Bettina Ranch ausgiebig Gelegenheit, den Verlust zu bedauern und ihren Gatten Wotan zur Tat anzutreiben. In diesem Fall: das Rheingold aufspüren und Freia in den Schoss der Götter zurückbringen. Daniel Schmutzhard gelingt als Alberich ein beeindruckendes Rollenporträt, das zwischen Überheblichkeit und Getriebenheit schwankt. Mauro Peters Loge überzeugt durch szenische und stimmliche Präsenz in allen Lebenslagen. Jordan Shanahan muss sich als Wotan seine Souveränität in der Götterwelt ein wenig erarbeiten, spätestens am Ende ist seine Position aber klar und alle anderen folgen ihm.

Von Anfang an werden die Solisten von Kindern begleitet, in der ersten Szene doubeln einzelne Kinder die Solist:innen, bis hin zum Gesangseinsatz. So wird Alberich hier nicht von den Rheintöchtern verspottet, sondern aus einem Kinderspiel entwickelt sich etwas Ernsthafteres: Gewalt und Ausgrenzung, an der die Erwachsenen nicht unbeteiligt sind. Die Kinderkomparsinnen und -komparsen Maja Besikci, Marie Blank, Zoë Camara, Minay Demirel, Anton Egbers, Frederick Egbers, Hanna Frößler, Neva Mergen, Lily Oppat, Paula Passavanti, Luisa Ruson, Maire-Claire Tenten, Noah von Laufenberg, Helene Wörenkämper, Firat Yücel, Paulo Zdebel und Pino Zdebel stehen fast den ganzen Abend über auf der Bühne und leisten darstellerisch Hervorragendes. In Dittrichs Lesart verkörpern sie die Natur, das Ursprüngliche, die Fantasie, die im Laufe der Tetralogie korrumpiert wird. Im Rheingold etwa heißt das, dass sie in Nibelheim unter Tage Arbeit verrichten müssen und vergeblich dagegen aufbegehren. Es wird sich weisen, wie diese Setzung in den folgenden Teilen der Tetralogie weiterverfolgt wird. Ansätze für Märchenhaftes sind erzählerisch zur Genüge vorhanden.



Das Rheingold an der Oper Köln 2025 | Foto (C) Matthias Jung

Karoline Bendig - 6. November 2025
ID 15547
DAS RHEINGOLD (Staatenhaus, 29.10.2025)
Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Inszenierung: Paul-Georg Dittrich
Bühne: Pia Dederichs und Lena Schmid
Kostüme: Mona Ulrich
Video: Robi Voigt
Licht: Andreas Grüter
Bewegungscoach: Paolo Fossa
Dramaturgie: Svenja Gottsmann
Besetzung:
Wotan ... Jordan Shanahan
Donner ... Miljeno Turk
Froh ... Tuomas Katajala
Loge ... Mauro Peter
Alberich ... Daniel Schmutzhard
Mime ... Martin Koch
Fasolt ... Christoph Seidl
Fafner: Lucas Singer
Fricka ... Bettina Ranch
Freia ... Tanja Christine Kuhn
Erda ... Adriana Bastidas-Gamboa
Woglinde ... Tamara Banješević
Wellgunde ... Regina Richter
Flosshilde ... Johanna Thomsen
Kinderstatisterie: Maja Besikci, Marie Blank, Zoë Camara, Minay Demirel, Anton Egbers, Frederick Egbers, Hanna Frößler, Neva Mergen, Lily Oppat, Paula Passavanti, Luisa Ruson, Maire-Claire Tenten, Noah von Laufenberg, Helene Wörenkämper, Firat Yücel, Paulo Zdebel und Pino Zdebel
Statisterie der Oper Köln
Chor des THEATER BONN
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere war am 26. Oktober 2025.
Weitere Termine: 06., 08., 14., 16.11.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.oper.koeln


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