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Lesung

Dresden liest hinter der Blockade

Erstmals gastieren Autoren des Literaturforums Dresden mit einer Lesung im Dresdner Stadtmuseum. Auch der Neonaziaufmarsch am Vorabend des 13. Februar hält sie nicht davon ab


Das Literaturforum Dresden existiert inzwischen das sechste Jahr und hat sich, vor allem mit seiner Lesereihe „Literarische Alphabete“, zu einem eigenständigen Faktor in der Literaturszene Dresdens entwickelt. Unterstützt von Stadt und Freistaat konnten im Rahmen dieser Reihe bekannte Namen ins Deutsche Hygienemuseum eingeladen werden, darunter zum Beispiel Lars Gustafsson, László Krasznahorkai und Joachim Sartorius, Adam Zagajewski und Peter Gizzy, der australische Dichter Les Murray und zuletzt sogar der französische Altphilosoph Alain Badiou. Aber auch das Stadtmuseum um den engagierten Pressechef Richard Stratenschulte ist ein immer wichtigerer Partner für die Lesungen von Gästen des Literaturforums geworden.

Begonnen haben wir im Herbst 2008 als kleine Interessengruppe um die Dresdner Autoren Volker Sielaff und Patrick Beck mit einer ersten, nur leicht verregneten Lesenacht im Garten der Buchhandlung „Lesezeichen“ in der Dresdner Neustadt. Seither hat es immer wieder Lesungen mit Hausautoren gegeben, szenenah im „Fischladen“ oder der „veränderbar“, in einer Sternwarte, auf einem Hotelschiff oder auch als Freiluftveranstaltung „Palais.Poesie“ auf der Wiese des Japanischen Palais, mit Canaletto-Blick. Dass der Fokus dabei vor allem auf der Lyrik lag und liegt, ist dem mehrheitlichen Interesse der Mitglieder geschuldet. Es gibt den Veranstaltungen meistens etwas Familiäres.

*

Am 12. Februar nun traten erstmals Autorinnen und Autoren des Literaturforums mit eigenen Texten im Dresdner Stadtmuseum auf. Das Datum war ungünstig gewählt, wie sich bald herausstellte. Am 13. Februar 1945 wurde Dresden von alliierten Bombern zerstört, der Mythos der zerstörten Barockstadt an der Elbe ist auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Das Ärgernis großer Aufmärsche der Neonaziszene, die auf ihre Weise das „Gedenken“ an die Kriegsopfer praktiziert, ist seit einigen Jahren kleiner geworden – verschwunden ist es nicht.

Diesmal marschierten etwa 500 Rechte im Fackelzug überraschend am Vorabend des Gedenktags durch Dresdens Innenstadt – was als Skandalon seither von sächsischen Politikern heruntergespielt wird. Es sorgte für eine Haus-Lesung, die noch um einiges familiärer ausfiel als sonst, dafür aber wahrscheinlich die am besten gesicherte Veranstaltung des Abends war. Volker Sielaff (Selbstbildnis mit Zwerg, Luxbooks 2011) las neue Gedichte aus seinem für das kommende Jahr avisierten Gedichtband, darunter entzückende kurze Zorngedichte, gereimt, in Hexametern. Undine Materni, von der zuletzt Das abwesende Haus meines Vaters (Projekte-Verlag Cornelius 2011) erschien, setzte mit ihrer eindringlich-emotionalen Lyrik einen schönen Gegenakzent, bevor der Leipziger Autor und Verleger Bertram Reinecke, derzeit „Poet in Residence“ im Buchhaus Loschwitz, als einziger Gast zu Wort kam. Unvergesslich sein Sleutel voor de Hoogduitsche Spraakkunst (roughbook 019), in dem er, neben zahlreichen Cento-Gedichtkollagen, die Auflösungen von Lektionen eines alten Niederländischlehrbuches in Literatur überführt – Marcel Duchamp hätte seine Freude daran gehabt.

Die zweite Halbzeit bestritten Patrick Beck, Erich Sobeslavsky und ich – ersterer mit neuen Prosagedichten aus seinem Langzeitprojekt Imaginäre Orte, die u.a. im Leipziger Magazin „Poet“ gedruckt vorliegen. Sobeslavsky, der einzige Prosa-Autor des Abends, las weitere Passagen aus seinem Lebensroman Der Bericht (ebenfalls Projekte-Verlag 2012), ich selbst einige Gedichte aus Anthologien (Versnetze und Westfalen – sonst nichts?, Parasitenpresse 2012) und Unveröffentlichtes. Ein kleiner Nachgeschmack blieb, weil die Autoren Kerstin Becker und Andreas Paul, teilweise aus gravierenden Gründen, nicht auftreten konnten. Das sonore Schlusswort des Forumsvorsitzenden Beck sprach vom Glück, als Schriftsteller nicht unter dem Joch der inzwischen abgezogenen Fackelträger existieren zu müssen, denn da wären wohl viele unserer Texte verboten.

Relevanz, Zeitläufte – die kleine Schar der Autoren und Zuhörer ging nicht unzufrieden auseinander. Die Letzten konnten gar noch die niedersächsische Schutzpolizei ins nachbarliche Steigenberger-Hotel einrücken sehen. Die nächste Lesenacht des Literaturforums Dresden wird aber wohl im – eher unpolitischen – Sommer stattfinden.



Undine Materni während der Lesung im Dresdner Stadtmuseum - Foto (C) R. Stratenschulte
Patrick Wilden - 18. Februar 2014
ID 7611
Weitere Infos siehe auch: http://www.literaturforum-dresden.de


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