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Die Andere Bibliothek

Die Juden

und der Witz





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An Literatur zum jüdischen Witz mangelt es nicht. Der Großteil aber ist von geringer Qualität. Das gilt insbesondere für die zitierten Witze, namentlich in Salcia Landmanns „Klassiker“, aber auch in Immanuel Olsvangers Rosinkess mit Mandlen. Ein Hauptgrund ist die Tatsache, dass Witze, aber auch andere „einfache Formen“ (André Jolles), die Olsvangers Sammlung füllen, auf den mündlichen Vortrag angewiesen sind und bei der schriftlichen Fixierung meist ihre Wirkung verfehlen.

Jetzt liegt in einer Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch und in der gewohnten bibliophilen Ausstattung der Anderen Bibliothek ein Buch vor, welches das Zeug hat, als Referenzwerk zum Thema zu gelten. Sein Autor, Historiker an der Universität von Toronto, heißt Louis Kaplan, und der deutsche Titel lautet Vom jüdischen Witz zum Judenwitz. Eine Kunst wird entwendet. Der Originaltitel verspricht, nicht weniger aussagekräftig: At Wit’s End: The Deadly Discourse on the Jewish Joke. Kaplan geht übrigens ausführlich auf die durch Friedrich Torberg ausgelöste Debatte um Salcia Landmann ein und versucht gar nicht erst, den Unparteiischen zu spielen. Bei Einwänden gegen Torberg in Details, macht er aus seiner gut begründeten (politischen) Abneigung gegen Landmann kein Hehl.

Die Auseinandersetzung mit Salcia Landmann steht fast am Ende des Buchs. Denn Kaplan tut nicht so, als wolle er unbeackertes Gebiet bearbeiten, sondern sichtet die Beschäftigung mit und Theorienbildung über den jüdischen Witz seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in mehr oder weniger chronologischer Folge. Wo er die Polemiken von ausgewiesen antisemitischen Autoren wie Arthur Trebitsch unter die Lupe nimmt, weitet sich seine Untersuchung unvermeidlich zu einer Analyse des Antisemitismus überhaupt.

Zentral für den jüdischen Witz im Gegensatz zum Judenwitz ist der Begriff „Selbstironie“. In ihr, „die auf Antisemitismus sowohl reagiert wie auch Gefahr läuft ihn auszulösen“, sieht Kaplan das eigentliche Problem, weil diese Gefahr nach seiner Meinung so unvermeidlich wie unerfreulich sei. Da befindet er sich in einer Zwickmühle: Wie soll man einer Gattung das Wort reden, deren angeblichen Tod durch den Holocaust Kaplan vehement bestreitet, wenn man davon überzeugt ist, dass sie Antisemitismus „unvermeidlich“ auszulösen in Gefahr ist?

Vom jüdischen Witz zum Judenwitz ist keine Witzsammlung, sondern eine historisch-analytische Darstellung. Trotzdem enthält sie, ähnlich wie Sigmund Freuds berühmte Arbeit Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, zum Teil in den ausführlichen Fußnoten versteckt, eine Reihe vorbildlicher Witze (wenngleich sie auch hier durch die Schriftlichkeit an Wirkung verlieren und möglicherweise gerade durch den Wegfall von Intonation und Gestik zu Missverständnissen verleiten).

Ein nicht jüdischer Witz fragt nach dem Unterschied von Konsequenz und Inkonsequenz. Konsequent ist „héute so und mórgen so“. Inkonsequent ist „heute só und morgen só“. Auf die Betonung kommt es an. Auch beim jüdischen Witz.


Thomas Rothschild – 17. März 2022
ID 13526
https://www.die-andere-bibliothek.de


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