Juri Andruchowytsch
Andrzej Stasiuk
Mein Europa
Zwei Essays über das
sogenannte Mitteleuropa
Aus dem Ukrainischen von Sofia Onufriv und aus dem Polnischen von
Martin Pollack
Frankfurt/Main 2004
Suhrkamp Verlag
edition suhrkamp 2370, gebunden
148 Seiten
EUR 9,- [D]
ISBN 3-518-12370-X
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Grundkurs Geopoetik
"Eine Karte sagt mehr als tausend Worte." Mit diesem Diktum beginnt Karl
Schlögel in seinem jüngsten Buch "Im Raume lesen wir die Zeit" (München: Hanser,
2003) seine Erörterung zu einer möglichen Kartographie der Vertreibungen im 20.
Jahrhundert. Man könnte hinzufügen: Zum Lesen einer Karte benötigt man Phantasie,
nicht nur Orientierung, sondern auch die Vorstellungskraft, aus den Farben und
Höhenlinien der topographischen und den Pfeilbewegungen der historischen Karten
herauszulesen, was dahintersteckt. Dem Osteuropa-Historiker aus Frankfurt an der
Oder ist es zu danken, daß mit "Geopolitik" ein Begriff aus der nazistischen
Schmollecke geholt worden ist, der Zeit und Raum, Geschichte und Geographie
vereint.
Ohne diesen Hintergrund ist es kaum zu begreifen, warum nun zwei Schriftsteller,
Pole der eine, der andere Ukrainer, ihre Poesie unter einen Begriff stellen, der
sich, wenn man nicht genau hinschaut, beinahe genauso liest wie Geopolitik, nämlich
den der "Geopoetik". Wohlgemerkt - in dem schmalen Bändchen von Andrzej Stasiuk
und Juri Andruchowytsch, das gerade unter dem Titel "Mein Europa" beim
Suhrkamp Verlag erschienen ist, taucht
dieses bemerkenswerte Wort nur im Klappentext auf. Und dennoch: Wer miterlebt
hat, wie Andruchowytsch auf der letzten Frankfurter Buchmesse die geneigte
Zuhörerschaft mit seinem Plädoyer für eine "Geopoetik" verwirrte, der liest die
beiden Essays des Buches mit einem besonderen Blick für die kartographischen
Seiten der Literatur.
Das sogenannte Mitteleuropa
Da sind zunächst einmal Widersprüche. Zwei im Denken verwandte, in ihrer Poetik
jedoch jeweils sehr eigene Schriftsteller zwischen Buchdeckel zu pressen und
"Europa" drauf zu schreiben, wirkt wie ein mittelmäßiger Marketingtrick des
polnischen Originalverlages, wo das Buch bereits im Jahr 2000 erschienen ist.
Vielleicht wollten die Lektoren beiderseits der Grenze aber auch nur ein ziemlich
ausgebeutetes Wort im Titel vermeiden, das der Untertitel indes verrät: Es geht
in dem Bändchen um "das sogenannte Mitteleuropa" - eine Zone, auf die sich seit
der Wende eine gesteigerte Aufmerksamkeit richtet; eine Zone aber auch, die von
der "Geopolitik", und das meint vor allem: der Vernichtungs- und
Vertreibungspolitik des NS-Regimes am stärksten betroffen war; eine Zone, deren
Konturen daher im Laufe der Jahrzehnte so schwammig geworden sind, daß man sich
darunter nur noch wenig Zusammenhängendes vorstellen kann. Es ist genau dieses
Mitteleuropa, an dem sich die weitere Lektüre orientieren muß.
Kann es nun darum gehen, mithilfe einer "Geopoetik" dem mitteleuropäischen Raum
wieder Sprache und Gestalt zu verleihen?
"Mittelöstliches Memento" nennt Juri Andruchowytsch seinen Essay, mit dem der
Band beginnt. Der 1960 in Stanislau, dem heutigen Iwano-Frankiwsk geborene Ukrainer
hat eine recht präzise "geopolitische" Vorstellung von dem Raum, über den er schreibt.
In Mitteleuropa zu leben, das heißt immer, "zwischen Russen und Deutschen
eingezwängt zu sein". Kein Wunder also, daß Andruchowytsch, ganz im Sinne von
Joseph Roths "Hiob", das Amerika der Auswanderer als letzte Zuflucht der
Mitteleuropäer bezeichnet. Immerhin ist dort sein Urgroßvater einst unter die
Räder einer Straßenbahn gekommen.
Das typisch mitteleuropäische Dazwischen rollt der Autor anhand der eigenen
Familiensaga auf. Es geht ihm dabei nicht um ein Territorium, sondern eher um
Verstrickungen und Verkettungen. Welches Land verteidigte sein Großvater, ein
ukrainisch-nationalistischer Offizier, als er 1944 im Troß der Wehrmacht mit
einem markigen "Die können mich mal!" auf den Lippen von einem angreifenden
sowjetischen Jagdflieger getötet wurde? Wie fühlten sich Vater und Großmutter,
als sie 1945, nach gelungener Flucht nach Österreich, von den Amerikanern wieder
genau in das Stanislau zurückgeschickt wurden, das sie gerade aufgegeben hatten?
Und doch gibt es für Andruchowytsch nur dieses eine Territorium voller Ruinen,
an das sich, aus der Verkettung der Umstände, sein Erfahrungshorizont knüpft.
Unter der Überschrift "Feuilleton" skizziert Andruchowytsch ein Treffen europäischer
Intellektueller. Was er mit unverhohlener Ironie als "kleine Anstößigkeiten"
bezeichnet, die zwischen den Teilnehmern aus dem Westen und dem früheren Ostblock
auftreten, entpuppt sich als unüberwindlicher Gegensatz. Während die
postmodernistisch angehauchten "ahistorischen Glückspilze" ihren Vettern aus dem
Osten altbackenen Totalitarismus, grüblerische Retrovertiertheit und Stochern im
national-historischen Morast vorwerfen, kontern die "historiozentrischen
Unglücklichen", sie müßten ihren Platz im Leben der Nationen erst durch
geschichtliche Rückbesinnung wiederfinden, und im übrigen sei der dekadente
Zustand der Welt nicht auf ihrem Mist gewachsen. Um die Veranstaltung zu retten,
schoben die Moderatoren die Verständigungsprobleme auf das "schlechte Englisch",
das sie alle miteinander sprechen müßten.
Gedächtnis - Hoffnung - Offenheit
Hier tritt der frühere Systemgegensatz, der "das sogenannte Mitteleuropa" im
Bereich der Erinnerungskultur noch immer zerreißt, deutlich zutage. Andruchowytsch
versucht eine Erklärung, indem er zwei Perspektivierungen zwischen Vergangenheit
und Zukunft ausmacht.
In der einen, der "utopischen" Perspektive, strebt alles
vom Primitivismus zum Paradies. Eine solche Sichtweise hatten die führenden Köpfe
der industriellen Revolution genauso wie die Avantgardisten. Sogar den heutigen
Fundamentalterrorismus sieht er in dieser Tradition - lästerlicherweise aber
eben auch "die lebensfrohe Idee eines neuen Europas als eines Elysiums mit ewig
grünen Parks ohne Grenzen und Konflikte".
Die gegenteilige, "apokalyptische" Perspektive führt hingegen, ganz
fin-de-siècle, unweigerlich in die Katastrophe. Dieser Perspektive fühlt
er sich schon rein räumlich verbunden, denn "hier in der Nähe leben Millionen
ehemaliger Untertanen des Landes Ein-Sechstel-der-Erde, denen man, wie sich
herausstellt, das Paradies genommen hat".
Über diese Untertanen schreibt Andruchowytsch: "Sie sind verzweifelt, böse, müde.
Ihre Liebe zum Vergangenen wächst sich ins Gigantische aus, sie sind eine ganz
besondere Abart von 'Ehemaligen'. Weg mit der Zukunft! Die Zukunft ist ein
schwarzes Loch, die tägliche Preissteigerung für die Dienstleistung 'Beerdigung'
- das ist die Zukunft!"
Es ist wohl kein Zufall, daß der Autor den Gang durch die Generationen, der sein
"mittelöstliches Memento", seine Beschwörung einer pittoresken, aber erbarmungslosen
Ruinenlandschaft um ihn herum durchzieht, mit der Beerdigung seines Vaters
beschließt. Und doch geht es ihm nicht darum, seinen geographischen, geschichtlichen
oder gar nationalen Standpunkt zu vertreten. Andruchowytsch ist wie sein Koautor
Andrzej Stasiuk Vertreter einer Aufbruchsgeneration, die mit ihrer Vorliebe für
Jack Kerouac und Konsorten vor allem das Jetzt ausleben wollten.
Zeitlich ist es die Gegenwart, um die es ihm geht: "Wie können wir das Gegenwärtige
befreien", lautet die rhetorisch formulierte Frage. "Unser 'Jetzt' ist das
einzige, was wir wirklich haben." Und dieses Jetzt, auf eine moralische Zeitachse
zwischen Gedächtnis und Hoffnung geschoben, bedeutet "Offenheit" - ohne sie ist
Verstehen weder nach innen noch nach außen möglich.
Dabei steht Andruchowytsch stets auf dem festen Grund seines "letzten
Territoriums", das er nicht nur im gleichnamigen Essayband (Frankfurt/M.: Suhrkamp
2003, es 2446), sondern überhaupt auskundschaftet. Aus den Schichten und Ruinen
dieses so unebenen Raumes, den er zugleich entmythisiert, gewinnt er den Stoff
für seine Form von "Geopoetik":
"Zum Glück lebe ich in einem Teil der Welt, wo die Vergangenheit ungeheuer viel
gilt. Der eine nennt es Verwurzelung, ein anderer Besessenheit.
Ich weiß selbst nicht, wie ich es nennen soll; es gibt in diesem Teil der Welt
einfach zu viele Ruinen, zu viele Skelette unter unseren Füßen. Zum Glück komme
ich nicht davon los."
Geographie als Offenbarung
Eine ganz andere Art, sich dem "sogenannten Mitteleuropa" zu nähern, hat Andrzej
Stasiuk entwickelt - und doch ergeben sich am Ende, ohne daß die beiden
Schriftsteller ein gemeinsames Schlußwort fänden, wichtige Übereinstimmungen. Der
ebenfalls 1960 geborene, aus Warschau stammende Pole hat seinen Europa-Essay
"Logbuch" genannt. Es ist verblüffend, wie genau er mit diesem Titel seine
Absichten umsetzen kann.
"Schreiben bedeutet, Namen zu nennen", heißt es an einer Stelle. Und genau das
bekommen wir serviert: unzählige kleine slowakische und polnische, ukrainische
und ungarische Dörfchen, Weiler und Kirchlein, die teilweise auf keiner Karte zu
finden sind, Straßen und Weggabelungen, an denen er uns mal in die eine, mal in
die andere Richtung mitnimmt.
Bei Stasiuk ist die geographische Annäherung am
stärksten ausgeprägt: Es geht um Länder und ihre Umrisse, die ästhetisch optimale
Form von Schulbuch-Nationen. Es geht um Himmelsrichtungen und ihre Bedeutung. Es
geht um kleine, unwichtige Orte, an denen sich vielleicht ein bestimmter Gedanke,
eine bestimmte Erinnerung festhängt, die sich zusammen mit unzähligen anderer
solcher Gedankensplitter im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Kosmos verdichtet.
Stasiuk setzt seinen poetischen Sextanten genau ein, indem er aus jeder Begebenheit,
die er in sich behalten hat, die wichtigen Positionsbestimmungen notiert.
Was zum echten Logbuch noch fehlt, sind zeitliche Angaben. Aber geschichtliche
Bestimmungen, das, was Andruchowytsch in einer Landschaft, die sich noch immer
von der sowjetischen Geschichtshoheit emanzipiert, zumindest als Grundbestimmung
akzeptiert, sind grundsätzlich nicht seine Sache. Europa, das ist für Andrzej
Stasiuk eine nie versiegende Quelle geographischer Details und damit verbundener
Augenblicke:
"Einzelheiten, Kleinigkeiten, Ereignissen, die nur wenige Sekunden
dauern und an Filmszenen erinnern, aus flimmernden Fragmenten, die durch meinen
Kopf wehen wie Blätter im Wind, und durch dieses Gestöber von Episoden schimmern
Landkarten und Landschaften."
Man könnte hier vermuten, daß der Pole nach dem Ende des Ostblocks weniger
Definitionsschwierigkeiten hat als Bewohner der GUS. Andererseits ist auch Polen
nach dem Zweiten Weltkrieg völlig neu erfunden worden. Was Stasiuk vermeiden will
- und hier trifft er sich mit seinem Freund Juri Andruchowytsch -, ist, seine
"Offenbarung", wie so oft beim nation-building, aus der Geschichte zu
beziehen.
Genau wie bei dem Ukrainer hängt seine Skepsis gegenüber der Geschichte mit der
Mittellage zusammen. Zu Beginn seines Essays macht er die kartographische Probe
aufs Exempel, um "sein Mitteleuropa" auszumessen. Mit einem Zirkel sticht er in
dem kleinen Dörfchen am nördlichen Karpatenrand, wo er seit vielen Jahren lebt,
in die Europakarte und zieht einen Kreis mit dem ungefähr 300 Kilometer
betragenden Radius zu seiner Geburtsstadt Warschau. Innerhalb dieses Radius liegt
ein Großteil des alten Habsburgerterritoriums - jedoch "kein Stück von Deutschland
oder Rußland, was ich mit einem gewissen Erstaunen, aber auch mit diskreter,
atavistischer Erleichterung registriere".
Auch Stasiuk besitzt soviel Geschichtssinn, daß er den beiden früheren Hegemonial-
und Besatzungsmächten skeptisch gegenüber steht. Es ist die Angst vor der großen
Ebene, die sich - so könnte man im Sinne Stasiuks anmerken - auf dem
"Mitteleuropa"-Blatt des Diercke-Atlas von Rotterdam bis Borissow zieht, die
gläserne und stählerne Unwirklichkeit wiederbelebter Metropolen wie Berlin,
Warschau und Moskau, der Wunsch, sich nicht mehr den Blicken der herannahenden
neuen Barbaren auszusetzen, der ihn mit dem "Instinkt eines Bewohners der
mitteleuropäischen Ebene" in die Beskiden getrieben hat.
Die unaufregende Tatsache, in Europas Mitte zu leben, führt allerdings nach
Stasiuks Meinung auch zu geographischer Trägheit und Immobilität.
"Im Zentrum zu leben bedeutet, nirgends zu leben." Das erklärt er später - ganz
Geopoet - anhand einer Impression, die er in dem kleinen slowakischen Örtchen
Zborov gewonnen hat:
"Hier gilt noch die alte Zeit, in der sich die Menschen nicht grundlos auf den
Weg machten. Sie blieben zu Hause und horchten auf die Stimmen der Welt, weil der
Ruf zum Aufbruch nie etwas Gutes bedeutete. Man brach auf in fremde Kriege, man
floh vor Armeen, suchte dem Elend und dem Hunger zu entkommen. Aus diesem Grund
hat Mitteleuropa nie große Entdecker hervorgebracht. Es war mit Reisen in sein
eigenes Inneres beschäftigt."
Vom Kaiser regiert, nicht von den Ideen
Auch Andrzej Stasiuk ist auf der Reise durch sein Inneres, selbst wenn er
umherzieht und sein Territorium erschließt. Und weil er sich nicht damit abfinden
kann, daß dieses Territorium von keiner Klammer mehr gehalten wird, flüchtet er
sich ganz gezielt in ein nostalgisches Besäufnis am Geburtstag Kaiser Franz
Josephs. Die wahre Größe eines Operettenkaisers, der zwar Deutsch sprach, darüber
hinaus aber alles an seinem Platz beließ, könne man nämlich, so Stasiuk, erst aus
der Rückschau erkennen.
"Je mehr Land der Kaiser besitzt, desto besser für den einfachen Mann. Wenn das
Land von Ideen regiert wird, weiß man nie, wem es gehört, weil sich Ideen ändern,
während der Kaiser sich nie ändert."
Ist nicht aber - müßte man an dieser Stelle kritisch nachfragen - genau diese
verbreitete Haltung diejenige, die der postsowjetischen Habsburgmystik, dem
Mitteleuropa-Kitsch die Nahrung liefert?
Stasiuk beschränkt sich, das kann man einwenden, nicht mehr nur auf die
Erfordernisse seines "Logbuchs", sondern versucht, eine zwar retrospektive, aber
immerhin politische Einheit zum Argument zu machen. Argument für was? Für den
geographischen Raum, den er zuvor poetisch durchmessen hat. Insofern seien ihm
hier seine Abschweifungen gerne erlaubt, zumal sich die Autoren letztlich keinerlei
Illusion hingeben. Ihrem Territorium, ihrer ungeliebten Mittellage können und
wollen sie nicht entkommen, wie Andrzej Stasiuk, ganz Kapitän, von großer Fahrt
zurückgekehrt, in einer Art Schlußwort schreibt:
"Mitteleuropäer zu sein bedeutet: zwischen dem Osten, der nie existierte, und dem
Westen, der allzusehr existierte, zu leben. Das bedeutet, 'in der Mitte' zu leben,
wenn diese Mitte eigentlich das einzige reale Land ist. Nur daß dieses Land nicht
fest ist. Es gleicht eher einer Insel, vielleicht sogar einer schwimmenden. Ja,
vielleicht sogar einem Schiff, das den Strömungen und Winden East-West und retour
ausgesetzt ist. … Auf dieser Insel oder auf diesem Schiff zu leben bedeutet,
unablässig dem Wechsel des Wetters zuzusehen, die Insel von einem Ufer zum
anderen abzuschreiten oder von einer Seite des Schiffes zur anderen zu gehen.
Und wie bei einer Seereise nur an das Jetzt und an die Zukunft zu denken, weil
uns die Vergangenheit nur rationale Warnungen von der Art 'Wir wären besser zu
Hause geblieben' liefert."
Das "sogenannte Mitteleuropa" ist also zunächst einmal eine geographische
Tatsache - insofern hat der Diercke-Atlas recht. Das Wort vom "Raum", das der
Historiker Schlögel wieder neu in die Debatte geworfen hat, läßt hingegen auch
andere Formen von Ortung und Identifikation zu.
Doch wo liegt Europa?Mitteleuropa - das sind nicht nur
die unzähligen kleinen Orte auf der Landkarte, das sind eben auch die Eindrücke,
die daran hängen. Es sind die persönlichen und familiären Schicksale, die mit der
geographischen und politischen Zugehörigkeit verbunden sind, und nicht zuletzt die
unendlichen Ruinenfelder, in denen noch immer eine ganze Welt versunken liegt.
Insofern läßt sich Mitteleuropa, als Gegenstand handfester "geopoetischer"
Positionsbestimmungen, auch ohne die Anführungszeichen oder das vorgestellte
"sogenannt" hinschreiben.
Der eigentlich schwammige Begriff hingegen ist "Europa". Lassen sich die beiden
Essays in den Geist des 'vereinten Europa der 25' einordnen, wie es der
Erscheinungstermin nahelegt? Seit dem 1. Mai 2004 hat sich zwischen Stasiuk und
Andruchowytsch immerhin eine neue Systemgrenze geschoben. Was soll man mit einer
humoristisch-anthropomorphen Bestimmung beginnen, die die Mitteleuropäer neben
dem "schönen Haupt" Spanien, dem "Herz" Frankreich und dem "unersättlichen Bauch"
Deutschland als Europas Lenden sieht? Oder ist der ganze Titel tatsächlich nur
Ausdruck eines persönlichen Statements, das sich bewußt in die Tradition eines
Günter Grass ("Mein Jahrhundert") oder Ralph Giordano ("Mein irisches Tagebuch")
stellt?
Das ist kaum zu beantworten. Das einzige, was sich sicher sagen läßt, ist, daß
das Buch an der Stelle zu Ende ist, wo Andrzej Stasiuk bei Konieczna über die
Grenze fährt. Und das ist ganz natürlich, weil koniec ja "Ende" bedeutet.
p.w. - red. / 01. Juli 2004
Andrzej Stasiuk
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