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Feuilleton


Preisträger und Bilanz des Wettbewerbs beim 23. FilmFestival Cottbus





Am vergangenen Samstag ging das 23. FilmFestival Cottbus mit der Preisverleihung in der Stadthalle Cottbus zu Ende. 150 Filme aus 38 Ländern standen diesmal auf dem Programm. Wir berichteten bereits in einer Halbzeitbilanz über den Spielfilmwettbewerb. Mit 20.300 Zuschauern konnte das Festival auch einen neuen Besucherrekord verbuchen. Das Cottbuser Publikum und zahlreiche internationale Gäste füllten besonders an den Abendveranstaltungen die fünf Festival-Kinos in der Stadthalle, dem Weltspiegel, den Kammerspielen des Staatstheaters Cottbus sowie dem Gladhouse- und Obenkino.


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Nicht wie vermutet den Publikumspreis, dafür aber den Hauptpreis konnte der russische Beitrag von Aleksandr Veledinsky, Geograf Globus Propil (Der Geograf, der den Globus austrank) mit nach Hause nehmen. Der Regisseur weilte leider nicht in Cottbus, so dass die Lubina für den besten Spielfilm von Olga Vostretsowa, der ehemaligen Programmkoordinatorin des Goethe Instituts Moskau, entgegengenommen wurde. Der Wettbewerbs-Jury imponierte an dieser "Geschichte um einen modernen, russischen Heiligen" auf der Suche nach dem Glück vor allem die vorzügliche Beherrschung des Handwerks und seine große Verspieltheit. Was in dieser Kombination tatsächlich preiswürdig sein dürfte. Der Film lief ebenfalls schon recht erfolgreich auf den Festivals in Sotchi und Odessa und wird am 27. November im Kino International die 9. Russische Filmwoche in Berlin eröffnen.




Verleihung des Publikumspreises beim 23. FilmFestival Cottbus - Foto (C) Stefan Bock



Zuvor hatte der Eröffnungsfilm des Festivals Lauf, Junge, lauf von Regisseur Pepe Danquart den Publikumspreis eingeheimst. Die deutsch-französische Koproduktion beruht auf dem gleichnamigen Bestseller von Uri Orlev, der 2004 die Erlebnisse des heute in Israel lebenden Yoram Friedmann während der Jahre 1942-1945 im besetzten Polen aufgeschrieben hatte. Als Neunjähriger war Friedmann aus dem Warschauer Ghetto geflohen und versuchte, indem er sich als polnische Waise ausgab, in den Wäldern und unter polnischen Bauern den Zweiten Weltkrieg zu überleben. Jurek, wie sich der jüdische Junge Srulik in Orlevs Roman nennt, wird im Film von den polnischen Zwillingen Andrej & Kamil Tkacz verkörpert. Bei seiner Flucht vor der SS und deutschen Wehrmacht durch das katholisch geprägte, ländliche Polen erfährt Jurek Nächstenliebe und Hilfe, wie auch Gewalt und Verrat. Pepe Danquart setzt auf starke, emotionale Bilder, versucht aber weitestgehend großformatigen Hollywood-Kitsch zu vermeiden. Der Film kommt im April 2014 in die deutschen Kinos.

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Die Religionen in Osteuropa waren großes Thema des letztjährigen Festivals. Diesmal hatte es die Ökumenische Jury etwas schwerer, einen passenden Beitrag zu prämieren. Der Preis ging an den serbischen Wettbewerbsbeitrag Odumiranje (Das Verschwinden) von Regisseur Miloš Pušić. Janko will das vom Vater ererbte Land verkaufen und in die Schweiz auswandern. Die Einwände und Wünsche seiner Mutter spielen für ihn dabei keine Rolle. Im Film geht es unter anderem um das Wegbrechen von familiären Traditionen und den Verlust der Heimatverbundenheit infolge mangelnder Perspektiven. Die Jury sah darin vor allem ein moralisches Dilemma und einen provokanten Verweis darauf, das 4. Gebot „Ehre deine Eltern“ neu zu überdenken.

Mit dem kroatisch-serbischen Film Svecenikova Djeca (Die Kinder des Priesters) übte ein anderer Wettbewerbsbeitrag Kritik an den strengen Dogmen des Katholizismus und der Scheinheiligkeit sowie den Verfehlungen des Klerus. Regisseur Vinko Brešan erzählt von einem übereifrigen Priester, der, um die Moral seiner Schäfchen zu stärken und den Kindermangel auf einer kleinen kroatischen Insel zu bekämpfen, u.a. Löcher in Kondome sticht. Dass, wenn man selbst Gott spielen möchte, auch einiges schief laufen kann und dem Priester dabei schließlich des Heft des Handelns entgleitet, zeigt dieser Film auf schwarzhumorige Weise, was zum Ende hin auch ins Tragische kippt.

Die Themen und Genres der Wettbewerbsfilme waren in diesem Jahr sehr vielschichtig und breit gefächert, was die Entscheidung sicher nicht gerade leicht gemacht haben dürfte. Bis zum Ende hatte sich kein wirklicher Favorit auf die Hauptpreise herauskristallisiert. Die recht jung besetzte Jury streute die Preise trotz allem scheinbar recht zielsicher. Das Votum fiel eindeutig zu Gunsten künstlerisch und handwerklich herausragender Leistungen aus und nicht (wie sonst öfter) für besonders sozialkritische Projekte oder mutige Low-Budget-Produktionen. Eine solche dürfte auch die rumänisch-moldawische Koproduktion La Limita de jos a cerului (Der untere Rand des Himmels) von Igor Cobileanski sein. Ohne rumänische Hilfe hätte dieser Film sicher nicht entstehen können. Eine in ruhigen Bildern gezeichnete Geschichte über die Schwierigkeiten junger Menschen in der moldawischen Provinz, die in wenig aussichtsreicher Position ihren Platz im Leben finden müssen, ohne dabei ihre moralische Integrität aufzugeben oder sich selbst untreu zu werden. Hier hatte zumindest die Jury der Fédération Internationale de la Presse Cinématographique ein Einsehen und verlieh dem Film den FIPRESCI Preis der Filmkritik.

Der ebenfalls sehr ambitionierte, semidokumentarische bosnische Beitrag Für die, die keine Geschichten erzählen können von Regisseurin Jasmila Žbanić über die Nachforschungen einer Australierin zu den Hintergründen eines ehemaligen Rapecamps in einem Hotel der Stadt Višegrad ging dagegen leer aus.

Den Preis für eine herausragende Darstellerin erhielt Michaela Bendulová für ihre Rolle der 15-jährigen Ela in der slowakisch-tschechischen Koproduktion Zázrak (Wunder) vom slowakischen Regisseur Juraj Lehotskýs. Ela wird von ihrer Mutter, die nicht mit ihr fertig wird, einfach in ein Kinderheim abgeschoben. Das Mädchen versucht immer wieder zu fliehen, um ihren Freund Roby zu suchen. Ihr Traum ist es in England als Friseurin zu arbeiten. Roby ist drogensüchtig und hat Schulden bei zwielichtigen Typen, die nun ihr Geld eintreiben wollen. Um Roby zu helfen, lässt sich Ela für ihre Liebe ohne lange nachzudenken auf eine gefährliche Sache ein. Die Rollen der Jugendlichen im Film sind ausschließlich mit Laiendarstellern besetzt, von denen sich Michaela Bendulová als Ela mit ihrer eindrücklichen Spielweise besonders hervortut. Ein starker Film, der durchaus mehr verdient hätte.

Ähnliches lässt sich sicher auch über den slowenisch-kroatischen Wettbewerbsfilm Chefurs raus! von Regisseur Goran Vojnović sagen, der eine Gruppe Jugendlicher in einer Plattenbausiedlung am Rande Ljubljanas porträtiert. Aber nicht der anwesende junge Hauptdarsteller Benjamin Kretić erhielt den Preis für einen herausragenden Darsteller, sondern der bosnische Schauspieler Emir Hadžihafizbegović für seine ungeheure Präsenz in der Nebenrolle als dessen Vater Radovan.

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Der Spezialpreis der Wettbewerbsjury für die beste Regie ging etwas überraschend an das künstlerische Multitalent Yury Bykov für dessen Film Major, dem zweiten russischen Beitrag im Wettbewerb. Bykov zeichnet neben der Regie auch für Drehbuch, Schnitt sowie die Musik verantwortlich und spielt eine der Hauptrollen. Das allein scheint aber nicht ausschlaggebend für diese Entscheidung gewesen zu sein. Der vom zweifachen Cottbus-Preisträger Alexey Uchitel (Der Spaziergang / Gefangen) produzierte Film will mit einfachen, schlagenden Mitteln überzeugen. Bykows Thema ist die latent im Menschen lauernde Gewaltbereitschaft, die in Extremsituationen urplötzlich und ungebremst zum Ausbruch kommen kann. In Major ist es ein ganzer, organisierter Mechanismus aus Gewalt, Angst und hierarchischem Korpsgeist unter Polizisten. Polizeimajors Sobolev ist auf spiegelglatter Straße irgendwo in der russischen Provinz auf dem Weg zur Entbindung seiner Frau. Er verursacht einen Autounfall, bei dem ein Kind getötet wird. Das soll nun mit allen Mitteln vertuscht werden. Die Mutter wird brutal eingeschüchtert und gezwungen eine falsche Aussage zu unterschreiben. Nachdem ihr Mann mit einer Schusswaffe in die Polizeistation eindringt, eskaliert die Gewalt. Schließlich geht es, um Zeugen zu beseitigen, auch unter den Polizisten jeder gegen jeden. Regisseur Bykow zielt hier aber nicht, wie vielleicht nahe liegend, auf die gegenwärtigen politischen Zustände in der russischen Gesellschaft, sondern inszeniert ein spannendes, nahezu perfektes Actiondrama über die Bereitschaft von Menschen, für die Durchsetzung eigener Ziele auch Gewalt anzuwenden. Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein, was die etwas kritische Haltung des Publikums beim Gespräch mit dem anwesenden Koproduzenten nach der Präsentation des Films belegt. Diskussionswürdig ist das Thema aber allemal.




Szene aus dem preisgekrönten Film Major von Yury Bykov - Foto (C) FFC


Stefan Bock - 11. November 2013
ID 7357
Das 24. FilmFestival Cottbus findet vom 4. bis 9. November 2014 statt. Wiederholungen einiger Filme des 23. Festivals laufen noch bis zum 16.11. in den Berliner Kinos Sputnik und am Bundesplatz sowie bis zum 13.11. im Dresdener Kino KiF.

Weitere Infos siehe auch: http://www.filmfestivalcottbus.de/


Post an Stefan Bock

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