Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Rezension


Filmstart: 29. August 2013

Die Stripping Sixties - Michael Winterbottoms Filmbiografie über den „Citizen Kane“ englischer Männermagazine, The Look Of Love





Ein Königreich gebaut auf Geilheit

Es waren wohl rechtliche Fragen mit den Erben, die verhinderten, dass die Biografie des britischen Nachtclub-Königs und Männermagazin-Verlegers Paul Raymond nicht schon früher verfilmt wurde. Denn in der Tat ist das Leben Raymonds, der eigentlich Geoffrey Anthony Quinn hieß, eine vorzügliche Vorlage für einen Spielfilm. Die Kindheit und frühe Jugend, die Raymond – unter anderem auf einer katholisch-irischen Schule (!) – in Nordengland verbrachte, zeigt The Look Of Love nicht. Die Geschichte startet, als der 22-jährige Raymond in den Revuetheatern Englands als Conférencier und Gedankenleser bereits sein schlitzohriges Talent einsetzt, ein Publikum mit äußerem Schein unterhaltsam zu manipulieren. Wie der Film zeigt, sind es jeweils nur folgerichtige Schritte vom Betreiber des ersten Striplokal Englands („Raymonds Revuebar“ im Walker‘s Court in Soho, 1958) zum Nachtclubkönig ganz Londons und zum Verleger diverser Männermagazine wie „Men Only“ oder „Mayfair“ zu avancieren, ohne je wirkliche Pornografie zu bieten oder ins Geschmacklose abzugleiten wie sein amerikanisches Pendent, „Hustler“-Verleger Larry Flynt (dessen Biografie Milos Forman 1995 unter dem Titel Larry Flynt – Die nackte Wahrheit verfilmte).

Der als Komiker berühmt gewordene Steve Coogan spielt den Self-Made-Millionär, dessen Königreich auf Geilheit und Sperma aufgebaut ist, wie ein Neider im Film Raymonds geschäftliche Raffinesse einmal treffend umschreibt, sehr überzeugend als umtriebigen Freigeist und knallharten Manager. Raymonds unnachahmliches Gespür für die Erfüllung der geheimen Wünsche des voyeuristischen Club- oder Lesepublikums, aber auch seine Immobiliengeschäfte, machten ihn Anfang der Neunziger Jahre zum vermögendsten Mann Großbritanniens. Zugleich kollidierten seine Unternehmungen immer wieder mit den britischen Gesetzen, die er in einem jahrzehntelangen Balanceakt so weit wie möglich und insgesamt erfolgreich, zu umgehen trachtete. Derweil führte der König von Soho (so der ursprüngliche, aber von einem der Söhne Raymonds untersagte Filmtitel) ein angemessen unkonventionelles Leben mit goldverziertem Rolls-Royce, einer langlebigen Affäre mit einem seiner prominentesten Fotomodels und einer spektakulär teuren Scheidung von seiner zweiten Frau.



Steve Coogan als Paul Raymond - Foto (C) Alpenrepubik-Filmverleih

Tasmin Egerton in The Look Of Love - Foto (C) Alpenrepubik-Filmverleih

Anna Friel und Steve Coogan - Foto (C) Alpenrepubik-Filmverleih


Michael Winterbottom wendet in The Look Of Love wie schon in seinen anderen, in England spielenden Filmen (z.B. 24 Hour Party People, 9 Songs) wieder einen elegisch dahinfließenden, illustrierenden Stil ohne große dramatische Spannungsbögen und Höhepunkte an, die seine Filme mit politischen Themen (wie z.B. Welcome to Sarajevo, The Road To Guantanamo oder In This World) auszeichnet. Auch auf hervorstechende, bisweilen drastische Stilelemente, die sich in einigen seiner Genre-Filme (wie z.B. The Killer Inside Me) dramaturgisch unverhältnismäßig störend ausgewirkt hatten, verzichtet er, obwohl das Thema deutlich mehr Chancen für visuelle Aufreger geboten hätte. Offensichtlich wollte Winterbottom nicht in dieselbe Falle tappen wie seinerzeit Paul Verhoeven mit Showgirls, mit viel nackter Haut puren Voyeurismus zu bedienen, der psychologisch zu wenig Tiefe zulässt. Winterbottom, seinen Ausstattern und Kameramann Hubert Taczanowski genügen die äußeren Qualitäten der geschmacklich grenzwertigen 70er-Jahre-Dekors und der Riege hübscher Schauspielerinnen.

Erst ganz am Ende des Films, als der gealterte Raymond den Drogentot seiner Tochter verkraften muss, die eigentlich als seine Nachfolgerin aufgebaut wurde, es aber weder als Privatperson noch als Karrierefrau schaffte, aus dem Schatten ihres dominierenden Vaters herauszutreten, erhält die Story eine tragische Dimension. Die eher girlandenartige, durchweg unterhaltsame Erzählweise sollte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass Drehbuchautor Matt Greenhalgh und Winterbottom durchaus einige markante Momente eingebaut haben, in denen die abgründigen, aber verdrängten Seiten Raymonds klar zum Vorschein kommen. Bestürzend insbesondere die Szene, in der Raymond den Sohn aus erster Ehe einmal im Leben pflichtschuldigst bei sich empfängt, den er ansonsten vollkommen ignoriert hatte. Nicht nur solche privaten, vor allem die gesellschaftspolitischen Widersprüchlichkeiten im Großbritannien der siebziger Jahre (auf die sich Hauptdarsteller Steve Coogan in einer erstaunlich schwach besetzten Pressekonferenz zur BERLINALE im Frühjahr ausführlich bezogen hatte), hätten Drehbuch und Regie stärker betonen sollen, um der Biografie mehr Würze zu verleihen.



Bewertung:    



Max-Peter Heyne - 28. August 2013
ID 7093
The Look Of Love (GB/USA 2013)
Regie: Michael Winterbottom
Drehbuch: Matt Greenhalgh
Kamera: Hubert Taczanowski
Mit: Anna Friel, Tasmin Egerton, Immogen Poots u.v.a.


Weitere Infos siehe auch: http://www.thelookoflove-film.de


Post an Max-Peter Heyne



 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

FERNSEHFILME

HEIMKINO

INTERVIEWS

NEUES DEUTSCHES KINO

SPIELFILME

TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)