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Rezension


Filmstart: 24. Januar 2013

Lincoln (USA 2012)

Regie: Steven Spielberg



Wenn der Zweck die Mittel heiligt

Filmbiografien im epochalen Stil wie Gandhi (1982) oder Nixon (1995), die alle wichtigen Lebensstationen eines Prominenten abhaken, sind aus der Mode gekommen. Heutzutage fokussieren sich Filmschaffende meist nur auf eine einzige, aber entscheidende Episode im Leben der ausgewählten Persönlichkeit, um deren geschichtliche Größe oder künstlerische Einzigartigkeit herauszuarbeiten. Das erspart unnötige dramaturgische Umwege durch die Jugendzeit der oder des Porträtierten und bietet sich vor allem an, wenn die darzustellenden historischen Hintergründe sehr komplex sind – wie im Falle Hannah Arendt oder auch bei Lincoln, Steven Spielbergs neuem Film.




Daniel Day-Lewis in der Oscar-verdächtigen Interpretation der charismatischen Titelfigur - Foto © Dreamworks Distribution LLC



Obgleich Lincoln mit fast drei Stunden von epischer Länge ist, werden nur einige, allerdings dramatische Wochen im Leben Abraham Lincolns (1809-1865) geschildert. Es ist der Zeitraum des Jahreswechsels 1864/65, der nicht nur über das Schicksal der damals nicht mehr Vereinigten Staaten von Amerika entschied, sondern auch über das des 16. Präsidenten der USA, der mit aller Kraft eine Abstimmung über die Abschaffung der Sklaverei vorantrieb. Die von Lincoln gegen viele Widerstände, auch in der eigenen republikanischen Partei, forcierte Abstimmung über einen entsprechenden Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung vom 31. Januar 1865 wurde zum Kristallisationspunkt der moralischen und politischen Überzeugungen Lincolns – und steht daher im Mittelpunkt des Films.

Spielbergs Filmporträt ist eng an historische Fakten angelehnt und breitet die schwierige politische Gemengelage, die am Ende von Lincolns erster Amtszeit herrschte, in vielen Einzelszenen aus: Lincoln lehnte die Versklavung der Farbigen aus moralischer Überzeugung zwar klar ab, scheute aber vor radikalen Äußerungen und Maßnahmen zurück, um die Stimmung zwischen den verfeindeten politischen Lagern nicht zusätzlich aufzuheizen. Stattdessen trieb er eine militärische Entscheidung des Bürgerkriegs voran, der sich am Sklaventhema entzündet hatte. „Mein höchstes Ziel in diesem Ringen ist die Einhaltung der Union“, so Lincoln 1862 in einem Brief: „Wenn ich die Union retten könnte, ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, dann würde ich es tun, und wenn ich sie dadurch retten könnte, dass ich alle Sklaven befreite, dann würde ich es tun.“



Thommy Lee Jones als wortmächtiger, radikaler Gegner der Sklaverei der republikanischen Partei, Thaddeus Stevens - Foto © Dreamworks Distribution LLC



Lincoln wusste: Nur im Windschatten des Krieges würde er die unpopuläre Abstimmung durchdrücken können. Sie wäre nach einem klaren Sieg der industrialisierten Nord- über die agrarisch strukturierten Südstaaten und die Wiedereingliederung der politischen Repräsentanten der Abtrünnigen in einen vergrößerten US-Kongress nicht mehr möglich gewesen. Und die Abschaffung der Sklaverei per Dekret hätte wie eine Demütigung durch die Sieger ausgesehen. Der Film zeigt, dass Lincoln den Kongress bewusst täuscht, damit er die Friedensgespräche nicht vor der heiklen Abstimmung über die Sklaverei organisieren muss.

Dank Spielberg und seinem Drehbuchautoren Tony Kushner werden die Kinozuschauer auch daran erinnert, wie dramatisch und auf schmalem Grat Weltgeschichte manchmal verläuft. Dabei brauchten die beiden nur maßvoll dramatisieren, schließlich waren die Vorbereitungen für die historische Abstimmung dramatisch genug. Anders als sonstige Spielberg-Filme ist Lincoln weniger pathetisch und mehr theatralisch, also dialogintensiver. Dabei wirken die Szenen aus den Niederungen der Alltagspolitik dank überzeugender Dialoge und Darsteller keinesfalls langweilig, sondern durchweg faszinierend.

Spielberg zeigt auch, was nur vermutet werden kann: Selbst der rhetorisch und strategisch hochbegabte und moralisch integre Lincoln (grandios gespielt von Daniel Day-Lewis), der als Kind nur ein Jahr zur Schule ging, musste zur Durchsetzung seiner honorigen Ziele auch wenig honorige Mittel einsetzen. Nicht zuletzt dadurch gewinnt der Film zeitgemäße Bezüge und zwingt zu einer Reflexion darüber, inwieweit in einer Demokratie der Zweck die Mittel heiligt. Man darf sicher annehmen, dass Spielberg und Kushner bewusst war, dass sie mit Lincoln einen Bezug zu den Herausforderungen herstellen wollten, vor denen der jetzige US-Präsident Barack Obama steht. Was sie aber sicher nicht geahnt haben, ist der Umstand, dass dazu nicht mehr die Gesundheits-, sondern inzwischen eine Waffenreform gehört, über die wohl ebenso per Verfassungszusatz abgestimmt werden muss wie seinerzeit über die Sklaverei.




James Spader als W. N. Bilbo, einer der Männer fürs Grobe, ohne deren Korruptionsbemühungen Lincoln keinen Erfolg hätte - © Dreamworks Distribution LLC


Max-Peter Heyne - 21. Januar 2013
ID 6495

Weitere Infos siehe auch: http://www.thelincolnmovie.com


Post an Max-Peter Heyne



 

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