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Rezension


Filmstart: 8. August 2013

Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel (D 2012)

Buch & Regie: Aron Lehmann




Ein kleines Wunderwerk an Film hat der Regisseur Aron Lehmann mit seiner Abschlussarbeit für die HFF Potsdam-Babelsberg geschaffen. Den Mangel an Fördergeld, der so vielen Low-Budget-Filmen gemein ist, nutzt er als Potential für eine ironische Betrachtung des Filmemachens in Zeiten knapper Kassen. Ausgangspunkt für Lehmann ist hier die Verfilmung eines historischen Ritterspektakels nach der Novelle Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist, die nach dem Rücktritt der bayrischen Produzenten in einem Debakel zu versinken droht.


*


Heinrich von Kleist war mit seinen Werken der ihn umgebenden Welt um einiges voraus. Mit verzweifelter Akribie versuchte er, in ihr, beeinflusst von der Philosophie des Königsbergers Immanuel Kant, seinen Platz zu finden und als „freier denkender Mensch“ nicht einfach nur da stehen zu bleiben, wo ihn das Schicksal hingeworfen hatte. Im Jahr 1811 endete die Suche allerdings mit Kleist Selbstmord am kleinen Wannsee bei Berlin. Das Kleistzitat: „Ein freier, denkender Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt; oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Bessern.“ stellt der junge Berliner Regisseur Aron Lehmann seinem Film Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel voran.


* *


„Die Welt ist meine Vorstellung.“ Mit diesem Satz beginnt acht Jahre nach dem Freitod des 33jährigen Dichters Kleist der 31 Jahre alte Philosoph Arthur Schopenhauer sein großes pessimistisches Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung. Für ihn war die Welt als Vorstellung lediglich durch das vorstellende Subjekt gegeben, hing also unmittelbar vom Erkenntnisvermögen des Betrachters ab. Aron Lehmann bleibt hier nicht stehen. Er überträgt die These Schopenhauers, allerdings ganz im positiven Sinne, auf seinen Film. Für ihn entsteht die gesamte Welt (des Films) erst aus dem reinen Willen zur Imagination.

Und damit hat der Filmemacher mit den Theaterleuten natürlich auch einiges gemein, die zahlreich in seinem Film vertreten sind. Sei es durch die mitwirkenden Schauspieler oder die selbst bühnenaffinen Dorfbewohner, die sich dem Regisseur im Film als unerwartete Erfüllungsgehilfen zunächst bereitwillig andienen. Den Idealismus des jungen Regisseurs, dargestellt vom Jungstar des neuen deutschen Films und Filmpreisträger Robert Gwisdek, teilen sie allerdings alle erst nach einer flammenden Motivationsrede mit anschließendem demonstrativ imaginiertem Kampfgetümmel im bayrischen Forst.

Da werden Kühe und Ochsen zu Pferden und auch fehlende Schwerter, Rüstungen und brennende Kulissen halten den Regisseur nicht davon ab, seinen Traum vom Film in die Realität umzusetzen. Dass ihm dabei neben dem Hauptdarsteller auch irgendwann der Sinn für die wirkliche Welt abhandenkommt, blendet er dabei allerdings nach und nach völlig aus. Die Liebe zu seiner Muse, der Darstellerin von Kohlhaas’ Frau Lisbeth (Rosalie Thomass), lässt ihn schließlich selbst als Kohlhaas in den Kampf für die Verwirklichung seiner Vision ziehen.

Der Einbruch der merkwürdigen Filmkunstschaffenden in die normale Welt der Dörfler schlägt nach anfänglicher Begeisterung schnell in Ablehnung und sogar blanken Hass um, der schließlich Kohlhaas’sche Dimensionen annimmt. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel werden a priori genau da überschritten, wo der Wille zur Vorstellung Zwang zu werden droht. Eine Binse nicht erst seit das Geld knapp und die Kunst im ständigen Existenz- und Erklärungsnotstand steht. Der irgendwo zwischen Truffauts Amerikanischer Nacht, Fassbinders Warnung vor einer heiliger Nutte und den wahnwitzigen Filmvisionen vom Schöner-Scheitern eines Christoph Schlingensiefs angesiedelte Streifen ist ein klares Plädoyer für die schier grenzenlose Kreativität des Künstlers, das Aron Lehmann hier natürlich nicht ganz ohne Ironie und kleine Seitenhiebe auf die deutsche Kinoszene hält.

Denn dass ein gut subventionierter Film über Kleists Rächer aus verletztem Gerechtigkeitsgefühl auch daneben gehen kann, hat schließlich schon Volker Schlöndorff erfahren müssen. Übrigens, wem das nicht passt, rät der Film-Lehman, der kann ja zu Tom Tykwer gehen, dessen ohne Wackelkamera gedrehten Filme immerhin für gute Szenenbilder, Masken und tadellos sitzende Kostüme Preise abkassieren. Ein großes filmisches Vergnügen, wie auch die Spielfilmjury des "achtung berlin Filmfestivals" im April diesen Jahres befand, und Aron Lehmann dafür ganz zu Recht den new berlin film award für die beste Regie zuerkannte.



Bewertung:    


Stefan Bock - 9. August 2013
ID 7038
Weitere Infos siehe auch: http://www.missingfilms.de/index.php?option=com_content&view=article&id=123&catid=14


blog.theater-nachtgedanken.de



 

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