Wie es im
Buche steht
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Bewertung:
Eine Kritik über die Geschichte eines Schriftstellers, der es nicht unter einem 1.000 Seiten-Manuskript macht, sollte nicht denselben Fehler begehen und die Geduld des Redakteurs (schönen Gruß!) und der Leserschaft strapazieren. Denn wie der Redakteur bzw. Verleger Max Perkins (Colin Firth) zu seinem Schützling Thomas Wolfe (Jude Law) an einer entscheidenden Stelle des Films sinngemäß sagt: "Was ist das geeignetste Mittel, um ein intensives, einmaliges Gefühl wie das Erkennen der Liebe auszudrücken, das sich blitzartig einstellt? Nicht ein Wust an Formulierungen, sondern die kurze, schnörkellose Beschreibung."
Genius, der erste Spielfilm des bisherigen britischen Theaterregisseurs und Company-Gründers Michael Grandage (Jahrgang 1962), basiert auf dem Buch Max Perkins: Editor of Genius von A. Scott Berg und erzählt die interessante, historisch verbürgte Geschichte einer beruflichen Zusammenarbeit, die allen Unterschieden der beiden Männer zum Trotz auch zu einer privaten Freundschaft wurde. Max Perkins war im New York der 1920er Jahre beim renommierten Buchverlag Charles Scribner’ Sons einer der führenden Lektoren und verstand sich nicht nur auf das Erkennen literarischer Begabungen, sondern auch des persönlichen Umgangs mit ihnen, darunter immerhin so "schwierige", weil leicht reizbare und labile Charaktere wie F. Scott Fitzgerald (Der große Gatsby) und der junge Ernest Hemmingway. Die größte Herausforderung jedoch, so jedenfalls beschreiben es Film und Buch, war für Perkins die Zusammenarbeit mit Thomas Wolfe, der heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller amerikanischer Literatur überhaupt gilt, zu Beginn der 1920er Jahre aber zunächst von vielen Verlagen abgewiesen wurde.
Mit Perkins erster Begegnung mit dem exaltierten Wolfe in seinem mit Weltliteratur vollgestopftem Verlagsbüro startet der Film. Regisseur Grandage und Drehbuchautor John Logan (Skyfall) konzentrieren sich auch im weiteren Verlauf ganz auf die beiden Hauptfiguren und deren Mit- bzw. Gegeneinander, denn die Charaktere werden sehr gegensätzlich gezeichnet – und gespielt (was im Falle von Jude Law, der dem Affen in der Tat kräftig Zucker gibt, bei der Berlinale-Premiere im Februar zu konträren Urteilen führte). Dem ruhigen und bedächtigen, ein geregeltes (also zumindest äußerlich spießiges) Familienleben führenden Lektor steht ein exaltierter, temperamentvoller, die sozialen Verhaltensregeln nur mühsam einhaltender Künstler gegenüber.
Zunächst noch übermäßig devot, gewinnt Wolfes extrovertierte, mitteilsame Seite schnell überhand. Die drückt sich in einer geradezu manischen Schreibwut aus, deren Resultat Manuskriptberge sind. Aber auch im persönlichen Verhältnis gegenüber seiner Lebenspartnerin Aline Bernstein (mal nicht so über den Dingen schwebend: Nicole Kidman), Perkins und dessen Familie wandelt sich Wolfe zu einem zügellosen Fabulierer und angriffslustigen Wichtigtuer, der kaum noch wahrhaben will, dass sein ständiges Auftrumpfen immer arrogantere und verletzende Züge annimmt. Perkins lässt es ihm im Gegensatz zu seinem ausufernden, assoziativen Schreibstil oft durchgehen, denn er weiß, dass er ein Genie vor sich hat.
Den Schauspielern wurde vom Theaterspezialisten Grandage offenkundig freies Feld überlassen, das Jude Law entsprechend theatralisch beackert. Zumindest trägt diese Konturierung erfolgreich dazu bei, dass die schriftstellerische Arbeit und das Tauziehen zwischen Trainer/Lektor und Topathlet/Autor interessant und spannungsreich vermittelt wird. Da das Drehbuch sich Seitensträngen und Nebenaspekten weitgehend verweigert, wirkt der Bruch zwischen Perkins und dem unsteten Wolfe – der mit seinen gekürzten, aber immer noch dicken Wälzern schließlich den gewünschten Erfolg einheimst – unnötig melodramatisch. Auch das tränenreiche Ende wirkt wie aus der Feder eines nach Emotionen fischenden Drehbuchautoren geflossen. Aber tatsächlich starb Thomas Wolfe nach drei Romanen und einigen Erzählungen mit nur 37 Jahren an einem Gehirntumor.
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Genius | (C) Central Filmverleih/Wild Bunch
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Max-Peter Heyne - 12. August 2016 ID 9475
Weitere Infos siehe auch: http://www.wildbunch-germany.de/movie/genius
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