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Rezension

Sie küssten und

sie schlugen sich



Bewertung:    



Zunächst ein klares Bekenntnis vorneweg: Ich finde Jessica Chastain als Schauspielerin großartig, ich sehe sie sehr gern spielen, würde sie gerne mal treffen (mindestens zum Interview)und finde, dass sie die vielen verschiedenen Rollen scheinbar mühelos beherrscht. In letzter Zeit allerdings taucht Chastain geradezu inflationär auf den Leinwänden auf, als gäbe es im anspruchsvollen Filmfach nur noch sie – so wie Nicole Kidman vor ca. 15 Jahren. Sei's drum: Mit ihrer vornehm wirkenden, feinnervigen Blässe und ihrer Mischung aus Koketterie und Zerbrechlichkeit passt die rotblonde Jessica Chastain hervorragend in die neue Verfilmung des Theaterklassikers Fräulein Julie von olle Strindberg. Sie und ihr irischer Kollege Colin Farrell tragen die offen-sadomasochistische, dennoch altbacken geratene Dramenversion über jene Konventionalität, mit der sich Skandinaviens Grand Dame Liv Ullmann bei ihrer Inszenierung leider begnügt hat. Dass die zu Recht hochgelobte norwegische Schauspielerin Liv Ullmann, die nur selten hinter die Kamera wechselt, ausgerechnet beim Thema Geschlechterkampf nicht mehr Neues zu sagen hat, ist schade. Immerhin macht ihr Film Lust, sich erstmals oder erneut mit dem Theatergott August Strindberg und seiner besonderen Art des Kammerspiels auseinanderzusetzen und nach dem Aktualitätspotential zu forschen, das uns Liv Ullmann hier – vielleicht aus zu viel Respekt vor dem Odem des Meisters -- vorenthält.

Die düstere, depressive Weltsicht Strindbergs verleiht dem 3-Personen-Kammerspiel seine besondere Kraft, aber auch den besonderen Fatalismus: Den leidenschaftlich Liebenden, die die Chance hätten, der Welt zu zeigen, dass Liebe keine Grenzen kennt, gelingt es eben nicht, ihre Klassen- und Mentalitätsunterschiede zu überwinden. Der Bedienstete Jean (im Film John = Farrell) und seine Chefin, die Adelige Julie (Chastain), wagen es nicht, ihrem Glück eine konstruktive Chance zu geben und auszuleben. Stattdessen beharren beide auf Selbsttäuschung, quälen und zerfleischen sich lieber als den Ausbruch in eine revolutionäre Zweisamkeit zu wagen. Das Stück ist aber auch geprägt von Strindbergs selbsthassenden, suizidalen Charakterzügen, seinem Zorn auf die Oberklasse und seiner Hassliebe zu Frauen als den vermeintlich Schwächeren, die er oft als emotional labil und hilflos geschildert hat.

Gerade diesen Punkt betreffend hätte man sich als heutiger Kinozuschauer etwas Widerspenstigkeit und Innovation von Liv Ullmann gewünscht, deren Beziehung mit dem besitzergreifenden Regisseur Ingmar Bergman durchaus Züge des Strindbergschen Dramas in sich barg. Aber Ullmann hat den Klassiker nahezu klassisch verfilmt: Die Worte und damit auch die Charaktere sind kaum verändert worden, der Geschlechterkampf bleibt im soziologischen Rahmen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, was der Verfilmung die Aktualität raubt. Jessica Chastain darf zwar mit ein wenig mehr Körpereinsatz flirten als einige ihrer Vorgängerinnen. Dennoch bleibt die von Ullmann inszenierte Julie dem Strindbergschen Typus eines ebenso hochnäsigen wie inkonsequenten, moralisch verwirrten und letztlich hysterischen Frauenzimmers verhaftet.

Wie Jessica Chastain von ihrem Adonis-Knecht Stiefellecken einfordert, ist zwar hübsch anzuschauen, aber auch derlei Kinkyness ist schon seit Cathy Gales und Emma Peels glorreichen Zeiten – (für die bedauerswert Ahnungslosen: in der TV-Serie Mit Schrim, Charme und Melone; also den frühen Sechzigern!) – kein Aufreger mehr.

Der Sadomasochismus zwischen Julie und John, die im Laufe eines Abends und einer Nacht von Verbündeten zu Liebenden und Sichhassenden werden, wirkt als eines der wenigen Elemente in dieser Verfilmung zeitlos, bis am Ende wieder einmal alles auf Kosten der sozial höherrangigen, aber im Standesdünkel befangenen Julie geht. Gerade diese tragische Dimension verpufft trotz einer beachtlichen schauspielerischen Tour de Force von Chastain, denn für den westlichen Europäer wirkt derlei Tragik zeitlich zu weit weg. Fräuleins gibts eben nicht mehr, schon gar keine adeligen. Eine Verankerung der Handlung in die Gefilde der Hochfinanz, der Hochschule oder der Haute-Volée des Managements oder in Regionen, in denen Frauenrechte noch immer unterdrückt werden, hätte dem Stück mehr Brisanz verliehen als die Verlegung nach Nordirland, die offenkundig nur den Grund für den Einsatz der englischen Sprache liefert. Dennoch entfaltet die Inszenierung zusammen mit der eleganten Kameraarbeit und dem schauspielerischen Können der Besetzung (zu der auch eine betont unattraktiv-steif gestaltete Samantha Morton als Köchin zählt) viele eindringliche Momente auf die Leinwand. Der Einsatz von Licht und Schatten wie auch andere stilistische Mittel bleibt indes zu plakativ.



Fräulein Julie - Foto (C) Alamode Filmverleih

Max-Peter Heyne - 26. Januar 2015
ID 8389
Weitere Infos siehe auch: http://www.alamodefilm.de/kino/detail/fraeulein-julie.html


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