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Deutsches Kino

Die Hölle

in mir



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„Die Liebe und der Suff – dit reibt den Menschen uff“, sagt schon der Berliner. Umso schlimmer, wenn jemand nicht einmal Alkohol braucht, um aus der Rolle zu fallen. So einer wie der junge Arzt Fabian (großartig: Golo Euler) im Spielfilmdebüt von Regisseur und Ko-Drehbuchautor Jonas Rothlaender. Fabian wirkt mit seinem schluffigen Charme nach außen wie der ideale Freund und Schwiegersohn. Doch innen, da tobt es in ihm – was Regisseur Rothlaender und sein exzellenter Kameramann Alexander Haßkerl vermittels gewaltiger Wellenformationen symbolisieren. Schon nach 15 Filmminuten signalisiert diese bildliche Metapher für Fabians Schicksal – und vor allem das seiner Angebeteten (Doro alias Luise Heyer) – nicht Gutes.

Dabei könnte alles so schön sein mit der hübschen, beruflich erfolgreichen Freundin, die Fabian trotz seiner Macken aufrichtig liebt. Doch da ist Fabians bohrende Eifersucht, die jede Kommunikation erschwert und jeden schönen Augenblick zerstört. Nicht der Liebe wegen, sondern um von Fabians inneren Dämonen wegzukommen, ist Doro nach Lissabon geflohen. Fabian, in Berlin als Notarzt immerhin ausgelastet, reist Doro nach, um sie zurückzugewinnen. Was auch gelingt, denn auch Doro hängt noch immer an Fabian. Doch der Frieden währt nicht lange – die innere Unruhe nagt schon bald wieder an Fabian, der den Nebel und die Wellen Lissabons bisweilen als bedrohliche Naturgewalten anstarrt, wenn er nicht gerade versucht, Indizien für Doros vermeintliche Untreue zu finden.

Ob die Eifersucht, die Fabian wie eine Droge braucht, Ausdruck einer bipolaren Störung, Depression oder heftigen Neurose ist, spielt für den – leider ziemlich vorhersehbaren – Verlauf der Handlung keine große Rolle. Entscheidend ist, dass seine Seele so aufgewühlt ist, dass sich die Wellen ohne professionelle Hilfe nicht glätten werden. Das aber wollen Doro kaum und Fabian selbst gar nicht wahrhaben, und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Golo Euler, der in seiner kurzen Karriere bereits einige ähnliche Rollen gespielt hat, ist in Fado der größte Pluspunkt: Er spielt meist sehr zurückhaltend, aber immer ist die innere Zerrissenheit und Anspannung seiner Figur spürbar. Umso glaubwürdiger wirken das Kippen ins Verzweifelte und Auto- sowie Fremdaggressive. Aber auch Luise Heyer meistert ihre Gradwanderung zwischen Hingabe und Angewidertsein überzeugend. Dazu kommen eindrücklich gefilmte Lissaboner Kulissen und die bereits erwähnten Metaphern, die die relativ simple Story in Fado bereichern.

Die intensiven Sexszenen fügen sich harmonisch ein und unterstreichen die physische Dimension des Hin und Her zwischen Fabian und Doro. Dass vielfach nicht sofort klar ist, was eine bloße Wahnidee von Fabian ist, vermittelt der Regisseur mit einer leichten, sardonischen Note im ansonsten leider humorfreien Film. Auch der durch Fabians Subjektivität eingezogene doppelte Boden verleiht der Handlung leider nur kurzzeitig Doppelbödigkeit und Tiefe. Der durch seinen Dokumentarfilm Familie haben in der Filmszene bekannt gewordene Regisseur betonte bei den Premieren, er sei zunächst an der Darstellung der Komplexität innerhalb einer Beziehung interessiert gewesen, nicht unbedingt an einem Eifersuchtsdrama. Zum Glück hat er es dann doch in diese Richtung ausgebaut.



Luise Heyer und Golo Euler in Fado | (C) missingFilms


* * *

Wer an wahrhaft wahnwitzigen Bildern krankhafter Eifersucht interessiert ist – und überhaupt an visionären, alptraumhaften Bildern –, der kaufe sich umgehend die DVD mit dem Dokumentarfilm Die Hölle von Henri-Georges Clouzot (2009). In ihm schildert der französische Filmemacher Serge Bromberg die Hintergründe der gescheiterten Dreharbeiten einer Romanverfilmung seines Kollegen Clouzot von 1964 – und zeigt auch das dabei entstandene Material. Es gehört zu den spektakulärsten Kinobildern, die ich je gesehen habe. Und das will was heißen (Alexander Haßkerl braucht sich deswegen nicht verstecken)!

Max-Peter Heyne - 2. September 2016
ID 9517
Weitere Infos siehe auch: http://fado.jonasrothlaender.com/


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