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Filmkritik

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Für die Kinder scheint das Parkourlaufen das Natürlichste der Welt zu sein. Parkour gilt als Kunst der effizienten Fortbewegung, wobei die Architektur der Stadt und die Gegebenheiten der Natur keine Rolle spielen. Um von A nach B zu kommen, werden durch geschickten und vollen Körpereinsatz Hindernisse überwunden. Dabei klettert man auch schon mal über Dächer oder – für die Kinder von Gaza ist das Alltag – auch über Trümmer. Man muss sich seinen Weg auf intuitive und kreative Art selber suchen. Die kleine Nour (Hiba Attalah), ihr Bruder Mohammed (Qais Attalah) und ihre Freunde wachsen auf diese Weise auf. Mit solchen Bildern beginnt das Biopic Ein Lied für Nour des palästinensischen Regisseurs Hany Abu-Assad. Er zeichnet die reale Lebensgeschichte des Palästinensers Mohammed Assaf aus Gaza nach, der 2013 die Castingshow „Arab Idol“ gewann, und dessen Leben in der Tat einem Parkourlauf ähnelt.

Während der kleine Mohammed eher zurückhaltend ist, feuert ihn seine Schwester Nour immer wieder an, seinen Traum von einer Karriere als Sänger zu verwirklichen. So treiben die Kinder irgendwie Instrumente auf und werden für Hochzeiten und Feierlichkeiten engagiert. Das bringt ein wenig Einkommen, vor allem aber Erfahrung.



Schon als Kinder haben Mohammed (Qais Attalah), seine Schwester Nour (Hiba Attalah) und andere Kinder eine Band gegründet | © 2016 Koch Media


Regisseur Abu-Assad hat viel Bewunderung für die Kinder: „Der Film erzählt von Hoffnung und Erfolg, von Bruder und Schwester, die sich ihre Benachteiligung zum Vorteil und das Unmögliche möglich machen. Sie kommen aus dem Niemandsland und überwinden sämtliche Hindernisse: Armut, Unterdrückung, Besatzung. Sie besitzen die große Gabe, praktisch aus dem Nichts etwas Schönes zu erschaffen.“ Was zunächst kindliche Spielerei ist, wird bald ernst. Nour wird sehr krank, und die Ärzte können sie nicht retten. Mohammed hadert noch als Erwachsener mit dem schmerzlichen Verlust, aber Nours Tod ist ihm Vermächtnis, ist die Triebkraft, die ihn veranlasst, seinen Traum zu verwirklichen. Eines Tages sieht der mittlerweile erwachsene Mohammed (Tawfeek Barhom) den Castingaufruf für die Show „Arab Idol“ und würde sich gerne anmelden. Die aber ist in Kairo, und für so einen profanen Zweck bekäme er niemals eine Ausreisegenehmigung aus dem Gaza-Streifen ins benachbarte Ägypten.



Mohammed (Tawfeek Barhom) sitzt in Gaza fest | © 2016 Koch Media


Aber als Bewohner des Gaza-Streifens ist man von früh an mit Überlebensstrategien vertraut, und mit ein wenig Hilfe und ungemein viel Glück gelingt Mohammed die „Ausreise“ nach Kairo. Dort stehen aber schon Tausende von Bewerbern Schlange, und alle Nummern sind bereits vergeben. Es kommt zu seltsamen Zufällen, so dass er es doch zu einem Vorsingen schafft. Die Jury ist völlig überrascht. Einen Bewerber aus dem besetzten Gaza hatten sie noch nie, und auf einmal wird der junge Mann zum Hoffnungsträger nicht nur für die in Israel lebenden Palästinenser, sondern auch für die vielen Millionen von palästinensischen Exilanten.



Mohammed (Tawfeek Barhom) wird an Tausenden von Bewerbern vorbeiziehen und die Show gewinnen | © 2016 Koch Media


Doch die Last, die auf ihm ruht, ist schwer, und es gibt Momente, wo er an ihr zu zerbrechen droht. Abu-Assad hat bei der Besetzung für die Rolle nicht so sehr auf die Ähnlichkeit mit dem sehr einnehmenden und gut aussehenden Mohammed Assaf geachtet, sondern auf den Charakterdarsteller Tawfeek Barhom gesetzt. Der echte Assaf stand unter enormem Druck. Er war ein Underdog, wie Paul Potts aus Wales, der vom Handyverkäufer zum klassischen Sänger avancierte. Assaf trug aber die Verantwortung für sein ganzes staatenloses Volk, zu dessen Gesicht und deren Stimme er wurde.

Man wundert sich trotzdem, wie man aus dem Nahostkonflikt einen geschönten Unterhaltungsfilm machen kann und ob das nicht an der eigentlichen Problematik vorbei ginge. Auf der anderen Seite kennen wir genug Nachrichtenbilder aus der Region, um die Tragweite der Auseinandersetzungen auch so zu verstehen. Regisseur Abu-Assad hat mit seinen Filmen Paradise Now (2005) und Omar (2013) auch schon sehr eindrücklich die fatale Gemengelage in Israel beschrieben. Deswegen hatte er auch keine Probleme, ein „Feelgood-Movie“ zu drehen: „Es war herrlich! Bei 'Paradise Now' habe ich mich ähnlich gefühlt wie die Protagonisten im Film. Wir sind beim Dreh in heikle und sogar richtig gefährliche Situationen geraten. Einige Crewmitglieder wären fast getötet worden. Auch bei 'Omar' ging es mir wie dem Titelhelden: Ich war regelrecht paranoid und hasste die ganze Erfahrung dermaßen, dass ich mir nach Drehschluss schwor, nie wieder einen Film zu machen. Bei 'Ein Lied für Nour' dagegen waren alle genauso überwältigt und beglückt wie Mohammed damals.“

Während viele Popsternchen nach dem Sieg in einer Castingshow bald wieder in der Versenkung verschwinden, ist Mohammed Assaf im Bewusstsein vor allem der palästinischen Öffentlichkeit geblieben. Seit 2013 ist er regionaler Jugendbotschafter für palästinensische Flüchtlinge des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten. Nicht nur für Palästinenser sondern für alle Menschen ist es schön, einen Palästinenser zu erleben, der erfolgreich aus seiner inneren Kraft und seinem gottgegebenen Talent heraus für uns alle am Traum von Frieden und Freiheit festhält. Wie beim Parkourlaufen am Anfang hat Assaf ein neuen und kreativen Weg gefunden, sich für sein Volk einzusetzen.


Helga Fitzner - 30. November 2016
ID 9713
Weitere Infos siehe auch: http://www.kochmedia-film.de/kino/details/view/film/ein_lied_fuer_nour_cinema/


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