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Brasilianisches Kino

Der Sprung ins

kalte Wasser



Bewertung:    



Val (Regina Casé) hat, wie viele Frauen in Brasilien, ihre eigene Familie zurückgelassen und rackert sich seit 13 Jahren im Haushalt einer wohlhabenden Familie in São Paulo ab, um fern der Heimat den Unterhalt für ihre Tochter zu verdienen. Das Verhältnis der Arbeitgeber zu Val ist insgesamt sehr freundschaftlich, Val zählt zur Familie - oberflächlich betrachtet. Für Fabinho, den heranwachsenden Sohn der Herrschaft, ist die Haushälterin in diesen Jahren fast schon zur Mutter geworden. Da seine Eltern immer sehr beschäftigt waren, konnten die beiden eine sehr innige Beziehung zueinander entwickeln. Als Vals erwachsen gewordene Tochter erstmals zu Besuch kommt, gerät das scheinbare Gleichgewicht ins Wanken. Der Sommer mit Mamã verläuft anders, als sich Mutter, Tochter und die Arbeitgeberfamilie das vorgestellt haben, und so nehmen auch die Aberwitzigkeiten ihren Lauf und führen zu etlichen amüsanten Verwicklungen.



Val (re. Regina Casé) hält den Haushalt und die Familie zusammen | © Pandora Film


Tochter Jéssica (Camila Márdila) hat sich gemausert, viel gelernt und will nun die Aufnahmeprüfung an der Universität ablegen. Sie hat als Kind ihre Mutter sehr vermisst und versteht nur bedingt, dass Val die Arbeit nur angenommen hat, um sich und Jéssica durchzubringen. Hatte Val sich bislang als zur Familie ihrer Arbeitgeber gehörig betrachtet, beginnt sie das allmählich zu bezweifeln. Erst ist sie entsetzt, dass Jéssica ständig Tabubrüche begeht. Sie nimmt die Einladung des Hausherrn an, mit ihr am Tisch der Herrschaft Eis zu essen. Val versucht ihr zu erklären, dass die Einladung nur ausgesprochen wurde, weil man davon ausging, dass sie abgelehnt würde. Jéssica nimmt das nicht ernst. Sie mockiert sich auch über das winzige Mauseloch, in dem Val schlafen muss und freut sich, dass sie selbst im leer stehenden Gästezimmer untergebracht werden kann. Als sie dann noch der Einladung folgt, im Swimmingpool zu baden, bricht für ihre Mutter Val eine Welt zusammen. Sie wirft ihrer Tochter vor, sich für etwas Besseres zu halten. Jéssica bestreitet das, hält sich aber auch nicht für schlechter.



Tabubruch: Angestelltentochter Jéssica (Camila Márdila) unmittelbar vor dem Sprung ins kühle Nass | © Pandora Film
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Während der Zeit, in der die Regisseurin Anna Muylaert einen Vorläufer für diesen Film ersann, fanden in Brasilien Wahlen statt. Brasilien bekam einen Präsidenten der Arbeiterpartei, Luiz Inácio Lula da Silva von 2003 bis 2011, der tatsächlich Veränderungen einleitete. „Diesen gesellschaftlichen Wandel wollte ich auch im (neuen) Drehbuch widerspiegeln“, erläutert Anna Muylaert. „Anstatt Jéssica – entsprechend der vorherrschenden Klischees – glücklos und sanftmütig darzustellen, gab ich ihre eine kraftvolle Persönlichkeit, machte sie edel und stark genug, um sich gegen diese ausgrenzenden sozialen Regeln und den Rückfall in eine koloniale Vergangenheit zu wehren.“

Allmählich versteht Val, dass diese Regeln noch aus der Kolonialzeit stammen. Und es sind nicht einmal ihre Arbeitgeber, die sie einfordern. Das Personal selbst setzt sich diese Grenzen und fördert damit den Unterschied zwischen Herrschenden und Dienenden. Als Jéssica die Aufnahmeprüfung für die Universität besteht, ändert sich auch Vals Blickwinkel. Der Swimmingpool, bislang eine der Tabuzonen für die Angestellten, wird auf einmal sehr attraktiv für Val, die von der Komödiantin Regina Casé mit großem Esprit gespielt wird.



Jéssica (Camila Márdila) ist selbstbewusst und weiß, was sie will | © Pandora Film


Der Sommer mit Mamã ist ein Film, auf den man sich ein wenig einlassen muss. Er spiegelt Alltäglichkeiten wider, die dem Zuschauer zunächst banal erscheinen mögen. Das Faszinierende ist aber, dass genau hier, im alltäglichen Leben und in den Protagonisten selbst, der Wandel zu mehr Gleichheit stattfindet. Die äußeren politischen Veränderungen werden kaum thematisiert, es sind die inneren Umbrüche, die beschrieben werden. Es geht um Selbstwert, Selbstermächtigung und die Überwindung der Auswirkungen der Kolonialisierung. Der Film ist zu feingeistig und subtil, um zu sagen, die Befreiung aus der Sklavenmentalität, aber das ist letztendlich, was gemeint ist. Und die fängt mit einem Bewusstwerdungsprozess in den Menschen selber an. Mit dieser Geschichte gelang Muylaert nun auch noch eine mit leichter Hand inszenierte Komödie mit sehr sympathischen Akteuren.


Helga Fitzner - 22. August 2015
ID 8823
Weitere Infos siehe auch: http://sommer.pandorafilm.de/


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= nicht zu toppen


= schon gut


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= na ja


= katastrophal

 


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