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Filmbiografie

Ein revolutionäres

Trio



Bewertung:    



Der Einstieg ist fulminant: Menschen in zerlumpter Kleidung sammeln im Wald Holz und werden von berittenen Ordnungskräften gejagt und brutal niedergeknüppelt. Sie sind zu arm, um sich Kohle leisten zu können, also sammeln sie abgefallene Äste, um irgendwie über die Runden zu kommen. Karl Marx hat das Thema 1842 in seinem Zeitungsartikel Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz aufgegriffen, denn es sollte ein Unterschied gemacht werden, ob das Holz geschlagen oder nur totes Holz gesammelt wird. Dieser Zeitungstext ist im Off zu hören, während die gewalttätigen Übergriffe auf die unbewaffneten und wehrlosen Elenden gezeigt werden. Überwältigend. Karl Marx will diese Ungerechtigkeit zum Anlass nehmen, dass sich das Volk endlich gegen den katastrophalen Terror der Kapitalisten erhebt.

Danach kann das Biopic Der junge Karl Marx unter der Regie des haitianischen Regisseurs Raoul Peck nicht mehr an die Intensität dieser Szenen anschließen. Raoul Peck hatte erst 2016 mit seiner mehrfach preisgekrönten Dokumentation I Am Not Your Negro über Rassismus großen Erfolg. Er genießt internationales Renommee und ist seit 2004 amtierender Präsident der Nationalen Filmhochschule La Fémis in Paris. Das Drehbuch hat er mit dem französischen Filmschaffenden Pascal Bonitzer verfasst, und sie haben sich auf direkte Quellen gestützt und auf Interpretationen späterer Chronisten verzichtet.

Karl Marx (August Diehl) lebt als junger Mann mit seiner adeligen Frau Jenny (Vicky Krieps) an verschiedenen Orten in Europa, u.a. im Exil in Paris. Als Philosoph, Ökonom und Gesellschaftstheoretiker sind ihm die Auswüchse des Kapitalismus Mitte des 19. Jahrhunderts ein Dorn im Auge. Er will die Arbeiterschaft organisieren und schafft mit seinen Schriften die ideologischen Grundlagen dafür. Seine Freundschaft mit dem Fabrikantensohn Friedrich Engels (Stefan Konarske), die später legendär werden sollte, beginnt holprig. Doch die beiden jungen Männer ergänzen einander, und Engels ist finanziell besser gestellt als der stets in Geldnot befindliche Marx.



Ein revolutionäres Trio, Jenny (Vicky Krieps) und Karl Marx (August Diehl) mit Friedrich Engels (Stefan Konarske) | © Neue Visionen Filmverleih GmbH


An einigen Stellen werden die Zuschauer, die mit den Personen nicht vertraut sind, alleine gelassen. Marx liebäugelt eine Weile mit Pierre-Joseph Proudhon (Olivier Gourmet), der ein viel beachteter Ökonom und Soziologe war. Der berühmte Satz „Eigentum ist Diebstahl“ stammt von ihm. Marx kontert auf die Veröffentlichung Proudhons Philosophie des Elends mit seiner Schrift Elend der Philosophie, nur wird im Film nicht erklärt, was die beiden so entzweit hat. Auch bei Wilhelm Weitling (Alexander Scheer) bleiben zu viele Fragen offen, Weitling gilt als der erste deutsche Theoretiker des Kommunismus. Der junge Karl Marx ist am Ende nur ein Kostümfilm, der die wichtigsten Stationen des revolutionären Trios, Karl und Jenny Marx sowie Friedrich Engels, abarbeitet. Dabei wirken die Zitate fast wie schön aufgesagte Gedichte, ohne die Brisanz oder gesellschaftliche wie politische Bedeutung wirklich deutlich zu machen. Die Zuschauer bekommen von der Mühsal des Arbeiterlebens nur sehr wenig mit, vieles wird nur kurz angerissen.

Dann hört der Film da auf, wo es spannend wird, als das Kommunistische Manifest veröffentlicht wird. Welche Bedeutung Marx und Engels für den weiteren Verlauf der Geschichte hatten, wird nicht erläutert. Zum Schluss werden dem Zuschauer unvermittelt kurze Dokumentarszenen vorgeführt, u.a. mit John F. Kennedy in Berlin, dem Fall der Mauer und Nelson Mandela. So, jetzt macht Euch gefälligst selbst Euren Reim darauf??? Viel schlimmer ist aber die Verharmlosung der Lehren von Karl Marx und Friedrich Engels, die eher den Eindruck von musealen Vorzeigestücken erwecken.

*

Dabei wurde das Manifest der Kommunistischen Partei 2013 in das UNESCO-Dokumentenerbe aufgenommen und gewinnt immer mehr Aufmerksamkeit, gerade auch im Vorfeld des 200. Geburtstags von Karl Marx 2018. Auch wir leben in einer Zeit des Umbruchs, der heutige Neoliberalismus steht dem Horror der frühen Industrialisierung in nichts nach, nur das Hartz-IV-Sanktionen stiller daher kommen als Pecks so wunderbar inszenierte Reiterhorden. Ein Teil der Bevölkerung ist schon recht regelmäßig auf der Straße, nicht immer die Sanftmütigsten, aber was wäre, wenn die große Masse des Volkes sich gegen die modernen „Lohnsklavenhalter“ erheben würde. Würden zwei, drei Ideologen wie Marx und Engels es schaffen, den Funken zu zünden, die heutigen „Feudalherren“ zu stürzen? „Die Proletarier haben nichts in ihr [gemeint die Revolution] zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen“, heißt es am Ende des Kommunistische Manifests.
Helga Fitzner - 6. März 2017
ID 9889
Weitere Infos siehe auch: http://www.der-junge-karl-marx.de


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