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Rezension


Blue Jasmine von Woody Allen ist eine gallenbittere Tragödie, die als Komödie getarnt ist





Frauen im Nervenzusammenbruch

Das kann vermutlich so gut nur Woody Allen: Eine tiefschwarze, pessimistisch-misanthropische Gesellschaftssatire inszenieren und mit so viel Witz, Tempo und Schwung garnieren, dass man es fast für eine Komödie halten könnte. Aber eben nur fast. Denn Jasmine (Cate Blanchett) ist schon zu Beginn des Films ein psychisches Wrack, die den äußeren Schein nur mehr mit Alkohol, Tabletten und Schminke wahren kann. Allen zeigt uns eine neureiche Tussi, deren einziger Ehrgeiz auf Luxus, Verschwendung und Faulenzerei abzielt, die nichts Richtiges gelernt und nie gearbeitet hat, aber nun durch eine ruinierte Ehe einen finanziellen Absturz verkraften muss. So ist Jasmine auf die Wohnung und finanzielle Hilfe ihrer ungeliebten Schwester Ginger (wie meistens flippig gespielt von Sally Hawkins) angewiesen, die weniger intellektuell und überkandidelt ist, aber dafür mit einem prolligen Macker mit Herz auf dem rechten Fleck in halbwegs soliden Verhältnissen lebt.




Blue Jasmine von Woody Allen - Foto (C) Warner Bros.



Nachdem der Zuschauer sich erst einmal auf die komplexe, immer wieder durch Rückblenden zerfurchte Struktur des Films eingelassen hat, wird bald deutlich, dass es für die Hauptperson Jasmine gute Gründe gibt, warum sie am Leben zu verzweifeln droht. Vor allem aber wird durch den abrupten Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart erkennbar, welchen fatalen Anteil Jasmin selbst an dieser Entwicklung hat. Die Spannung besteht darin, ob sie trotz ihrer Macke zur zwanghaften Wiederholung von Verhaltensmustern noch einmal die Kurve kriegt – und wer Freud gelesen und andere Allen-Filme gesehen hat, weiß wie schwierig bis unmöglich das ohne gründliche Seeleninspektion ist.

Allen betreibt ein recht fieses dramaturgisches Spiel: Einerseits baut er für die moralisch integere Ginger die größeren Sympathien auf, andererseits hat man aber auch Verständnis für die raffinierte Jasmine, der die spießige Naivität ihrer Schwester auf die Nerven geht (und die Jasmines Ex-Mann so schamlos ausgenutzt hat, dass beider Ehen hernach in die Brüche gingen, wie man fast beiläufig erfahren wird). In der zweiten Hälfte des Films schickt das Drehbuch die beiden Frauen in immer schneller wechselnde Höhen und Tiefen, die sich aus der gegenseitigen Hassliebe der Schwestern entwickeln. Erstmals bei Woody Allen erscheinen die politisch unbedarften Unterschichts-Underdogs gegenüber der abgehobenen Upperclass und der konsumorientierten Mittelschicht der USA als die wahren Sympathieträger.




Dreharbeiten zu Blue Jasmine von Woody Allen - Foto (C) Warner Bros.



Blue Jasmine ist seit den in London gedrehten Dramen Match Point (2005) und Cassandras Traum (2006) wieder ein Film des inzwischen 77-jährigen Regisseurs, in welchem die Figuren sich aufgrund ihrer charakterlichen Schwächen in tragische Konfliktsituationen von antiken Ausmaßen hinein manövrieren und ein wahres Purgatorium durchlaufen. Nur wählt Allen diesmal die Komik als eine Camouflage, in der Dialogwitz und Situationskomik die Bitterkeit zwischendurch abmildern. Hinter den pinken Tönen ist das Schwarz allerdings so deutlich zu erkennen, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Ein Kollege sagte, hätte es für Jasmine ein Happy End gegeben, wäre das zynisch gewesen. Das gewählte Ende aber kann man aus denselben Gründen auch als zynisch bezeichnen: Der Charakter der Figuren bleibt ihr Schicksal, um es mit den poetischen Worten des großen Mimen Oskar Werners auszudrücken.

„Das Santa Barbara International Film Festival ehrt Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett mit seinem Outstanding Performer of the Year Award”, lautet eine Branchennachricht vom 6. November. Ja, recht so. Aber einen weiteren Oscar sollte die Australierin mindestens bekommen! Blanchett bringt es fertig, ihre eigentlich unsympathische, zur Hysterie und Egoismus neigende Figur zwischen Überdrehtheit, Selbstmitleid und Verzweiflung schwanken zu lassen, bis am Ende nur noch ein Häufchen Unglück übrig ist, dass man/frau sie in die Arme schließen, trösten oder auch energisch wachrütteln möchte. Eine Getriebene ihrer richtigen Sehnsüchte im falschen Leben – eine anspruchsvolle Aufgabe, die Blanchett mit Bravour bewältigt, dass selbst Elizabeth Taylor sich vor Staunen die Augen gerieben hätte.




Blue Jasmine von Woody Allen - Foto (C) Warner Bros.



Bewertung:    


Max-Peter Heyne - 7. November 2013
ID 7341

Weitere Infos siehe auch: http://wwws.warnerbros.de/bluejasmine/


Post an Max-Peter Heyne



 

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