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Französisches Kino

Zarte Bande



​Bewertung:    



Das Baby kommt – überstürzt müssen die hochschwangere Cécile (Mélissa Barbaud) und ihr Mann Alex (Pio Marmaï) ins Krankenhaus aufbrechen. Es bleibt gerade noch Zeit, ihren kleinen Sohn Elliot bei der Nachbarin (Valeria Bruni Tedeschi) abzugeben. Wider Erwarten muss der Junge bei Sandra übernachten, die mitten in der Nacht von dem völlig aufgelösten Alex erfährt, dass Cécile bei der Niederkunft gestorben ist.

Es ist eine mehr als ungewöhnliche Ausgangssituation für einen Spielfilm: Der Tod steht nicht am Ende, er ist der Anfang. Da sind ein kleines Kind, das über Nacht seine junge Mutter verliert und scheinbar stoisch damit umgeht, ein frischgebackener Vater und Witwer, und eine Nachbarin, die schnell und unerwartet zur wichtigsten Bezugsperson von Vater und Sohn wird. Sandra ist Mitte fünfzig, raucht viel, führt eine feministische Buchhandlung und ein bindungs- und kinderloses Leben, in dem sie sich auch wohlzufühlen scheint.

Bei der Beerdigung erscheint außerdem der schnodderige David (Raphaël Quenard) wieder auf der Bildfläche, Céciles Ex und Elliots Vater, sowie Fanny (Catherine Mouchet), Céciles Mutter, die ihre Trauer in sich verschlossen hält. Und schließlich ist da Emilia (Vimela Pons), eine lebensfrohe Kinderärztin, die zufällig in Alex’ Leben tritt und eine Beziehung mit ihm eingeht.

Strukturiert durch Kapitel, die sich am Alter von Baby Lucille orientieren, erzählt Carine Tardieu (Regisseurin von Filmen wie Eine bretonische Liebe und Im Herzen jung) von einer Patchwork-Konstellation, die selbst für heutige Verhältnisse ungewöhnlich ist. Dabei ist das Herzstück ihrer Romanverfilmung so alt wie die Menschheit selbst: das Thema Intimität. Und die kommt mal leise, mal sehr plötzlich, sie kann ein Leben völlig auf den Kopf stellen, aber auch immer wieder zu Missverständnissen und Komplikationen führen.

Wenn dann noch der Tod mit ins Spiel kommt, kann gleich auf mehreren Ebenen der Filmproduktion theoretisch viel schiefgehen. Doch Tardieus Drama ist ein kleines Juwel. Wegen seines feinen Humors, seiner augenzwinkernden und gekonnt beiläufigen Thematisierung von Feminismus, vor allem aber wegen des gut aufeinander eingespielten Darstellerensembles, das die flotten Dialoge mit viel Gespür fürs richtige Timing abliefert. Noch mehr leuchten die Schauspieler:innen jedoch in den Momenten, in denen das Skript keinen Sprechtext vorgibt.

Allen voran Bruni-Tedeschi, die sich für ihre Rolle „in Zurückhaltung üben“ musste, da sie „eine manchmal körperlichere Beziehung zur Welt habe als diese Figur“ - so gab sie in einem Interview zu. Mit diesem Wissen ist es noch einmal besonders anrührend zuzusehen, wie sich die Beziehung zwischen ihr und dem Halbwaisen Elliot (grandioser Jüngstschauspieler: César Botti) entwickelt - die so unabhängige, intellektuelle Frau erlebt es wie ein Wunder.

Spannend ist auch, wie das auf Alice Ferneys Roman L'intimité basierende Drehbuch visuell umgesetzt wird. Türen und Räume spielen in Tardieus Film eine wichtige Rolle: Sandras Wohnung, die für Elliot zu einem sicheren Hafen wird, diverse Esszimmer, ein Badezimmer, in dem sich Emilia in einer Szene verschanzt. Durch die dicke Tür hindurch erkundigt sich Alex nach ihr, und die Worte dringen zwar durch. Doch die beiden sind, man merkt es schon hier, nicht nur räumlich voneinander getrennt.

In einer Szene, die praktisch das Gegenstück dazu bildet, sehen wir Sandra und Alex auf zwei Seiten einer defekten automatischen Glasschiebetür einer Klinikambulanz. Mit Hand und Fuß versuchen die beiden, sich darüber zu verständigen, wie es der kleinen Lucille geht, die eingeliefert werden musste. Was über Worte durch die Scheibe nicht vermittelt werden kann, besorgen Mimik, Lächeln, Körpersprache. Damit haben Tardieu und ihre Drehbuch-Koautor:innen Agnès Feuvre & Raphaële Moussafir ein schönes Bild gefunden, nicht nur für die ungewöhnliche Beziehung der beiden erwachsenen Protagonisten des Films, sondern für Intimität und Bindung allgemein: Mit Worten allein ist noch lange nicht alles gesagt. Es lohnt, diesen intelligenten und berührenden Film auf der großen Leinwand zu erleben.



Was uns verbindet | (C) Alamode Film

Jo Ojan - 7. August 2025
ID 15400
https://www.polyfilm.at/film/was-uns-verbindet/


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