Kriegs-
heimkehr
|
|
Bewertung:
"'Rückkehr nach Ithaka' ist ein Film darüber, was Krieg mit Menschen macht..., über die Schwierigkeit, Gewalt loszuwerden, die sich in den Menschen festgesetzt hat. Der Schrecken des Krieges durchdringt eine Gesellschaft, auch wenn sie weit entfernt von der Front ist. Leider erleben wir das derzeit überall auf der Welt wieder, auch in Europa und im Nahen Osten." (Uberto Pasolini)
Ein Schiffbrüchiger landet unbekleidet am Strand. Der Hirte Eumaios (Claudio Santamaría) kommt vorbei und kümmert sich um den Herumirrenden. Der Fremde ist nicht sehr zugänglich, doch als er erfährt, dass er sich auf der griechischen Insel Ithaka befindet, erwachen seine Lebensgeister, denn er ist Odysseus (Ralph Fiennes), der König von Ithaka, der nach 20 Jahren zurückgekehrt ist. Doch von dem einstigen Kriegshelden, der durch den Bau des Trojanischen Pferdes nach zehn Jahren den Krieg gegen Troja beenden konnte, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Nach weiteren zehn Jahren Irrfahrt ist er nach einem gewaltigen Sturm nun zu Hause gelandet, hat aber seine Schiffe und sämtliche Mannschaften verloren. Er ist der einzige Überlebende, wie soll er da vor sein Volk treten?
Odysseus enthüllt seine Identität nicht, denn die Insel ist von etlichen Männern besetzt worden, die um die Hand seiner Frau Penelope (Juliette Binoche) anhalten. Dabei unterjochen sie die Bevölkerung, vergewaltigen Frauen und verprassen sein Vermögen. Sie üben erheblichen Druck auf Penelope aus und der mittlerweile erwachsene Sohn Telemach (Charlie Plummer) stellt eine Bedrohung für sie dar und soll getötet werden. Odysseus hat Handlungsbedarf und überlegt, was er allein ausrichten kann. Eumaios hat die Identität seines Gastes erraten und wird zu einem Verbündeten. Er führt ihn im Schloss als Bettler ein, der erklärt, am Trojanischen Krieg teilgenommen zu haben. Da das viele behaupten, wird er von einigen Freiern geschlagen und getreten. Sie glauben ihm nicht, doch der Gewaltakt hat Penelopes Aufmerksamkeit geweckt, die von ihm wissen will, ob er Odysseus gekannt hat und etwas über seinen Verbleib weiß.
Odysseus gibt sich ihr nicht zu erkennen, und Penelope ist entsetzt über seine Schilderungen. Troja war zehn Jahre lang nicht einnehmbar, und der Krieg konnte nur durch eine List und die völlige Zerstörung beendet werden. Bei dem Massaker kamen auch Frauen und Kinder ums Leben. Odysseus ist trotzdem als Held aus der Geschichte hervorgegangen. Das ist der Mann, auf den Penelope treu zwanzig Jahre lang gewartet hat und für den sie den Terror der Freier auf sich nimmt, die verschwinden würden, wenn sie einen von ihnen heiratete. Was aus ihr werden würde, wenn sie danach nicht mehr gebraucht wird... Als Hinhaltetaktik webt sie tagsüber an einem Gewand, das sie erst fertigstellen will, schleicht sich aber Nacht für Nacht zurück, um die Fäden wieder aufzulösen. Doch die Freier verlieren allmählich die Geduld und inszenieren sogar eine Hetzjagd auf Telemach, den sie aus dem Weg räumen wollen. Als sich Odysseus seinem Sohn zu erkennen gibt, lehnt dieser ihn ab. Der alte Bettler ist nicht der Vater, den er all die Jahre verehrt hat. Doch die Lage mit den Freiern eskaliert, und Penelope stellt ihnen eine Aufgabe: Sie sollen den Bogen des Odysseus spannen und, wie er das einst vermochte, einen Pfeil durch die Öffnungen von 12 aufgestellten Äxten schießen, ohne diese zu berühren. Wem das gelingt, soll ihr Ehemann werden. Die ersten Freier schaffen es nicht, sie fühlen sich getäuscht, bis der Bettler ihnen vormacht, dass es wohl geht und er damit als Odysseus erkannt wird. Ein Kampf auf Leben auf Tod beginnt...
Rückkehr nach Ithaka ist keine Verfilmung der Odyssee, sondern greift nur einige Geschehnisse von deren Ende auf, um eine ganz eigene Geschichte daraus zu weben. An dem Drehbuch arbeiteten der Autor John Collee, der renommierte Dramatiker Edward Bond und Uberto Pasolini. Pasolini hatte das Projekt zehn Jahre lang entwickelt und zunächst seinen langjährigen Freund Ralph Fiennes als Regisseur vorgesehen. Als dieser ablehnte, übernahm er die Regie selber. Fiennes konzentrierte sich auf die komplex angelegte Figur, ließ sich fünf Monate auf Diät setzen und absolvierte ein mehrmonatiges Muskelaufbauprogramm. Mit seinen über 60 Jahren formte Fiennes so den Körper eines Kriegers und Seefahrers, der ein Leben lang Entbehrungen und Anstrengungen ausgesetzt war. Die in Fülle vorhandenen schauspielerischen Fähigkeiten hätten vielleicht genügt, aber die Optik macht es noch überzeugender. Diese physische Erscheinung steht im Gegensatz zur inneren Verwundung und Kreatürlichkeit, die Ralph Fiennes in einzigartiger Weise zum Ausdruck bringt. Er muss als Odysseus erst einmal wieder zu sich selber finden, also eine innere Heimkehr vollziehen, bevor er sich seiner Frau wieder öffnen und sein Amt als König wieder aufnehmen kann.
Der von Pasolini kreierte Odysseus ist ein gebrochener Mann, der unter seiner Schuld und an posttraumatischem Stress leidet. Er will Ruhe und Frieden, weiß nicht, wie er seiner Frau Penelope nach all seinen grausamen Taten unter die Augen treten soll und will nicht mehr kämpfen. Um aber die Insel von den Heiratskandidaten zu befreien, die selbst vor Mord nicht zurückzuschrecken, wird er genau das tun müssen. In der Odyssee von Homer waren es 108 Gegner, bei Pasolini sind es deutlich weniger, aber sie sind trotzdem in der Überzahl. Wie Homers Odyssee endet die Geschichte mit einem Blutbad, das Odysseus und sein Sohn Telemach überleben. Penelope ist entsetzt angesichts des Gemetzels im eigenen Haus und hat die Unerbittlichkeit des „Krieges“ erstmals selbst erlebt.
Pasolini münzt gekonnt ein kriegerisches Heldenepos in eine Ode an den Humanismus um. Das Ende der Geschichte ist ein ganz großer und seltener Kinomoment, der noch lange nachhallt, wenn man sich auf diese Interpretation der literarischen Vorlage einlässt, die ohne mythische Wesen und Götter auskommt und den Menschen in die Eigenverantwortung versetzt. Dadurch muss Odysseus mit seiner Schuld, seinen Traumata, seiner Vergebung und Selbstvergebung ohne die Göttin Athene zurechtkommen. Sowohl Ralph Fiennes als auch Juliette Binoche haben während ihren jahrzehntelangen Karrieren so manche herausragende Leistung gezeigt, und man könnte meinen, angesichts des hohen Niveaus ihrer Schauspielkunst alles gesehen zu haben. Das ist aber nicht so, beide sind seit langer Zeit befreundet, harmonieren sehr und sind in Rückkehr nach Ithaka eine Offenbarung. Sie werden von grandiosen Teams vor und hinter der Kamera mitgetragen, die eine europäische Filmperle geschaffen haben.
|
Odysseus (Ralph Fiennes) hat sich als Bettler verkleidet, um seine Frau Penelope (Juliette Binoche) im Palast sehen zu können | © Ithaca Films Limited, Maila Iacovelli und Fabio Zayed
|
*
Der Ausnahmeregisseur Christopher Nolan ist gerade dabei, die ganze Odyssee nach einem eigenen Drehbuch zu verfilmen inklusive der berühmten Götter und mythischen Gestalten, und er ist damit wohl in größerem Einklang mit Homers Heldengedicht. Das wird nach allen schon vorhandenen Informationen ein riesiger Blockbuster mit einigen der berühmtesten Hollywoodschauspieler (z.B. Matt Damon als Odysseus), einem enormen Budget und auf der Höhe dessen sein, was es an technischen Möglichkeiten und Spezialeffekten gibt mit allem Tiefgang, für den der Name Nolan steht. Der Kinostart ist für Sommer 2026 vorgesehen.
|
Helga Fitzner - 26. November 2025 ID 15573
Weitere Infos siehe auch: https://ithaka.pifflmedien.de/
Post an Helga Fitzner
Dokumentarfilme
Neues deutsches Kino
Spielfilme, international
UNSERE NEUE GESCHICHTE
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Rothschilds Kolumnen
DOKUMENTARFILME
DVD
FERNSEHFILME
HEIMKINO
INTERVIEWS
NEUES DEUTSCHES KINO
SPIELFILME
TATORT IM ERSTEN Gesehen von Bobby King
UNSERE NEUE GESCHICHTE Reihe von Helga Fitzner
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|