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Neues deutsches Kino

Spiegelbilder

als Rettungsanker



Bewertung:    



Mit Miroirs No. 3 beendet Christian Petzold seine Trilogie über Elementargeister, die mit mit Undine ("Wasser") und Roter Himmel ("Feuer") begann und nun mit „Luft“ endet.

Eine junge Frau (Paula Beer) steht in verwirrtem Zustand an einem Fluss und sieht einem Stehpaddler zu, der sich auf seinem Board sicher und seelenruhig auf dem Wasser fortbewegt. Das entspricht so gar nicht ihrem eigenen aufgewühlten Befinden. Die seelisch Angeschlagene wird später auch noch in einen Autounfall verwickelt, den sie nahezu unverletzt übersteht, bei dem aber ihr Freund ums Leben kommt. Das Ganze geschieht in der Abgeschiedenheit der Uckermark, und Laura findet Unterschlupf bei einer älteren Anwohnerin, die als Ersthelferin bei der Unfallstelle war. Betty (Barbara Auer) lädt Laura ein, vorerst bei ihr zu bleiben und umsorgt sie mütterlich. Beide Frauen tragen einen tiefen Schmerz in sich, und bei Laura kommt das Trauma durch den Unfall noch dazu.

Laura und Betty genießen die Gesellschaft der jeweils anderen, und Petzold zeigt erste Zeichen, dass sich ihre Erstarrungen ein klein wenig lösen. Als Betty ihren Mann Richard (Matthias Brandt) und ihren Sohn Max (Enno Treb) zu einem Essen einlädt, das Laura gekocht hat, sind die beiden Männer zunächst skeptisch und besorgt. Betty wirkt auf die Zuschauer „normal“, aber an der Reaktion ihrer Familie spiegelt sich wider, dass sie in der Vergangenheit in einer besorgniserregenden Verfassung gewesen sein muss. Richard, der bei Tisch Laura gegenüber sitzt, schaut sie kein einziges Mal an. Die beiden Männer leben auf einem Grundstück, auf dem sie eine Autowerkstatt betreiben, doch durch Laura und die Besserung von Bettys Verfassung kommt sich die Familie wieder näher. Richard und Betty unternehmen Spaziergänge zu zweit, und auch Max freut sich über das wieder entstehende Familienleben. Auch die Männer beginnen Laura zu mögen, sind aber zurückhaltend, weil es da offensichtlich ein verschwiegenes Familienerlebnis gibt, das da mit hineinspielt.

Bei Betty scheint Laura eine Leerstelle in ihrem Leben zu füllen, und umgekehrt gilt das auch. So beginnen die beiden Frauen allmählich ins Leben zurückkehren. Petzold, der für Regie und Drehbuch verantwortlich ist, findet herrliche Bilder. Der dunkle Zaun um das Haus wird weiß gestrichen, sodass alles wieder etwas lichter wird. Betty und Laura streichen ihn von den entgegensetzten Enden und arbeiten sich nach und nach aufeinander zu. Der Garten wird wieder gepflegt, und im Haus nehmen Richard und Max Reparaturen vor als Zeichen der Wiederherstellung. Betty lässt auch das alte Klavier stimmen, als sie erfährt, dass Laura Pianistin ist.

Die Musik spielt eine wesentliche Rolle in dem Film, dessen Titel sich auf einen Klavierzyklus von Maurice Ravel bezieht, dessen dritter Teil Une barque sur l’océan (dt.: Eine Barke auf dem Ozean) heißt und der Absicht Ravels, Bilder in Musik zu übersetzen, am nächsten kommen soll, wie die Gefährdung eines Schiffes allein auf dem Ozean. Zudem war Ravel von einer Zeile aus Shakespeares Julius Caesar fasziniert, die besagt, dass das Auge sich selbst nicht sehen kann, das geht nur, wenn es durch etwas anderes reflektiert wird. Um sich selbst erkennen zu können, bedarf es also der Spiegelung durch andere(s). So ist auch die Luft nicht sichtbar, man kann sie aber auf der Haut spüren, an der Bewegung von Blättern in den Bäumen erkennen oder am Wellengang. Mit diesen Vorgaben spielt Petzold geschickt, die sich aber natürlich und glaubhaft anfühlen. Petzold hat auch wieder vor und hinter der Kamera seine eingespielten Teams zusammengetrommelt, die es routiniert schaffen, die eigentlich komplexe Geschichte sich mit Leichtigkeit entfalten zu lassen. Wieder mit von der Partie sind der Kameramann Hans Fromm und die Filmeditorin Bettina Böhler. Brandt und Auer sind erwartungsgemäß hervorragend, und Beer und Treb halten sehr gut mit ihnen mit. Christian Petzold erklärt:


„Wenn man diese Musik hört, begreift man, es gibt Stürme, die Barke könnte untergehen. Und diese Familie hier ist … untergegangen. Jetzt treiben Wrackteile auf der Oberfläche des Ozeans, und diese [...]Überlebenden versuchen, aus den Trümmerteilen ein Rettungsfloß zu bauen. Das ist die Geschichte des Films. Die [...] Schiffbrüchigen schwimmen aufeinander zu und versuchen, die Teile zu einem Rettungsfloß zu verbinden und irgendwo an Land zu kommen. Das ist die Metapher... Vielleicht ist es so, dass alle Kinofilme im Grunde davon erzählen, wie Menschen aus Trümmerteilen versuchen, sich eine Überlebenssituation zu bauen. Das Kino handelt eigentlich davon, wie man überleben kann. Nicht, wie wir leben, sondern wie wir überleben.“



Max (Enno Treb), Richard (Matthias Brandt), Betty (Barbara Auer) und Laura (Paula Beer) verbringen immer mehr Zeit miteinander | © Schramm Film


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Miroirs No 3 wurde für die diesjährige BERLINALE nicht rechtzeitig fertig, aber während des Filmfestivals in Cannes uraufgeführt, was das erste Mal war, dass ein Werk von Petzold in die dortige Auswahl kam. Insbesondere von französischen Kritikern wurden der Film und sein Regisseur enthusiastisch gefeiert.

Helga Fitzner - 13. September 2025
ID 15461
Weitere Infos siehe auch: https://miroirs.pifflmedien.de/


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