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Französisches Kino

Wenn das

Gericht zur

Bühne wird



Bewertung:    



Die abgebrannte junge Schauspielerin Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) bekennt sich eines Mordes für schuldig, den sie nicht begangen hat. Mithilfe ihrer Zimmergenossin Pauline Mauléon (Rebecca Marder), einer arbeitslosen Anwältin, gibt sie vor Gericht die Vorstellung ihres Lebens und wird freigesprochen. Danach kann sie sich vor Angeboten und Erfolg kaum retten. Dumm ist nur, dass auch die echte Mörderin, die abgehalfterte Stummfilmschauspielerin Odette Chaumette (Isabelle Huppert) sich eines Tages bei den beiden Freundinnen meldet und auch ein Stück vom Kuchen abhaben will.

In seinem neuesten Werk Mein fabelhaftes Verbrechenyv nimmt der französische Regisseur François Ozon die Justiz aufs Korn in einer Adaption des Theaterstücks Mon Crime von Georges Berr und Louis Verneuil aus dem Jahr 1934. Wenngleich Ozon den Text modernisiert hat, bleibt er bei den herrlichen Kostümen und der pompösen Ausstattung den 1930er Jahren treu. Die Kleidung und die Autos sind eine wahre Pracht und allein deshalb schon eine Augenweide. Die Mischung von Jungstars mit älteren und alten Stars des französischen Kinos hat ebenfalls einen Schauwert, denn es gibt ein Wiedersehen mit André Dussolier als Fabrikant, der Madeleine als potentielle Schwiegertochter ablehnt, Dany Boon als zwielichtigen Profiteur, der aber ein Herz für Madeleine hat und ihr hilft sowie Fabrice Luchini als fragwürdigen Ermittlungsrichter, der auf Erfolg angewiesen ist und ohne ausreichende Beweise die Anklage erhoben hat.

Der Film ist leicht und locker wie ein gelungenes Soufflé und wie ein solches gehaltvoller, als es zunächst erscheint. Die Mimen haben erkennbaren Spaß an ihren Rollen, in denen sie getrost über das Ziel hinausschießen und übertreiben können. Das gilt besonders für Isabelle Huppert, die mit rot gelockter Löwenmähne und ausschweifender Stummfilm-Gestik wie ein Wirbelsturm durch die Szenerie fegt. Die Spielfreude überträgt sich aufs Publikum und übertüncht die ernsteren Töne etwas, die aber trotzdem da sind. Der Staatsanwalt fordert z.B. die Todesstrafe, weil ein Exempel statuiert werden muss, damit das Beispiel nicht Schule macht. Doch der Gerichtssaal wird zur Bühne mit stark reagierendem Publikum: Dem Mordopfer wird ein Vergewaltigungsversuch unterstellt, der (vermeintlichen) Täterin eine Jungfernschaft und Ehre, die sie nur durch eine Mordtat retten konnte. Die fehlenden Frauenrechte werden beklagt, wie. z.B. das Frauenwahlrecht, die ungleiche Bezahlung und die Abhängigkeit der Frauen von den Männern. Das ist eine MeToo-Debatte à la 1930er Jahre, aber die Anspielungen auf die Gegenwart sind deutlich.

„Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um die Anwendung von Gesetzen“, erklärt der unverhofft erfolgreich gewordene ermittelnde Richter Rabusset, der eigentlich ein Versager ist, aber durch Willkür und Rückgratlosigkeit die Dinge so lange dreht und wendet, bis sie passen. Im Gerichtssaal wird ein Spektakel inszeniert, auf das auch die Presse anspringt, und am nächsten Morgen lesen Madeleine und Pauline die entsprechenden Zeitungsartikel als wären es Theaterkritiken. Es geht nicht um Gesetze oder Fakten, sondern um Meinungen und das Narrativ, das sich am stärksten durchgesetzt hat. Da lag Madeleine mit einer (einzigen) riesigen Krokodilsträne auf der Gewinnerstraße, denn die durchweg alten Männer in der Jury ließen sich durch den jugendlichen Liebreiz der schönen Frau dann doch erweichen.

Der Mord findet dann doch eine Nachahmerin, aber das wird eher heiter genommen. Nun müssen die beiden jungen Frauen erst einmal sehen, wie sie mit der Erpressung der einstigen Stummfilm-Ikone umgehen und da sind sie auf die Hilfe von Männern angewiesen. Gewissen, Empathie und Anstand spielen kaum eine Rolle, es wird so lange gemauschelt, bis es sitzt. Es ist, als ob sich ein Gefüge von Spielregeln im gesellschaftlichen Umgang miteinander aufgelöst hat und die Durchsetzungsfähigsten temporäre Regeln nach ihren Bedürfnissen aufstellen. (Das Theaterstück entstand 1934 in einer Art Schwebezustand zwischen zwei Weltkriegen und die Machtübernahme Hitlers in Deutschland wird ausdrücklich erwähnt).

Ozon hat eine auf den ersten Blick sehr leichtfüßige Komödie gedreht - als Gegenpol zu den nicht endenden Auseinandersetzungen und Ausschreitungen im Lande. Oberflächlich ist diese aber keineswegs, die Filmmusik, die Kameraführung des renommierten Kameramanns Manu Dacosse, die kostbare Ausstattung, die für Ozon typischen Anspielungen auf andere Filme und Filmemacher, alles ist auf hohem handwerklichen Niveau. Die französischen Stars verschiedener Generationen geben sich hier ein Stelldichein, um die beachtenswerte französische Filmgeschichte und auch sich selbst zu feiern.



Pauline Mauléon (Rebecca Marder) und Madeleine Verdier (Nadia Tereszkiewicz) sind entsetzt, als Odette Chaumette (Isabelle Huppert) den Mord anhand der Brieftasche des Opfers beweisen kann. | (C) Mandarin et Compagnie Foz, Gaumont, Scope Picture, France 2 Cinema, A Playtime Production

Helga Fitzner - 6. Juli 2023
ID 14278
Weitere Infos siehe auch: https://www.weltkino.de


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