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Hollywood

Söhne und

Überväter



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40 Tage in der Wüste ist eine Meditation und Kontemplation über die inneren Konflikte von Jeshua (hebräisch für Jesus) kurz vor seiner Gefangennahme und Kreuzigung. Er wandert vierzig Tage lang fastend durch die Wüste, um sich auf seine Aufgabe vorzubereiten. Der kolumbianische Regisseur Rodrigo García inszeniert am Ende kein Gemetzel in Golgatha, im Gegenteil endet der entschleunigte Film deutlich vorher. García, der auch für das Drehbuch verantwortlich ist, führt Jeshua durch die dunkle Nacht der Seele, in der er seinen Ängsten, Widerständen und Zweifeln begegnet. Es geht García um eine universelle Sicht der Dinge, was schon daran liegt, dass er den blauäugigen Schotten Ewan McGregor die Hauptrolle spielen lässt, der mit 45 Jahren für die Rolle eines 33jährigen sichtbar zu alt ist. McGregors Schauspielkunst zeichnet sich u.a. aber dadurch aus, dass er Menschen in Extremsituationen unheimlich überzeugend darstellen kann. Das kann er auch in einer Doppelrolle beweisen, denn der Teufel, der ihn versucht, erscheint als Spiegel seiner selbst, und der Satan scheint mehr über die Absichten Gottes zu wissen als Jeshua. Der Teufel ist also ein Abbild der - zumindest temporären - eigenen Seelenverfassung, eine Zwiesprache mit den individuellen Schattenseiten.

Rodrigo García ist der erstgeborene Sohn des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez (1927–2014, Die Liebe in den Zeiten der Cholera), der nicht nur in seinem Heimatland gefeiert und verehrt wurde. Rodrigo García kennt sich gut mit Übervätern aus und dem inneren und äußeren Kampf um Selbstbestimmung und dem Heraustreten aus dem Schatten des Vaters. Mittlerweile ist der 1959 in Bogotá geborene „Sohn“ ein anerkannter Kameramann und Regisseur. Vater-Sohn-Konflikte tauchen in seinem Werk häufiger auf, so auch hier. Gegen Ende seiner Fastenzeit begegnet Jeshua einem Ehepaar mit einem heranwachsenden Knaben. Die Mutter (Ayelet Zurer) ist schwer krank, der Vater (Ciarán Hinds) baut an einem Haus aus Stein, damit sie nicht mehr im Zelt leben müssen, und der Junge (Tye Sheridan) träumt heimlich davon, die Wüste hinter sich zu lassen und nach Jerusalem zu gehen. Vor 2000 Jahren war das Wort des Vaters aber Gesetz und ohne elterlichen Segen würde ein Kind das Haus nicht verlassen.



Jeshua (Ewan McGregor) hört sich die Ideen und Probleme des Vaters (Ciarán Hinds) an | © Tiberius Film


Jeshua findet hier eine irdische Variante seines eigenen Konflikts, denn sein göttlicher Vater fordert einen Opfergang von ihm. Der soll zwar einem höheren Gut dienen, nicht weniger als der Erlösung der Menschheit, fordert aber von dem Fleisch gewordenen Gottessohn ein Höchstmaß an Aufopferung und Mut. Der irdische Vater indessen fordert von seinem Sohn, dass er sich um seine kranke Mutter kümmert, was dieser gerne und liebevoll tut. Der Vater baut indes an seinem Haus, das aber irgendwie nie fertig zu werden scheint. Eines Tages soll der Sohn mit einem Seil an einem Felsen herabgelassen werden, um eine Gesteinsprobe zu entnehmen. Der Vater vermutet dort Jaspis, und wenn sich diese Mutmaßung bestätigen würde, wären die finanziellen Probleme der Familie gelöst. Doch der Sohn hat Höhenangst und weigert sich. Es kommt daraufhin zur Katastrophe. Die Familie wird zerstört, und das Haus (Symbol für das Reich Gottes?) wird niemals fertig werden... Für Jeshua scheint die Geschichte ein Gleichnis zu sein. Er wird sich dem Willen des Vaters fügen.

Der mexikanische Kameramann Emmanuel Lubezki ist eine Ausnahmeerscheinung am Filmhimmel. Er ist der einzige Kameramann, der dreimal hintereinander einen Oscar für seine Arbeit gewann; Gravity 2014, Birdmann 2015 und The Revenant – Der Rückkehrer 2016. Auch in 40 Tage in der Wüste setzt er die Kreatürlichkeit des Menschen in Szene, der sich in einer ihn bestimmenden Umgebung wieder findet. „Seine“ Wüste ist die eigentliche Hauptdarstellerin, Szenerie des Überlebenskampfes, aber auch Ort der Selbstfindung.

García zeigt den Prozess, wie ein Sohn zum Mann werden kann und wie eine höhere Berufung und die Sehnsucht nach individueller Verwirklichung miteinander in Konflikt treten. Er hält sich aus der Passionsgeschichte heraus, vielleicht weil die Kreuzigung und der Sühnetod Jesu auch von Theologen kontrovers diskutiert wird. Bei García findet die Befreiung nicht durch den Tod und die Auferstehung statt, sondern vielmehr durch die Überwindung der Angst.
Helga Fitzner - 13. April 2017
ID 9965
Weitere Infos siehe auch: http://www.tiberiusfilm.de/cinema/movie/40-tage-in-der-wueste


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