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Dokumentarfilm

Der Wert

realer

Dinge



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Für alle LiebhaberInnen des Analogen ist der Dokumentarfilm An Impossible Project des deutschen Regisseurs Jens Meurer ein Muss. Er stellt den Österreicher Dr. Florian Kaps in den Mittelpunkt, der die letzte Polaroid-Fabrik vor dem Abriss rettete, sowie viele andere bewahrende Menschen und analoge Geräte. Dazu gibt es jede Menge historische Filmaufnahmen, die nicht nur die ZeitzeugInnen faszinieren dürften, sondern auch die Generation der "digital natives", die von Anfang an fast nur mit der digitalen Technik aufgewachsen ist.

Das Todesjahr des Analogen setzt der Filmemacher mit 2008 an, als Steve Jobs das iPhone vorstellte. Das Multifunktionsgerät war der Gamechanger, der endgültige Aufbruch in die digitalisierte Welt. Doch da gab es auch Florian Kaps, eigentlich ein promovierter Biologe, der mitbekam, wie eine Polaroid-Fabrik nach der anderen abgerissen wurde. Die letzte Fabrikationsstätte befindet sich im niederländischen Enschede, und Kaps gelang es, zusammen mit anderen, die 180.000 Euro aufzubringen, um die Fabrik zu kaufen. Nun mag Kaps ein Bewahrer sein, eine Art Schutzpatron des Analogen, aber Geschäftsmann ist er keiner. Denn die Formel für die chemische Zusammensetzung der Entwicklungssubstanz für die Sofortbilder war verloren gegangen, und es war eine sehr komplexe chemische Formel. So konnte man zwar die Kameras weiter produzieren, vernünftige Bilder ließen sich aber nicht mehr entwickeln.

Das Digitale spricht nur zwei Sinne des Menschen an, das Sehen und das Hören, das Analoge schließt aber den Tastsinn, den Geschmackssinn und den Geruchssinn mit ein. Gerade Polaroid-Bilder riechen noch lange nach den chemischen Substanzen, aber auch Gerüche sind wichtige Erinnerungen. Kaps findet sich nicht damit ab, dass analoge Filme, Fotos, Schallplatten, Bücher und Briefe nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Darum sammelt er in verschiedenen Projekten alle Arten von analogen Geräten, darunter eine spanische Musikbox und diverse Druckmaschinen. Kaps ist kein Gegner der digitalen Technik, aber der Erhalt des Analogen ist wichtig, damit wir überhaupt noch eine Wahlmöglichkeit haben. Im Laufe des Films begegnet Kaps vielen Gleichgesinnten.

Regisseur Meurer unterstützt das Unterfangen:


„Das Wiederaufleben analoger Dinge scheint eine echte Freude und Begeisterung auszulösen. Es geht dabei nicht um 'besser', sondern darum eine Alternative zur unpersönlichen, digitalen Logik zu schaffen. Futter für die Seele. In einer Zeit von Fake News, Fake Politik, Fake alles Mögliche, ist es erfrischend wahrzunehmen, wie leicht und beglückend es sein kann, sich zu widersetzen.“


Deswegen ist der ganze Film und das Drumherum auch so analog wie möglich:


„Das Filmen auf 35mm spiegelt die Herausforderungen und Möglichkeiten des analogen Ansatzes wider: Es ist etwas teurer und hat gewisse Einschränkungen. Aber das geforderte Denken und die nötige Konzentration sind fast eine Befreiung von der Tyrannei des digitalen 'Lass es einfach laufen'. Lösungen für das Filmemachen auf 35mm zu finden, ist eine Erweiterung dessen, worum es in der Dokumentation selbst geht.“


Die Polaroid-Technik wurde in den 1940er Jahren von dem US-Amerikaner Edwin Land entwickelt und erlebte in den 1970er und 1980er Jahren eine Hochkonjunktur. Meurer zeigt zahlreiche historische Polaroid-Bilder, die heute noch erstaunlich gut erhalten sind. Es hat seinen eigenen Charme, Land auf Schwarzweißfilm zu sehen, der ein Visionär war. Polaroid war auch nach Produktionsende ein Markenname, und Kaps durfte ihn für die gerettete Fabrik nicht übernehmen, also nannte er sie nach dem, was alle darüber sagten: ein unmögliches Unterfangen, "an impossible project". Es ging dabei um viel mehr als Technik, sondern darum, den Wert realer Dinge wiederzuentdecken.

Die Produktionsstätte in Eschede wurde von den US-Amerikanern Oskar Smolokowski und seinem Vater Slava übernommen und Kaps irgendwie herausgedrängt. Die beiden Unternehmer waren sehr erfolgreich und schafften es nicht nur, eine geeignete Chemikalie entwickeln zu lassen, mit der wieder Fotos gemacht werden können, sie erreichten es auch, dass der Markenname Polaroid wieder verwendet werden darf. Es war schon etwas unschön, dass der Mann, ohne den es die Fabrik gar nicht mehr gäbe, zum Festakt dazu nicht eingeladen wurde. Aber Kaps war längst schon wieder mit anderen Projekten beschäftigt und ist als geschasster Firmengründer in der Gesellschaft von Steve Jobs und Marc Zuckerberg. Und post-digital ist mittlerweile in Mode gekommen, gerade bei den unter 25Jährigen. Facebook, Google & Co. haben ein paralleles Universum geschaffen, doch der Mensch selbst ist von Natur aus - analog.



Die Älteren kennen diese Technik noch. Nach Doc sind es die Herausforderungen, die das Leben interessant machen | © Weltkino Filmverleih

Helga Fitzner - 20. Januar 2022
ID 13411
https://www.weltkino.de/filme/an-impossible-project-2


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