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BERLINALE

PERSPEKTIVE DEUTSCHES KINO

9 Kurzkritiken



Die Reihe, die sich seit nunmehr 18 Jahren ausschließlich dem deutschsprachigen Nachwuchsfilm widmet, bietet in diesem Jahr einige überzeugende Spiel- und Dokumentarfilme, aber auch wieder ein paar unangenehme Enttäuschungen – ausgerechnet dann, wenn die Filmschaffenden besonders originell sein wollen. Ein echtes "Must see" ist nach Sichtung von fast allen Beiträgen nicht dabei, schade. Hier ein erster Überblick:


6Minuten66
Regie: Julius Feldmeier & Katja Feldmeier

Wiederholung des Experiments für den Film Chambre 666, der 1982 während der Filmfestspiele in Cannes entstand: Können Regisseure und Regisseurinnen kluge Sachen über ihr Metier sagen -- wenn sie kein Gegenüber haben, sondern nur in eine Kamera sprechen sollen? Julius & Katja Feldmaier haben auf der vergangenen Berlinale einige namhafte Kolleginnen und Kollegen in ein Hotelzimmer gebeten, wo sie einen Fragenkatalog über die Zukunft des Kinofilms als Kunstform in 6 Minuten und 66 Sekunden beantworten sollten. Einige sagen auch tatsächlich kluge Sachen (z.B. Christian Schwochow, Helene Hegemann, Tom Lass), manche verweigern sich der Aufgabe (Laura Lackmann, Dietrich Brüggemann), einer kollabiert vor lauter Schnellsprechen (was bei dem Thema passieren kann), aber nur wenige beweisen Entertainer-Qualitäten. Am Ende sehen wir betroffen das Fenster zu und alle Fragen offen.





Berlin Bouncer
Regie: David Dietl

Endlich ein Film über die Türsteher-Hauptstadt Berlin! Manche Götter in Schwarz, die über Wohl und Wehe im Nachtleben entscheiden, verlieren ohne Originalschauplätze schnell ihren Nimbus. Doch Regisseur David Dietl hat sich drei Exemplare ausgesucht, die eine interessante Vita mitbringen: Individualisten und (Lebens)Künstler, die das tolerante Berlin ausmachen. Der auch körperlich imposante Frank Künster kam in den späten 1980er-Jahren aus Westdeutschland nach Berlin, wo Smiley Baldwin als amerikanischer G.I. (und geborener Pazifik-Insulaner) noch die Grenze nach Ostberlin bewachte. Sven Marquardt wiederum war in Ostberlin junger Punk und wurde nach der Wende gefeierter Fotograf. Ihm begegnen wir auch im Dokumentarfilm Von Schönheit und Vergänglichkeit im Panorama-Programm. Eine denkwürdige Koinzidenz, die einem Berliner Original, der lange den berühmtesten Club der Welt bewachte (na…?) einen doppelten Roten Teppich ausrollt. Dietl begleitet die drei Männer, die sich über unzählige Nachtschichten zu ambitionierten Entrepreneuren gemausert haben, in ihre Heimatregionen und zu ihren Fluchtorten. Nicht nur für Clubgänger ein aufschlussreicher Trip durch die jüngere Geschichte der Partyhauptstadt Berlin.





Berlin Bouncer | (C) Flare Film GmbH


Born in Evin
Regie: Maryam Zaree

Schauspielerin Maryam Zaree hat schon mit ihren ersten Film- und Fernsehrollen Eindruck hinterlassen, z.B. in Burhan Qurbanis Shahada im Wettbewerb der Berlinale 2009. Zuletzt war die zierliche Powerfrau in der Berliner Serie 4 Blocks als leidende Frau des von Kida Khodr Ramadan gespielten, arabischen Clanchefs zu sehen. Zaree hat ein gutes Verhältnis zu ihren getrennt lebenden Eltern, die im Zuge der islamischen Revolution im Iran 1979 von Chomeinis Schergen wie Tausende andere liberale Intellektuelle verhaftet und gefoltert wurden. Allerdings mochte Zarees Mutter nie über die traumatischen Erlebnisse sprechen, die eine Geburt in einem der berüchtigtsten politischen Gefängnisse der Welt bedeuteten [s. auch Kluge Gefühle im HAU3, 2018]. Maryams Film soll nun quasi der Hebel sein, der diese mütterliche Mauer des Schweigens aufbricht: Anhand von Interviews mit Freunden und Verwandten der Eltern, aber auch anderen, ehemals im Iran inhaftierten Müttern, versucht Maryam Zaree sich über ihre Herkunft klar zu werden und stellt das individuelle Schicksal in einen größeren Kontext. Das gelingt ihr überwiegend eindrucksvoll und aufschlussreich. Nur gelegentlich wirkt die Subjektivität wie ein zu enges Schlüsselloch. Unterdrückung und Angst im Iran – schon ziemlich viele Filme zu diesem Thema habe ich in den letzten 25 Jahren besprochen, ohne dass sich dort inzwischen etwas wirklich Substantielles getan hätte. Es ist deprimierend.





Dust
Regie: Udita Bhargava

Ein Mann mittleren Alters auf den Spuren seiner verlorenen Liebe irgendwo in Indien. Eine Reise, die den schwer Erkrankten mit dem Chaos und der Armut im Land sowie einem bewaffneten Konflikt zwischen indischer Armee und Rebellen konfrontiert, den die Weltöffentlichkeit nicht kennt. Parallel zu dieser Suche erfährt der Zuschauer von den Gefahren, denen jener Junge ausgesetzt ist, die der Deutsche zunehmend verzweifelt sucht. Denn die verstorbene, indische Freundin des Europäers hat diesen Jungen fotografiert. Ein thematisch wie stilistisch eigenwilliger Film, der ohne viel Text auskommt und stattdessen auf seine suggestiven Bilder vertraut, die eine surreale, delirierende Atmosphäre erzeugen, die dem Zustand des Protagonisten entspricht. Die selbst aus Indien stammende Regisseurin Udita Bhargava hat an der Film- und Fernsehhochschule in Babelsberg studiert und liefert mit ihrem Abschlussfilm ein seltenes Beispiel von visionärer Kraft und Stilsicherheit.





Dust | Philipp Meise / unafilm


Dreissig
Regie: Simona Kostova

Eine Clique von Freunden feiert einen Geburtstag und streift anschließend durch die Straßen und Bars des nächtlichen Neuköllns. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Solche Nichtigkeiten wären achselzuckend wegzustecken, beschädigten sie nicht den Ruf der Reihe, die sich dadurch angreifbar macht.





Fisch lernt fliegen
Regie: Deniz Cooper

Eine junge Frau in einem Luxushotel winters in Venedig. Ein weitgehend misslungener Versuch zweier Theaterprofis, auszuprobieren, was man mit filmischen Mitteln so alles (anders) machen kann: Szenen unverbunden hinstellen statt narrativ flüssig erzählen; Schauspieler einfach hinstellen, statt sie spielen zu lassen; statt Schnitt-Gegenschnitt 180°-Drehung zwischen den Akteuren usw. Von wegen Fliegen: Fischauge lernt Schwenken! Auch die witzig gemeinten Absurditäten überzeugen nicht, weil die Filmschaffenden kein Gespür für Timing und die Codierung von Filmbildern haben, denen angesichts der Gleichheit von Bezeichnendem und Bezeichnetem nicht ohne Weiteres eine Symbolhaftigkeit aufgestempelt werden kann. Dass man auf sämtliche stilistische und dramaturgische Konventionen pfeifen und trotzdem Eindruck hinterlassen kann, haben viele anarchistische Filmschaffende vor allem in den 60ern bewiesen (Birgit Hein! Helmut Costard! Dušan Makavejev!! Vlado Kristl!!!). Hier: Fehlanzeige. Aber Salka Weber schaue ich mir gerne wieder an.





Die Grube
Regie: Hristiana Raykova

Warna am westlichen Ufer des Schwarzen Meeres in Bulgarien: Hier erfreuen sich Einheimische und Touristen im Sommer am mediterranen Klima, auch wenn es anstelle von Sandstränden nur harte Steine gibt, die man zum Baden überwinden muss. Ein altes Becken in Ufernähe, in dem heißes, mineralisches Wasser aufgefangen wird, nennen die Menschen "die Grube". Sie ist insbesondere für viele Rentner ein wichtiger Treffpunkt. Regisseurin Hristiana Raykova begleitet mit der Kamera eine Reihe von Menschen, denen die Grube ein Stück Lebensqualität verleiht – in einer Gegend, die zu den ärmsten Regionen Europas zählt. Raykova nimmt den Streit der Bewohner mit den kommunalen Behörden, die die Grube schließen möchten, zum Anlass, den kuriosen Mikrokosmos der Menschen in Warna auszuleuchten. Amüsant und aufschlussreich.





Heute oder morgen
Regie: Thomas Moritz Helm

Ein neues Beispiel des beliebten dramaturgischen Dauerbrenners "Berliner Bohème wie sie keucht und fleucht": Maria ist die widerspenstige junge Frau, die aus Prinzip klaut statt kauft und auch sonst nachdrücklich ihre antibürgerliche Attitüde auslebt. Ihr freundlicher Freund Niels sorgt für etwas Stabilität und Kohle im gemeinsamen Leben. Dann lernen beide die interessante Chloë aus England kennen und verlieben sich in sie (wer hätte das nicht getan?). Die schokoladenbraune Schönheit lässt sich auf eine Dreiecksgeschichte mit dem Berliner Paar ein und zusammen lässt man sich durch ein sommerliches Berlin treiben… Drehbuch, Regie und die ausgezeichneten Schauspieler vermitteln die Fragilität und Verletzlichkeit des Beziehungskonstrukts sensibel und glaubwürdig. Es macht Spaß, den jungen Leuten bei ihrer Entdeckungsreise im Gefilde von Lust und Liebe und ihrer Reifeprüfung zuzuschauen. Peinlichkeiten werden umschifft, die Dialoge und Schnitte sitzen. Nur die angestrebte Tiefe will sich bei all dem lockeren Treiben nicht so ganz einstellen.





Heute oder morgen | (C) CASQUE film


Das innere Leuchten
Regie: Stefan Sick

Ein Dokumentarfilm über Demenzkranke in einem Pflegeheim? Für den Filmemacher praktisch – die können sich nicht wehren. Unappetitlich.




Max-Peter Heyne - 8. Februar 2019
ID 11198
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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