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74. BERLINALE

WETTBEWERB /

PANORAMA

2 Filme mit Isabelle Huppert



Die Aufführungen der beiden neuen Filme mit Frankreichs fleißigem Superstar Isabelle Huppert illustriert das wesentlichste Problem, welches der künstlerische Leiter Carlo Chatrian nicht nur dieser, sondern seinen fünf zurückliegenden BERLINALEn aufgenötigt hat, nämlich die Verwässerung des bestehenden Profils des umfangreichsten Filmfestivals der Welt. Trotz des enormen Angebotes an aller Arten von Filmen gab es dieses Profil; es setzte sich aus den jeweiligen Profilen der verschiedenen Sektionen zusammen. Nachwuchsfilme und formell besonders innovative oder sperrige, zum Experimentellen tendierende Filme für ein intellektuelles Nischenpublikum liefen (und laufen) traditionell im Forum. Deswegen hätte es nicht noch der neuen Reihe „Encounters“ bedurft, die Chatrian als eigene Duftmarke kreiert hatte und unfreiwillig immer in Konkurrenz zum Forum stand.

*

Aber auch viele Wettbewerbsfilme schienen unter Chatrians Ägide eher ins Forum zu passen, und die südkoreanische Groteske Yeohaengjaui pilyo (The Traveler’s Need) des unter Cineasten bekannten Altmeisters Hong Sangsoo war diesmal so ein Fall: Isabelle Huppert spielt hier eine Französin, die aus irgendeinem unbekannten Grund in Südkorea gestrandet und – wie sich erst gegen Ende des Films herausstellt – bei einem deutlich jüngeren Mann (Ha Seong Guk) untergekommen ist. Ihre Zufallsbekanntschaften, zwei koreanische Frauen, werden ihre Schülerinnen in Französisch, dass die Französin allerdings pädagogisch nicht zu überzeugen vermag. Stattdessen verweist sie auf ihre Coaching-Kenntnisse, die zu eben jenem erfüllten Leben verhelfen sollen, das sie selbst nicht auf die Reihe bekommt.

Die grotesken Missverständnisse in den Dialogen resultieren also weniger aus der Sprachbarriere, sondern aus der rätselhaften Ambitions- und Ziellosigkeit der Hauptfigur. Bei Hong Sangsoo ergibt das rund ein Dutzend kammerspielartige Szenen, die in dramaturgischer Hinsicht nirgendwo hinführen und durch die völlig unzureichende Psychologisierung der Figuren auch keinerlei Tiefgang gewinnen. Auch handwerklich ist der mit ein paar mauen Running Gags sich mühsam über Wasser haltende Film schwach: Die Szenen scheinen von einem aufs Stativ geklemmte Smartphone aufgenommen worden zu sein.



The Traveler's Need | (C) Jeanwonso Film


Warum diese ermüdende Petitesse, der auch Isabelle Huppert nicht viel Glanz aufsetzen kann, von der internationalen Fachjury eines Silbernen Bären („Preis der Jury“, quasi 3. Platz) für würdig gehalten wurde, bleibt deren Geheimnis. Vieles spricht für einen Kompromiss, um Hong Sangsoos Mut zur Skurrilität zu belohnen. Das aber vollzog bereits die BERLINALE-Jury des Jahres 2022, die nämlich Sangsoos tatsächlich poetischen und sehenswerten vorletzten Film Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall ebenfalls mit einem Silbernen Bären belohnt hatte. Dass der südkoreanische Regisseur bei dieser Preisverleihung die Jury sichtlich erstaunt fragte, was sie denn in seinem Film gesehen habe, war eine entlarvende Bemerkung.

Bewertung:    



Der dramaturgisch, handwerklich und schauspielerisch weitaus bessere Film mit Isabelle Huppert lief in der Sektion Panorama und war deshalb von der Chance auf eine Bärentrophäe ausgeschlossen: Les gens d’à côté (My New Friends), der neue Film des französischen Altmeisters André Téchiné, mag nun auch kein Meisterwerk und schwächer ausgefallen sein als seine früheren BERLINALE-Beiträge Wir waren Zeugen (2007) oder Mit Siebzehn (2016). Aber Téchiné hat im Gegensatz zu Hong Sangsoo eine Menge zu so wichtigen Themen wie Mitmenschlichkeit und Toleranz zu sagen und drückt dies überzeugend und klar aus: Huppert spielt Lucie, eine Mitarbeiterin einer auf Terrorismus- und Extremismus-Bekämpfung spezialisierte Polizeibehörde, die nach dem Selbstmord ihres Mannes traumatisiert ist. Äußerlich gefasst, aber innerlich in einer Art Emigration von der Menschheit, reagiert Lucie zugewandt und hilfsbereit auf das junge Paar mit Kind (Nahuel Pérez Biscayart, Hafsia Herzi), die zu ihren Nachbarn werden. Der junge Mann ist allerdings ein polizeibekannter Aktivist und Krimineller, den Lucie eigentlich anzeigen müsste. So ergibt sich für Lucie ein Gewissenskonflikt, dem sie sich eher widerwillig und zu ihren Ungunsten stellt.



Les gens d’à côté | (C) Roger Apajon


Téchiné inszeniert diesmal noch schnörkelloser als sonst, verzichtet also auf formale Sperenzchen, aber auch allzu dramatische Szenen. Stattdessen vertraut er ganz auf die innere Zerrissenheit, die beide Hauptfiguren beherrscht, und die Kunst der Schauspieler. Isabelle Huppert setzt wieder einmal auf ihren stoischen Minimalismus, was aber zum realistischen, unaufgeregten Tonfall der Geschichte passt. Dennoch hätte man sich ein bisschen mehr Input gewünscht, denn der gesellschaftspolitische Kontext (Polizeigewalt und die Proteste dagegen, die Überforderung der Beamten etc.) wird nur gestreift. Aber auch die Herkunft und die Psychologie der ‚Menschen von Gegenüber‘ bleibt weitgehend diffus.

Bewertung:    

Max-Peter Heyne - 25. Februar 2024
ID 14630
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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