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73. BERLINALE

GENERATION 14+ / PANORAMA

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? / Sisi & Ich



Auch die Regisseurin Sonja Heiss zeigt in ihrer Roman-Adaption Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? eine disfunktionale Familie. Der Schauspieler Joachim Meyerhoff hat in bisher fünf Bänden autofiktional aus seinem Leben erzählt. Der Film umfasst das gleichnamige zweite Buch mit den Kindheits- und Jugenderinnerungen des Autoren, der mit Mutter, Vater und zwei Brüdern in der Direktoren-Villa einer psychiatrischen Anstalt in Niedersachsen aufgewachsen ist. Der Vater (Devid Striesow) ist hier Direktor, und seine Mutter (Laura Tonke) leidet an der Lieblosigkeit des Vaters und spießigen deutschen Umgebung der frühen 1970er Jahre. Obwohl der Vater recht progressive psychiatrische Therapieansätze verfolgt, herrscht dabei ein eher toxischer männlicher Chauvi-Ton. Sehr schön beschreibt das der Film in einer Szene mit der Haushälterin Frau Fick (Lina Beckmann), in der der Vater am Frühstückstisch bei einer Wette mit seinen minderjährigen Söhnen die Frau mit banalen Fragen und dem immer wieder erwähnten Nachnamen bloßstellt.

Bereits in Sonja Heisses Film Hedi Schneider steckt fest (2015) spielte Laura Tonke eine depressive Frau und Mutter. Hier ist die eigentlich sehr lebenslustige Frau und Italien-Liebhaberin den verbalen Zurücksetzungen ihres Mannes ausgesetzt, der es nicht ertragen kann, mal nicht die Hauptrolle zu spielen. Eigentlich beginnt der Film ganz locker bei einem Ausflug der Familie ans Meer. Aber schnell wird klar, dass der kleine Josse ein problematisches Kind ist, das nach Hänseleien der älteren Brüder zum Runterdimmen seines Wutanfalls auf die laufende Wäscheschleuder gesetzt werden muss.

Auch in den Szenen mit den auf dem Klinikgelände frei umherlaufenden Patienten trifft Heiss den trockenen anekdotischen Ton der Meyerhoff-Vorlage. Wir begleiten den Jungen, gespielt von Camille Loup Moltzen als 7jährigen, Arsseni Bultmann als 14jährigen und Merlin Rose als 25jährigen, durch drei Abschnitte seines Lebens von der Kindheit über die Teenager-Zeit bis zum Erwachsenen. Besonders viel Zeit lässt sich der Film bei der Pubertät des Jungen, mit der ersten zaghaften Liebe zu einer jungen Patientin des Vaters, aber auch mit ersten Auseinandersetzungen mit dem seine Frau betrügenden Mann, der sich vor seinem Sohn nicht öffnen will. An Weihnachten kommt es zum Eklat, bei dem die drei Söhne aber demonstrativ zur Mutter halten.

Alle Tote fliegen hoch hieß ein Theaterabend am Burgtheater Wien, in dem Joachim Meyerhoff die ersten drei Bände selbst szenisch gelesen hat, und der auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Trotz der vielen tragischen Momente, die um ihn passieren, bricht das den Jungen nicht. Der Film bleibt dicht am jugendlichen Protagonisten und setzt die Vorlage einfühlsam und bildstark um. Dass der Film in der Sektion Generation 14+ versteckt wurde, tut dem keinen Abbruch.

Bewertung:    



Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? | (C) Komplizen Film GmbH


*

Nicht von einer echten Familie aber von viel Frauenpower und diese ausbremsen wollende toxische Männlichkeit erzählt der Film Sisi & Ich von Regisseurin Frauke Finsterwalder. Wie bereits im Film Finsterworld (2013) arbeitete Frauke Finsterwalder gemeinsam mit ihrem Mann, dem Schweizer Schriftsteller Christian Kracht (Faserland, Eurotrash) am Drehbuch. Warum es nach 10 Jahren ausgerechnet ein weiterer Film über die legendäre österreichische Kaiserin sein musste, erschließt sich aber nicht wirklich. Finsterwalder geht das Thema zunächst sehr humorvoll an. Im Vordergrund steht aber nicht die Kaiserin (Susanne Wolff), sondern eine ihrer Hofdamen, Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller). Irma ist mit Vierzig noch nicht verheiratet und kommt auf Drängen der Mutter als letzte Chance zum Hofstaat der Kaiserin, die eine kleine Frauenkommune auf der Insel Korfu anführt.

Hier wird viel Sport getrieben und Diät gehalten. Jede Scheibe Salami, die die dauerhungrige Gräfin in schwacher Minute verschlingt, wird täglich auf der Waage registriert. Ansonsten spielt die Kaiserin auch gern die um ihre Gunst buhlenden Hofdamen gegeneinander aus. Der als Anstands-Wau-Wau anwesende schwule Graf von Berzeviczy (Stefan Kurt) hat nicht viel zu melden. Sehr lustig auch die Episode, in der Georg Friedrich als extravaganter unkonventioneller Erzherzog Viktor von Österreich und Sisi-Vertrauter der Entourage auf der griechischen Insel einen Besuch abstattet. Der Film in der Sektion Panorama schwelgt hier farbenprächtig in Kostüm und Ausstattung.

Irma kann schließlich die Freundschaft der Kaiserin erringen und blüht in der männerlosen Gesellschaft sichtlich auf. Dass es nicht mehr werden kann, wird aber schnell klar. Vorboten der höfischen Etikette sind die Mütter (herrlich steif Sibylle Canonica, Angela Winkler). Sisi muss sich den ehelichen Pflichten zum Kaiser (Markus Schleinzer) unterwerfen. Irma wird Zeuge dieser Vergewaltigung. Die Flucht nach vorn treten beide mit einem Abstecher nach England an. Hier tritt der Film allerdings sichtlich auf der Stelle. Das Frauenpower-Duo kann zwar schauspielerisch stark überzeugen, der Plot, der sich anfänglich so viele Freiheiten nahm, versandet aber in filmischen und biografischen Konventionen, woran auch eine Umdeutung des Attentats an der Kaiserin nichts ändert.

Bewertung:    



Sisi & Ich | (C) Bernd Spauke

Stefan Bock - 25. Februar 2023 (2)
ID 14063
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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