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BERLINALE


PANORAMA

Au cimetière de la pellicule / The Burdened (Die Beladenen)



Zu den Denkwürdigkeiten des BERLINALE-Programms gehört schon seit Jahrzehnten, dass die Reihe Panorama als eine Art Nebenschauplatz in der Summe oft bessere Beiträge bietet als der Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären. Dies hat sich unter den neuen Leitungen der Sektionen – also seit vier Jahren – nicht grundlegend geändert. Manchmal ist man froh, im Panorama etwas weniger Angestrengtes und Kopflastiges als im Wettbewerb zu sehen; und wenn der Zuschauer richtig Glück hat, ist das Panorama tatsächlich ein inspirierender Blick auf oder in die Kulturen der Welt.

Dies gilt zum Beispiel für den französisch-senegalisch-guineisch-saudi-arabischen Dokumentarfilm Au cimetière de la pellicule (The Cemetery of Cinema), der überhaupt zu den positiven Überraschungen dieses Jahres gehörte. Der junge, aus Guinea stammende Dokumentarfilmer Thierno Souleymane Diallo begibt sich in diesem Film auf Spurensuche nach dem Erbe seiner beruflichen Vorfahren. Gemessen an den europäischen Nationen war die Filmszene in Guinea nach der Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich in den späten 50er Jahren zwar sehr überschaubar. Aber das zentralafrikanische Land erlebte eine kulturelle Blüte, und die Kinos hatten in den Dörfern ebenso wie in den Großstädten viel Zulauf.

Dies lassen zumindest die Ruinen und teils zu Asche zerfallenen Spielstätten und Schränke voller alter Filmkopien vermuten, die Diallo auf seinem Weg kreuz und quer durch Guinea besucht. Von weitem als Exot mit Videokamera und überdimensionalem Mikrofon erkennbar, zieht Diallo stets barfuß durch sein Heimatland und führt Gespräche mit einigen – den vielleicht letzten – Zeitzeug*innen und Archivar*innen der im Rückblick glorreichen Jahrzehnte der ersten guineischen Republik, bevor in den 1970er Jahren ein autoritäres Regime Kinos und Archive schloss, die wenigen Filmschaffenden einsperrte und ihre Werke zensierte.

Diallos anrührender Film inspiriert zum einen, sich mit der wechselvollen Geschichte Guineas und seiner benachbarten Staaten zu beschäftigen, die seit der Zerschlagung der demokratischen Anfänge in den 50er und 60er Jahren nicht wieder in zivildemokratische Strukturen zurückgefunden haben. (Der gegenwärtige Konflikt um die UN-Mission in Mali ist eine der Folgen damaliger Fehlentwicklungen.) Zum anderen ist es eine Reise in eine unwiederbringlich verschüttete Historie und der Verlust eines Teiles kultureller Identität.

Diallo jedenfalls findet den verbürgt 1953 entstandenen Film Mouramani von Mamadou Touré, der nicht nur als erster Spielfilm Guineas, sondern als einer der ersten Filme Zentralafrikas überhaupt gilt, sogar in der gut sortierten, digital ausgestatteten Kinemathek in Paris nicht. So inszeniert Diallo den sehnsüchtig gesuchten, aber verschollenen Streifen kurzerhand in Frankreich nach, das anders als Guinea noch über Kinos als kollektivem Erlebnisort verfügt.

Bewertung:    



Au cimetière de la pellicule | (C) L´Image d´apres


*

Der sehr bedächtig, aber durchaus nicht langweilig inszenierte jemenitisch-sudanesisch- saudi-arabische Spielfilm i>The Burdened führt den Zuschauer in die vom jemenitischen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd geschundene Hafenstadt Aden am Persischen Golf. Hier lebt Isra’a mit ihrem Mann Ahmed und ihren drei Kindern, die durch den gnadenlos auch gegen Zivilisten geführten Krieg ihren Status als intellektueller Mittelstand Jemens bereits verloren haben, sich mit einer Art Taxidienst über Wasser halten und ansonsten mit zerstörter Infrastruktur, Stromausfällen, Mangel an Trinkwasser und Gehaltsverzögerungen konfrontiert sind.

Trotz Vorsichtsmaßnahmen ist Isra’a erneut schwanger, und angesichts der Aussicht auf drastische Verarmung hat sich das Paar zu einer Abtreibung entschlossen (für Ahmed ist es jedenfalls ein zwingend notwendiger Schritt). In einem muslimischen Land wie dem Jemen ist dieser Plan an sich schon ein Sakrileg, und so muss das Paar mit äußerster Vorsicht vorgehen.

Regisseur Amr Gamal verzichtet auf harte Konflikte und viel Dialog, stattdessen ermuntert er den Zuschauer, aus dem beredten Schweigen, den Gesten und der Mimik seiner Protagonisten Schlüsse auf deren Gefühle zu ziehen. Dabei gelingen ihm immer wieder kleine Vignetten, die deutlich machen, wie und wie sehr der politisch-religiöse Kontext das Schicksal der Individuen beeinflusst.

Mit einer ironischen Volte schildert Gamal ausgerechnet die Frauenärztin der örtlichen Klinik als die Gläubigste von allen Figuren, die sich trotzdem zur Todsünde entschließt, um ihrer Freundin zu helfen. Das zwischen den Hauptfiguren Risse bleiben werden, ist der offene Ausgang eines tiefgründigen, aber leider manchmal auch zu betulich inszenierten Dramas.

Bewertung:    



The Burdened (Die Beladenen) | (C) Adenium Productions

Max-Peter Heyne - 28. Februar 2023 (3)
ID 14073
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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