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ACHTUNG BERLIN | 19. - 26. April 2017

Ausgewählte Filme (2)

VANATOARE /
FREDDY EDDY /
HEY BUNNY



Wie immer bot der ACHTUNG BERLIN new berlin film award auch in diesem Jahr eine bunte Wundertüte an Kinofilmen mit Berlin/Brandenburg-Bezug, was aber gerade in Zeiten internationaler Koproduktionen auch nicht mehr ganz so streng gesehen wird. Die Palette reicht demnach genremäßig von der Liebeskomödie über das Sozial- und Flüchtlingsdrama bis zum spannenden Psychothriller.


* * *

Am Rande der rumänischen Hauptstadt Bukarest spielt der Wettbewerbsbeitrag Vânătoare (dt.: "Auf der Jagd") von Alexandra Balteanu, Absolventin der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Die rumänische Regisseurin hat im kalten November unter einer Autobahnbrücke den Alltag dreier Frauen, die sich dort für ein paar hundert Lei am Tag prostituieren, verfilmt. Sie konnte dafür vor Ort drei ausgezeichnete rumänische Theaterschauspielerinnen gewinnen. Lange fast dokumentarische Kameraeinstellungen, die an Cristian Mungiu oder auch die Brüder Dardenne erinnern, aber auch improvisierte Szenen in einer Fernfahrerraststätte kennzeichnen diesen eindrucksvollen Film. Die gesamte Handlung spielt fast ausschließlich im Freien.

Es beginnt zunächst in einem Vorort von Bukarest, in dem die Hauptprotagonistin Lidia (Corina Moise) mit ihrem Ehemann und zwei Kindern lebt. Sie züchtet Tauben und muss das Geld für die Familie zusammen kratzen. Ihr Sohn hat Probleme in der Schule, ihr Mann tritt kaum in Erscheinung. Freundin Denisa (Iulia Lumânare) hält ihren Freund aus, für den sie neue Turnschuhe kaufen möchte, und die junge Vanessa (Iulia Ciochina) träumt von einem Mann mit grünen Augen und einer Dienstwohnung, den sie per Annonce sucht.

So hat jede der Frauen ihren ganz speziellen Beweggrund für die Prostitution. Der Film verfolgt sie bei der Busfahrt zur Brücke, dem Umziehen vor Ort und dem Warten auf Kundschaft an der dicht befahren Straße. Ihre Gespräche drehen sich ums Geld, die Männer und auch um kleine Revierstreitigkeiten zwischen Lidia und Vanessa, die nicht auf den Mund gefallen ist. Probleme gibt es immer wieder mit Polizeistreifen, die den Frauen als Strafe für die illegale Tätigkeit das verdiente Geld abnehmen. Die korrupten Beamten betrügen die Frauen und schikanieren sie, wenn sie sich beschweren wollen. Halb nackt setzen sie die drei mitten in der Nacht auf einem Feld aus.

Recht anschaulich verdeutlicht der Film die Ohnmacht und Ausweglosigkeit der Frauen, gibt ihnen bei aller Härte aber auch die Würde, für sich einzustehen. In einem langen stummen Abspann keimt sogar etwas wie Hoffnung und ein Rest von Menschlichkeit. Dafür gab es auf dem Festival den Preis des Verbands der deutschen Filmkritik.

Bewertung:    



Mit dem Genrefilmen hatte das Festival nicht so großes Glück, obwohl die Spielfilmjury großzügig den Regiepreis an Tini Tüllmann für den Psychothriller Freddy Eddy vergab. Ihren an das bekannte Dr. Jekyll & Mr. Hyde-Thema angelehnten Langspielerstling hat die Regisseurin sogar selbst finanziert, da Genrefilmideen wohl immer noch ein Förderungshindernis zu sein scheinen. Allerdings schleppt sich die Story des Malers Eddy (Felix Schäfer), der seinen Fantasiedoppelgänger aus frühen Kindheitstagen plötzlich wiedersieht, zunächst recht zäh dahin. Eddy hat seine Frau und ihren Liebhaber in flagranti erwischt und wird nun beschuldigt, beide brutal zusammengeschlagen zu haben. Er schiebt aber alles diesem ominösen Doppelgänger in die Schuhe. Vor Gericht geht Eddy dann aber einen Deal ein, um das Besuchsrecht für seinen 8jährigen Sohn nicht zu verlieren. Nachdem er sich an den heimischen Tegernsee zurückgezogen hat, nistet sich Freddy bei ihm ein und beginnt mit seiner forschen Art dessen Leben und die frische Beziehung zur neuen Nachbarin Paula (Jessica Schwarz) und ihrer 14jährigen Tochter Mizi (Greta Bohacek) zu sabotieren.

Lange bleibt unklar, ob es diesen Freddy tatsächlich gibt, oder ob Eddy doch an einer erblichen Schizophrenie leidet, wie es sein Psychotherapeut Dr. Weiss (Burghart Klaußner) vermutet. Von einem gewalttätigen Vater und möglichem Missbrauch (Eddy hat immer wieder Albträume), über einen toten Zwillingsbruder, der möglicherweise doch noch leben könnte, bis zu einer Genstudie des Arztes packt Tini Tüllmann nun alles ins Skript, was verwirrende Spuren auf den möglichen Doppelgänger Freddy legen könnte oder sich irgendwie mit einer Psychomacke Eddys erklären ließe. Auch ein Halbbruder Eddys (Alexander Finkenwirth) und ihre gemeinsame an Demenz erkrankte Mutter (Renate Serwotke) spielen noch eine Rolle.

Die ganzen aufgeworfenen Themen wie unverarbeitete Familienvergangenheit, neuer Missbrauchsverdacht und die ominöse medizinische Studie dienen allerdings nur der Verwirrung des Zuschauers und werden an einen möglichst satten Thrill verkauft. Irgendwann ist die Katze aber aus dem Sack, und alles läuft beharrlich auf den erwarteten Showdown hin. Selbst das illustre und gut gecastete Ensemble, in dem auch noch Robert Stadlober als neuer Krishna-Macker von Eddys Ex-Frau und Katharina Schüttler als Eddys laszive Galeristin auftauchen, kann nicht über die Drehbuchschwächen des recht banal gestrickten TV-Plots hinwegtäuschen. Da wirkt vieles, selbst das als Überraschungsmoment gesetzte Ende, doch ziemlich bekannt. Freddy ist „die dunkle Seite, die aus dir kriecht“ - heißt es am Anfang. „Ich tue das, was du dich nicht traust.“ Das haben wir dann u.a. in Die dunkle Seite des Mondes oder Stereo schon besser gesehen.

Bewertung:    



Nicht wirklich überzeugen konnte auch Hey Bunny, der erste Langspielfilm des Schauspielerpaars Barnaby Metschurat und Lavinia Wilson, der in der Sektion Berlin Independent lief. Der Ex-KDD-Serienkommissar Metschurat hat einen mit Ideen ziemlich vollgepackten Plot um den leicht soziophoben Computerhacker Adam geschrieben, den er auch gleich noch selbst darstellt. Adam, der sich gerade von seiner in Afrika Brunnen bohrenden Freundin getrennt hat, soll sich im Auftrag einer Computerfirma um die Sicherheit eines Institutsservers kümmern, der aber schon vorher gehackt wird. Zusätzlich zu den Daten verschwinden auch die Versuchskaninchen einer Forschungsreihe, die sich mit der Entdeckung eines Glückshormons für Menschen beschäftigt. Adams seit kurzem an Alzheimer erkrankter Vater hatte diese Studie geleitet. Nun untersteht sie einer auf Effizienz pochenden Professorin (Marie Gruber) und ihrer idealistischen Tochter (Lavinia Wilson).

Natürlich kennt man sich von früher und Adam gerät sofort in Verdacht hinter der Computerattacke zu stecken. Allerdings könnte es auch eine militante Aktionsgruppe, die gegen Tierversuche demonstriert, gewesen sein. Adam flieht zum Vater (Edin Hasanovic) ins elterliche Heim, wo er nicht nur die Kaninchen, sondern auch wieder zu seinen immer noch dort wohnenden Brüdern findet. Der eine (Harald Schrott) ist ein notorischer Frauenheld, der keine Gelegenheit und Party auslässt, der andre (Sabin Tambrea) vergräbt sich autistisch in Kapuzenpullis und macht Technomusik im Keller.

Regie und Buch können sich nicht so recht zwischen Lovestory, Familiendrama oder Ökothriller im Genforschungs- und Computer-Milieu entscheiden. Weltrettung, neue emotionale Intelligenz oder die Suche nach dem kleinen Glück ist hier die Frage, die der Film über viele Umwege und durchaus witzig inszenierte Szenen natürlich auch nicht beantwortet bekommt. Sehr schön eine alkoholgeschwängerte Technoparty im Haus mit arabischen Stewardessen, die große Fans des in ihrem Land berühmten Technobruders sind, oder der Dreh eines fingierten Bekennervideos im Femen-Stil. Die Hackergeschichte klärt sich zum Schluss natürlich auf, und andere Kräfte übernehmen nun Macht an der Uni. Das alles scheint Adam, der weiterhin auf der Suche nach sich selbst bleibt, aber nicht wirklich zu interessieren. [Der Film ist bereits am 27. April in den deutschen Kinos gestartet.]

Bewertung:    



Hey Bunny | (C) Christian Schulz

Stefan Bock - 28. April 2017
ID 9992
Weitere Infos siehe auch: http://achtungberlin.de


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de



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