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Lesung | lit.COLOGNE 2015

Chroniken der Wende 

Alexander Osang und Peter Richter lasen aus ihren neuen Romanen


An diesem Montagabend sprachen Alexander Osang und Peter Richter im Kölner COMEDIA Theater über die Tage der sogenannten Wende. Beide Autoren sind Zeitzeugen und legen Romane vor, die nicht nur von der Musik und ostdeutschen Musikern handeln, sondern vor allem auch von jener bewegten Zeit des Umbruchs und der friedlichen Revolution...

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Wenn Alexander Osang auf dem Podium frei erzählt, spürt man ihn nicht: Den besonderen Charme seiner Prosa. Sie „unverwechselbar“ zu nennen, trifft es genau. Dabei ist Osang in seiner Literatur immer Journalist geblieben. Es ist der entlarvende Blick fürs Detail, der seine Texte auszeichnet. Auch in seinem neuen Roman Comeback demonstriert Osang seine ganz spezielle Kunst. Da tut es nichts zur Sache, dass seine Geschichten nicht immer besonders originell sind – man erinnert sich oft an Szenen, die man so oder ähnlich bereits in Filmen gesehen hat. Der bleibende Eindruck jedoch ist, dass die Prosa von Osang irgendwie immer „funktioniert“.

Warum das so ist? Vielleicht liegt es an dieser mühelosen Heiterkeit, die Osang als parlierender Bühnengast übrigens nicht zu erzeugen vermag. Seine Texte haben diesen erstaunlich leichtgängigen Humor: Osang bringt in wenigen Worten die Pointe einer Situation auf den Punkt, und dabei ist der Autor nicht sarkastisch oder ätzend. Es ist vielmehr ein mildes Licht, in das Osang seine Figuren taucht, entlarvend und zugleich sympathisierend.

Der Gitarrist Alex, der Bassist Paul, der Keyboarder Vonnie, der Schlagzeuger Axel und die charismatische Sängerin Nora bilden zusammen »Die Steine«. Eine ostdeutsche Rockband der 80er. Nach der Wende gehen die einzelnen Mitglieder verschiedene Wege: Paul lebt am Gendarmenmarkt und steht zumeist rauchend am Fenster. Alex bleibt mit Nora verbunden, seiner großen Liebe, die mittlerweile in New York lebt. Paul versucht sich indessen um seine Tochter zu kümmern, was ihm bisweilen sogar ganz ordentlich gelingt. Irgendwann geht die Band auf eine Comeback-Tour. Osang kennt sich bestens aus, wenn es ums Altern geht oder um die alternde Liebe oder die Trauer, die sich einstellt, wenn man merkt, dass die Dinge unwiderruflich verloren sind. Ein großartiger und unterhaltsamer Roman.

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Peter Richter ist deutlich jünger als Alexander Osang. Sein Roman 89/90 erzählt von jenen, die innerhalb kürzester Zeit in ein anderes Welt-System geworfen wurden. Gerade noch Weltfestspiele und FDJ und Plattenbau, jetzt Kurfürstendamm und Begrüßungsgeld und goldener Westen, der wie die Potemkinschen Dörfer zu sein scheint. Irritierend - so stimmen beide Autoren an diesem Abend überein - , wenn diejenigen, die es ablehnten, vom kapitalistischen Westen einverleibt zu werden im Laufe der folgenden Jahre zu den eigentlichen Gewinnern wurden, während die Enthusiasten der Einheit als Verlierer dastanden. Wenn die alten Kumpels zu Neonazis werden und die Welt auch nach der Einheit in gut und schlecht aufgeteilt bleibt, geschieht etwas, das man wohl nur erzählen kann. Eine neue, eigenartig undurchsichtige Welt, die sich in Richters Roman nach und nach erschließt. Richters autobiografischer Roman hat dennoch nicht die Klasse und den feinen Humor von Osangs Text, es fehlt vor allem das handwerkliche Vermögen, diese Geschichte voller Anekdoten und Details so zu erzählen, dass sie dem Leser nicht wie Wasser durch die Finger rinnt.

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Beiden Autoren gelingt es auf eigene Weise, eine historische Situation wiederzubeleben, die sich in rasender Geschwindigkeit zu entfernen scheint - unter dem unerträglich zähen Schlick des ritualisierten öffentlichen Gedenkens. Während jedoch Osang, der Ältere, eine Prosa vorlegt, die bei allem Leid in die Zukunft weist, zeichnet Richters Text jene Nostalgie aus, die sich selbst genügt und dadurch ein wenig stumpf und unnachgiebig wirkt.



Peter Richter und Alexander Osang (2. u. 3. v. l.) mit dem lit.COLOGNE-Moderator Christoph Amend - Foto (C) Claudia Ast

Jo Balle - 18. März 2015
ID 8512
Weitere Infos siehe auch: http://www.lit-cologne.de


Post an Dr. Johannes Balle



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