Die Jelinek
zu ihrem 75. Geburtstag
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Elfriede Jelinek, München im September 2004 | Foto: G. Huengsberg; Bildquelle: Wikipedia
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Als Elfriede Jelinek vor 13 Jahren die Tragödie von Amstetten, den unvorstellbaren Sadismus des Josef F., der dieser Tage aus dem Maßnahmenvollzug entlassen wurde, in einer österreichischen Tageszeitung kommentierte, folgten die vorhersehbaren Leserbriefe auf den Fuß, wie man so sagt. Zwei davon lauteten:
"Dank Josef F. kann Frau Jelinek endlich wieder ihr 'übliches Gesudere' über Österreich ausschütten – und damit jede Menge Geld verdienen."
"Wäre Elfriede J. mit dem seltsamen Herrn des Amstettner Verlieses verheiratet, und hätte der Mann dann DIESE Frau für den Rest ihrer Tage in den Keller gesperrt und gequält... ich würde ihn von aller Schuld freisprechen!"
Die Redaktion, die in anderen Fällen durchaus zensiert, sah keine Veranlassung, diese Ergüsse zu entfernen.
Angesichts solcher ekelhafter Angriffe, die Elfriede Jelinek immer wieder erdulden muss, bleibt einem keine andere Möglichkeit, als sie zu verteidigen, wenn man noch etwas von Anstand hält.
Das ist die eine Jelinek. Und dann gibt es eine andere Jelinek.
Auf der Website fiktion.cc gab die Nobelpreisträgerin sechs Jahre nach Amstetten ihre jüngsten Erkenntnisse zum Besten. Dort heißt es unter anderem:
"Nicht nur zur Verlagswelt (mit der ich übrigens nur sehr selten schlechte Erfahrungen gemacht habe), auch zum deutschsprachigen Literaturbetrieb, den ich für extrem korrupt und nepotistisch halte. Es ist ja immer lustig zu sehen, wer mit wem befreundet ist und wer wem einen Gefallen schuldig ist. Damit will ich jedenfalls nichts mehr zu tun haben. Und tatsächlich werden Bücher, die nur im Netz erscheinen, so gut wie nie besprochen. Das ist gut, also für mich ist das gut. So will ich es haben."
Man kann jedem Wort Jelineks nur zustimmen. Man kann sich aber auch nur wundern. Es ist ja in der Tat immer lustig zu sehen, wer mit wem befreundet ist und wer wem einen Gefallen schuldig ist. Denn niemand hat im deutschsprachigen Literaturbetrieb das Geschäft der Freundschafts- und Feindschaftspflege so perfekt verstanden wie just Elfriede Jelinek. Wer zu ihrer Entourage gehörte, konnte unabhängig von Verdiensten und Verfehlungen mit ihrer Unterstützung rechnen. Und wen sie als ihren Feind ansah – der hatte keinen Anspruch auf (ihre) Gerechtigkeit.
Wir gehören nicht zur Entourage. Wir gratulieren der einen Jelinek, die heute 75 wird.
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Thomas Rothschild – 20. Oktober 2021 ID 13225
Weitere Infos siehe auch: https://www.elfriedejelinek.com/
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