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nachDRUCK # 2

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Science Fiction

Bunte Vielfalt in Science Fiction



Bewertung:    



Gibt es weibliche oder männliche Science Fiction? Wer die Frage für sich selbst entscheiden möchte, kann dies mit der vorliegenden Anthologie tun. Da schreiben fünf Autoren und drei Autorinnen insgesamt zwölf Science-Fiction-Stories und erfüllen das, was gute Science Fiction ausmachen soll, sprich sie bewegen sich auf einer in sich schlüssigen Grundlage. Darauf wird dann die Fiktion gesetzt, die den Leser zu phantastischen Experimenten einlädt – das kann eine Reise in den Weltraum sein, eine Zeitreise, oder es handelt sich einfach um ungewöhnliche Vorgänge auf dem eigenen Planeten. Soweit der theoretische Hintergrund, dem alle Stories standhalten und den jede auf ihre Art erfüllt.

*

Nun zum Thema Gender, wie es auf Neuhochdeutsch so schön heißt.

Ich beantworte die anfangs gestellte Frage mit „ja“. Die „Männerstories“ sind für mich eher technikorientiert, wie etwa die Lichtzeitjagd von Sven Klöpping. Dabei begleiten wir einen Lichtarchäologen bei seiner überlichtschnellen Reise, bei der er die markantesten und seltensten Lichtkonstellationen im Universum fotografiert. Unfreiwillig gerät er dabei an brisante militärische Informationen aus der Zukunft, ein gefährliches Wissen… Seine zweite Geschichte Schwarz ist eher dem Horror zuzurechnen, denn sie schildert in beklemmenden Worten eine Fahrt in den Tod.

Grausam auch die Geschichte Kluft von Ralf Steinberg. Darin nimmt die Allgegenwärtigkeit der Onlinegesellschaft keinerlei Rücksicht mehr auf die menschlichen Bewohner, die nicht aus Bits und Bites, sondern aus Fleisch und Blut bestehen. In Amtsfreuden von Steinberg überlebt die Bürokratie den Menschen. Ameisen regieren fortan einen Staat, in dem Menschen nur noch untergeordnete Funktionen ausüben.

Michael Schmidt gelingt mit Battery der Zugang in ein Computerspiel. Dort kann er die gestellte Aufgabe selbst mit allen dubiosen wie kriminellen Einzelheiten erfüllen.

In Achim Hildebrands Nutzungsrecht geht es um Patente auf Gene. Ein rücksichtsloses Unternehmen will dabei Ureinwohner abzocken. Anders als im wahren Leben haben sich hier allerdings ausgebuffte Aliens bereits ihre Rechte gesichert. In Lieder von Freiheit und Tod lernen wir eine neue Lebensform kennen. Die merkwürdigen Wesen setzten bei Hildebrand auf die Freiheit der einzelnen Zelle. Die gilt es auch aus Gewebeverbänden zu befreien, mit fatalen Konsequenzen.

Ausgesprochen lustig und wenig „geschlechtsspezifisch“ kommt dagegen Ernst-Eberhard Manski in seiner Landebahn für den Albatros daher. Dürfen Albatrosse in ihrer tollpatschigen Art überhaupt noch fliegen, oder gefährden sie die Allgemeinheit gar die interstellaren Raumschiffe mit ihren schwerfälligen Landemanövern? Das fragt hier die Bürokratie, die diesmal in Form pflanzlicher Individuen daherkommt. Die grünen Experten machen sich die Antwort nicht leicht: Dracaena, der Drachenbaum hebt in der Debatte entschuldigend die Blattspitzen, Kaktus spürt ein leichtes Ziehen in den Dornen, eine Verwechslung zwischen Fritz-Joachim Staude und Frank-Johann Strauch führt zu Verwirrungen, und eine Brombeere schlingt böse ihre Dornen um die Wurzeln einer Yucca, die wiederum andere Sorgen hat. „Yucca betrachtete mitleidig den Echinocereus, der wie ein Häufchen Elend in sich zusammengesunken war. Es fehlte nicht mehr viel, dachte sie, und der stolze Säulenkaktus wirkte so platt wie ein Schwiegermuttersitz.“ (S. 126) Der Text ist witzig zu lesen, allerdings reizt sich das Thema schnell aus, und die Bürokratenposse kommt etwas zu ausführlich daher.

Nun zu den Frauen, die in diesem Buch eher Schwerpunkte im „Zwischenmenschlichen“ haben, soweit dieser Ausdruck auch bei der Beziehung zu Aliens bemüht werden darf...

In Karla Schmidts Plateau begegnen sich zwei Menschen in Marokko, doch Angélique ist auf einer Raumstation geboren und hat einen deutlich anderen Blickwinkel auf die Dinge, was die Spannung in der Geschichte ausmacht.

Die titelgebende Story Am Ende des Regens von Ulrike Jonack schildert einen Prüfling, der auf einer einsamen Insel ein Jahr ausharren muss. Dort gilt es die notwendige Nahrung zu beschaffen, aber auch besondere Begegnungen einzuordnen, wie etwa die mit den Bunthäutern, die beim näheren Betrachten auch für den Leser auf einmal sehr vertraut daherkommen. In Der letzte Tag im Paradies der gleichen Autorin geht es um das Duplizieren von Gegenständen - eine praktische Sache, wenn es um Gebrauchsgegenstände oder Lebensmittel geht, fatal nur, wenn dabei Menschen in den Duplikator gelangen und Beziehungen zerbrechen.

Meines Bruders Hüter von der Engländerin Nina Allan ist für mich die beeindruckendste Geschichte. Thema sind dabei Wunder und die Zeit, in der sie geschehen. In der von Achim Hildebrand übersetzten Story trifft der Protagonist Martin regelmäßig seinen Bruder, der bereits vor seiner Geburt gestorben ist. Martin kann diesen Bruder sehen, und auch der Freund seines Bruders Rye erlebt ihn, doch für seine Familie bleibt der Bruder unsichtbar. Der vierzehnte Geburtstag ist für Martin ein ganz besonderer Tag. Er bekommt eine wertvolle Armbanduhr geschenkt, und sein Bruder besucht ihn, um ihm seine wahre Herkunft zu erklären. Kurz darauf stürzt Martin, und die Uhr geht kaputt. Ein mysteriöser Mann mit Strohhut und gestreifter Sportjacke tröstet ihn und fragt, was die Uhr für Martin bedeutet. „'Die Zeit ist lebendig und wirklich', sagte ich schließlich. 'Man kann sie messen, wie Wasser oder Gold. Die Uhr ist so wunderbar. Wenn ich sie in der Hand halte, fühle ich mich, als ob ich in der Steuerzentrale des Universums stehe.'“ (S. 207) Für einen kurzen Moment bleibt die Zeit stehen. Wunder könnten vorkommen, sagt Martin, doch wichtiger sei deren Bedeutung. Die Uhr beginnt wieder zu ticken, und Martin beschließt ein Kenner der Zeit, ein Zeitgelehrter zu werden. Die Geschichte wandert behutsam um das Thema Wunder, die hier ein Teil der Realität werden, vorausgesetzt man kann sie erkennen.

* *

Der Herausgeber Michael Schmidt stellt am Ende des Buches alle Mitwirkenden in einer Kurzbiografie vor. Lediglich Fantasyguide.de selbst fehlt als „nicht fleischlicher Präsentator“ in diesem Anhang. Ein Blick auf die Homepage kann diese Wissenslücke jedoch schnell schließen.

Die Geschichten sind ausgesprochen kreativ und fantasievoll. Ich empfinde sie als gute Unterhaltung, und sie ermöglichen auch dem Nicht-Science-Fiction-Fan einen guten Einblick in das Genre.
Ellen Norten - 27. Oktober 2014
ID 8198
Michael Schmidt (Hrsg.) | Am Ende des Regens
218 Seiten, Paperback
EUR 8,90 (DE)
p.machinery Verlag Michael Haitel 2014
ISBN 978-3-942533-97-3

Weitere Infos siehe auch: http://www.pmachinery.de/unsere-bucher/androsf-die-sf-reihe-des-sfcd/androsf-band-41-50/schmidt-michael-hrsg-fantasyguide-de-prasentiert-am-ende-des-regens


Post an Dr. Ellen Norten



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