Hinter
Susan
Sontags
Rücken
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Nur noch zwei Wochen, dann ist es an der Zeit, den Wandkalender auszutauschen. Der Aufbau Literatur Kalender 2021 ergänzt nach bewährtem Muster im wöchentlichen Rhythmus ein Foto, ein Zitat und die Kurzbiographie einer Autorin oder eines Autors durch die winzigklein gedruckten Geburts- und Todesdaten von Schriftstellern aus (fast) aller Welt.
Susan Sontag ist das Covergirl der Geistesmenschen. Im vergangenen Jahr schmückte sie gleich im Januar eine Seite des zum Verwechseln ähnlichen Kalenders in der edition momente, heuer hält sie bei Aufbau bereits auf dem Deckblatt die Denkerinnenhand an die Stirn. Dazu wird sie mit folgendem Ausspruch zitiert: „Wenn ich die Welt nicht mehr ertrage, igle ich mich mit einem Buch ein, und dann bringt es mich von allem fort, wie ein kleines Raumschiff.“ Das ist zwar nicht viel intelligenter als die Standardantwort auf die Frage „womit übertauchen Sie eine Krise?“: „Mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein“ (ich rätsle immer, warum der Wein rot sein muss), und es gibt auch originellere und sympathischere Intellektuelle als Susan Sontag. Aber keine guckt so photogen in die Kamera.
Gleich hinter Susan Sontag erklärt Friedrich Dürrenmatt, was ihn von Brecht trennt. Was aussieht wie eine Parteinahme für den Skeptiker und gegen den an die Veränderbarkeit der Welt glaubenden älteren Kollegen, ist insofern bemerkenswert, als der Aufbau Literatur Kalender schon in der DDR eine Institution war. Schleicht er sich auf klandestine Weise aus dieser Tradition hinweg?
Der Kalender erinnert an in Vergessenheit geratene Giganten der Weltliteratur wie Dos Passos, Virginia Woolf, H.C. Artmann, Helmut Heißenbüttel, Gertrude Stein, Alexander Blok, Oskar Panizza, Ilse Aichinger, stellt noch vergleichsweise wenig bekannte Autorinnen und Autoren vor wie etwa Daniela Krien, Alain Mabanckou oder Donna Tartt. Neben ganz jungen Schriftstellern stehen solche aus der ferneren Vergangenheit wie etwa Sebastian Brant, bei dem anstelle eines Porträts eine Illustration zu seinem Narrenschiff erfreut. Auch bei dem Großmeister der Tierfabel Jean de La Fontaine verzichtet der Kalender auf ein Konterfei (es gibt einige) zugunsten einer Illustration von Gustave Doré. Ein Foto von Isolde Ohlbaum erinnert an Erich Fried, dessen Geburtstag sich 2021 zum hundertsten Mal jährt. Zwei, drei Seiten werde ich überblättern. Die Herausgeber sind nicht immer wählerisch. Es gibt Gesichter, von denen ich keine sieben Tage lang angestarrt werden möchte. Man hat eben seine Vorlieben und Abneigungen. Nicht nur gegenüber Dürrenmatt und Brecht.
Thomas Rothschild – 16. Dezember 2020 ID 12654
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Aufbau Literatur Kalender 2021
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