Ein
seltsamer
Ort
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Bewertung:
In Leichdorf sagen sich nicht nur Fuchs und Hase "Gute Nacht", hier geschehen auch seltsame Dinge, zufällig - oder durch eine böse Macht hervorgerufen? So liegt die Zahl der Vermissten oder Ermordeten auffällig hoch. Leichen werden allerdings, obwohl dies der Ortsname andeutet, nicht gefunden. Doch schon der Klappentext verrät, dass es welche gibt, was an einem Serienmörder liegt, der seinen Opfern gerne die Haut abzieht.
"Leng betrachtete die nackten Füße und dachte, dass er ihm auch den Rest ausziehen hätte sollen, bevor er ihn aufgehängt hatte. Aber nun war es zu spät. Manchmal hatte er Kleidung von ihnen angezogen. Aber eigentlich war dies mehr eingebildeter als realer Reiz gewesen. Eigentlich hatte dies eher dem Anderen gefallen.
Leng verstaute sein Jagdmesser in einer Schublade der verzogenen Kommode, die Karl an eine Küchenzeile erinnert hatte, und verließ das Haus.
Zurück blieben Stille und das Tropfen, das Maria für einen undichten Wasserhahn gehalten hatte." (S. 62)
Wahrlich schauerlich geht es zu, wenn die schwerverletzte Ehefrau das abtropfende Blut ihres ermordeten Gatten im Nebenzimmer hört. Dabei wollte das Paar eigentlich nur seinen Urlaub im idyllischen Leichdorf verbringen.
Andere Protagonisten haben ihr Leben in der Abgeschiedenheit des Ortes verbracht, wie Tschicko der Hundenarr, Harald, der seiner verstorbenen Ehefrau nachtrauert, der Pfarrer, dessen Kirche zur Ruine wurde oder Roland, der seine Freundin Sandra schon bald ehelichen möchte. Und dann ist da noch Dwiggi, ein einsamer Wolf mit Kindheitstraumata, die ihre Wurzeln in Leichdorf haben. Er kehrt zurück, bezieht das tief im Wald gelegene Elternhaus und lernt über Roland und Sandra Barbara kennen, die ein düsteres Geheimnis mit sich trägt, was sie für ihn anscheinend umso attraktiver macht.
Liebesidylle und Spießigkeit kontrastieren hier mit unvorstellbarer Grausamkeit, deren Ursache im Dunklen wabert. Denn der Mörder scheint mit sich selbst nicht allein zu sein, ein Anderer haust in seinem kranken Hirn, oder gibt es diesen Jemanden wirklich?
Hier kommt für mich eine Schwäche des Romans zum Tragen, denn urplötzlich entwickelt sich der Krimi in den Bereich von Horror und Phantastik. Da beißt der Mörder dem Opfer ein Stück des Kopfes, samt Schädeldecke weg, doch erkennen wir nicht, wieso der Täter auf einmal zu einem solchen Kunststück in der Lage ist. Während es beispielsweise Stephen King für mich schafft, mir die Horrorgestalt Pennywise nahezubringen, entbehren die Vorgänge in Leichdorf aus meiner Sicht einer inneren Logik. Zu lange bewegt sich die Handlung auf einer realistischen Krimiebene. Der Wechsel ins Surreale, in eine parallele Welt, hat mich überfordert. Doch vielleicht empfindet ein weniger kritischer Leser den Plot als gelungene Überraschung und gruselt sich wohlig bei der Lektüre. Irritierend bleibt für mich auch anzumerken, dass der Autor in seinem Nachwort ein alternatives Ende aufzeichnet, das mich nun vollends verwirrt hat. Dennoch sind die Vorgänge im Buch spannend geschildert und - für den Golkonda Verlag typisch - sehr attraktiv in Buchform gebracht.
Ellen Norten - 29. April 2022 ID 13596
https://golkonda-verlag.com/
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