Kompendium
zum Sadismus
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Bewertung:
Die Schriften des Marquis de Sade verleihen den Abartigkeiten der menschlichen Seele ihren Namen. Gewaltpornografie, Kannibalismus und Folter haben Konjunktur. Veit Etzold liegt deshalb mit seinen Serienmördern, Satanisten und Psychopathen goldrichtig. Mit seinem siebten Fall um die Patho-Psychologin Clara Vidalis soll der schreibende Wirtschaftswissenschaftler und Berater internationaler Unternehmen die Bestsellermillionengrenze überschritten haben.
Zum Inhalt: Der Blutgott, ein mysteriöser Unbekannter im Internet, schart Jünger um sich, die er zu fantasievollen und besonders grausamen Morden animiert. Er verspricht den Tätern Straffreiheit, denn er stiftet Jugendliche zu den Taten an, die unter vierzehn Jahre alt und damit nicht strafmündig sind. Die kindlichen Täter quälen in einem Zugabteil eine Frau zu Tode und opfern dem Blutgott am Kottbusser Tor in Berlin eine ganze Reisegruppe - zufällig ausgewählte Menschen, die mit Messern und Beilen von ihnen hingemetzelt werden.
Für die Ermittler beginnt eine schwierige Arbeit. Clara Vidalis und ihre Kollegen kennen sich aus, können Vergleiche zu vergangenen wahren Fällen herstellen. Dies geschieht für den Leser erhellend, zeigt Umfeld, Gründe und Täterpersönlichkeiten.; ob Degowski im Gladbecker Geiseldrama, ob Bonnie and Clyde in den USA oder Haarmann in Hannover. Das ist interessant und keineswegs voyeuristisch dargestellt. Anders dagegen die Handlung im Thriller und die Hinleitung dazu. So erkenne zumindest ich Hannover in dieser Schilderung nicht wieder.
"Die ganze Stadt war wie ein riesiger Gotcha!- oder Paintball-Park. Ein 'The Purge' -Live-Rollenspiel des Todes. Eine Stadt, die attraktiv für das Verbrechen war. Es hatte ein klares Ziel gegeben, und das war auch erreicht worden. Ein Ziel, das sich fast alle Kommunalpolitiker und Bürgermeister in Deutschland auf ihre Fahnen geschrieben hatten und dieses mit einer Beharrlichkeit verfolgten, mit der sie sonst nur an ihren Sesseln klebten oder ihre Pensionen sicherten. Das Ziel war einfach und in den meisten Städten so gut wie erreicht, für Hannover aber galt das ganz besonders: Aus öffentlichen Räumen Angsträume zu machen." (S. 115)
Tatort ist aber selten die öffentliche Stadt, im Internet sind alle Spielarten des Todes erhältlich. Täterschaft bedeutet heutzutage nicht unbedingt sich selbst die Hände blutig zu machen. Das Darknet, in dem Nutzer kaum bis gar keine Spuren hinterlassen, ist Tummelplatz für einen verbrecherischen Markt. Videos werden dort für fünf- bis sechsstellige Beträge gehandelt, Filme, in den Menschen zu Tode gefoltert werden, kein Fake, sondern bestialischer Mord.
Das bedienen natürlich auch der Blutgott und seine Follower. Warum die jugendlichen Täter jedoch auf ihren Gott hereinfallen, wieso sie im Alter von dreizehn Jahren zu kaltblütigen Mördern werden, erklärt das Buch leider nicht.
Es ist zugegeben ein spannendes Buch, geschrieben von einem Autor, der gerne Kritik an deutschen Organisationen, seien es die Kriminalämter oder an der deutschen Bahn übt. Diese Kritik ist sicher berechtigt, im Stil jedoch überheblich und anmaßend. Das Buch lässt bei mir einen schalen Geschmack zurück, hier kämpfen Fakten und Informationen gegen stumpfen Voyeurismus und inszenierte Gewalt. Ich befürchte, dass die hohen Auflagen des Autors leider weitgehend auf letzteres zurückgehen.
Ellen Norten - 12. März 2021 ID 12807
Verlagslink zum
Blutgott
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