Falsche Freunde
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Sechs Menschen wollen sich auf der Insel Inishmore treffen, um dort den zehnten Todestag ihres gemeinsamen Freundes, Bruders und Ehemannes zu begehen. Der junge Familienvater Cilian verunglückte damals am Silvestertag beim Fischfang. Seitdem haben die Freunde verschiedene Wege eingeschlagen. Drei von ihnen leben in Metropolen, doch sie alle stammen bis auf Cara, die Inselpolizistin, von dem winzigen Eiland und kennen sich von Kindheit an. Das Treffen steht unter einem schlechten Stern, denn das Wetter schlägt um, ein Schneesturm schneidet die Insel vom irischen Festland ab.
Als Maura, die Grundschullehrerin, die nach wie vor auf der Insel lebt, nicht erscheint, suchen die Freunde zunächst nach einer harmlosen Erklärung. Doch wenig später wird ihre Leiche im Serpent`s Lair, der sogenannten Schlangenhöhle, gefunden. Es ist kein Unfall, sondern die junge Frau wurde ermordet und im Wasser „entsorgt“. Der Todeszeitpunkt, den die Inselärztin einkreisen kann, macht deutlich, dass sich der Mörder noch auf der Insel befinden muss, denn er kann diese genauso wenig verlassen, wie die Kriminalbeamten vom Festland diese erreichen können. Also beginnt die Inselpolizistin Cara und Witwe von Cilian zu ermitteln. Getrieben von Trauer und Verzweiflung durch den Tod ihrer Freundin überschreitet sie dabei ihre Kompetenzen und gerät in Gefahr.
"Cara rannte zur Tür. Doch der eisige Windstoß, der ihr Gesicht traf, und die wehenden Vorhänge machten klar, dass der Besucher bereits wieder geflohen war. Cara lief zum Fenster und sprang hinaus. Sie landete auf der verschneiten Bank unterhalb des Fensters, rollte auf den Rücken und kam auf die Füße. Die Taschenlampe hielt sie noch immer in der Hand. Einen Lichtbogen der Verzweiflung in die Dunkelheit zeichnend, schwenkte sie sie nach rechts und links. Sie war so knapp davor gewesen, herauszufinden, wer hinter all dem steckte. Hinter diesem Alptraum. Doch der Eindringling war verschwunden." (Schneesturm von Tríona Walsh, S. 235)
Die rauhe Inselwelt wird von der Autorin überzeugend ins Bild gesetzt. Der ewige Sturm und die brausende See lassen einen schon beim Lesen frieren, und auch die alteingesessenen Insulaner schildert Trìona Walsh aus Insidersicht. Sie halten ihre irische Sprache lebendig und treten der vor Jahren zugereisten Cara immer noch mit Argwohn entgegentreten. Wir lernen Aberglauben kennen, wie z.B. die Tradition am Neujahrstag einer rothaarigen Person auszuweichen, denn das würde Unglück bringen.
Dieser besondere Rahmen tröstet zu Beginn der Lektüre über den etwas langsamen Start der Handlung hinweg. Schneesturm erinnert im Ganzen an einen Krimiquizz. Da werden fünf Personen vorgestellt und wir können anhand der geschilderten Charaktere entscheiden, wer der Mörder sein müsste, und so löst sich der Fall. Die Indizien und Recherchen deuten auf den Mörder hin, doch Walsh hält noch einen weiteren unerwarteten Trumpf in der Hand, der zum Unfall von Cilian gehört. So wird der zehnte Jahrestag seines Todes gleichzeitig zur Abrechnung mit den (falschen) Freunden. Ein etwas langatmiges Buch mit viel Inselpathos und Psychologie.
Ellen Norten - 28. Dezember 2023 ID 14542
S. Fischer-Link zum
Schneesturm von Tríona Walsh
Post an Dr. Ellen Norten
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