Eifersucht hinter
Klostermauern
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Als Madre Benedetta, die Äbtissin von Santa Caterina beim Ave-Maria zusammenbricht, sind nicht nur die beiden anderen Bewohnerinnen des Klosters zugegen, sondern auch ihr Neffe Matteo und sein Freund Luca. Die beiden Männer drehen einen Fernsehfilm über das Leben der letzten Nonnen in dem berühmten Kloster. Die Äbtissin stirbt kurz danach an den Folgen des Zusammenbruchs. Obwohl nichts auf einen unnatürlichen Tod hindeutet, hält Matteo ein Gewaltverbrechen für wahrscheinlich. Doch wer ermordet eine siebenundachtzigjährige Nonne, und welche Motive könnten dahinterstecken?
Matteo und Luca suchen danach im Kloster und erleben dort ein Leben der besonderen Art, ein Leben, das trotz aller Zurückgezogenheit oder vielleicht gerade deshalb nicht mehr funktioniert. So steht nun der Verkauf der wertvollen Immobilie an, was habgierige Investoren auf den Plan ruft. Könnten sie ein Gewaltverbrechen initiiert haben?
Völlig anderer Meinung dazu ist Ada. Die Freundin von Luca glaubt zwar auch an Mord, sieht die Motive jedoch in einem um die 180 Jahre alten Tagebuch. Was zunächst nach blühender Phantasie riecht, kristallisiert sich als unheimliche Verbindung heraus.
"Wenn sie aus den kleinen Bohnen Öl herstellt, schickt sie alle Mädchen weg, und auch mich hat sie immer gebeten zu gehen. Sie bekreuzigt sich, bevor sie die Samen zerstößt, um dieses Rizinusöl zu gewinnen, das sie denen verabreicht, die sich den Magen verdorben haben oder an Übelkeit leiden. (…) Gestern beobachtete ich, wie sie sich bekreuzigte, als sie die kleinen Bohnen des Wunderbaums zerstieß. Die Reste warf sie voller Ekel in einen Korb in der Ecke des Gartens, wo wir Abfälle und Unkraut sammeln. Am nächsten Morgen ging ich in der Früh in den Garten und fand den Korb umgestoßen. Lou der kleine Hund von Madre Leonora, den sie über alles liebt, lag tot daneben." (S. 232)
Die Aufzeichnungen stammen von Lili, oder besser gesagt von Crocefissa, die ein unrühmliches Ende im Kloster fand. Im Tagebuch lernen wir zunächst eine lebenslustige und gebildete Frau kennen, die von ihren wohlhabenden Eltern ins Kloster gegeben wird. Dort existiert eine Zweiklassengesellschaft, deren Klassenzugehörigkeit von den Spenden der Angehörigen abhängt. Die mögliche Bildung hinter Klostermauern ist zwar für Lili erstrebenswert, am totalen Verzicht auf Liebe und Leidenschaft scheitert sie jedoch.
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Die tiefen Einblicke in das Klosterleben, damals wie heute sind spannend, zudem entwickeln die beiden Handlungen zunehmend unerwartete Parallelen. So sind die Klosterkapitel überzeugend geschrieben.
Die 1973 geborene Autorin Ann Baiano schreibt unter Pseudonym, Sie übersetzt sizilianische Autoren ins Deutsche. Nach Angaben des Verlags hat sie vier Jahre in Palermo gelebt. Das merkt man dem Buch leider kaum an, da das sizilianische Flair weitgehend auf der Strecke bleibt. Und es ist schade, denn der Journalist Luca, der bereits zum dritten Mal kriminalistisch ermittelt, könnte deutlich mehr Farbe und Persönlichkeit gebrauchen, so bleiben er, ebenso wie seine Freundin Ada blutleer und wenig überzeugend.
Ellen Norten - 12. August 2018 ID 10844
Verlagslink zu
Sizilianisches Verderben
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