Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 2

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Science-Fiction

Mutig oder

absurd?





Bewertung:    



Science-Fiction spielt in und mit der Zukunft. Wieweit diese Zukunft reicht, ist dem Autor überlassen. Das können 50 Jahre sein oder auch zweitausend. Je ferner diese Zukunft liegt, um so kühner werden die Fantasien über eine neue Ordnung der Welt oder der Welten, denn oft gibt es Begegnungen mit anderen Zivilisationen anderer Planeten, vielleicht auch aus anderen Universen.

Andreas Brandhorst wagt den Schritt in eine für uns unendlich weit entfernte Zeit. Was wird in 6 Millionen (!!!) Jahren sein. Bei ihm hat ein einziger Mensch überlebt, und das klingt erst einmal recht kitschig. Dieser Mensch lebt in einem Universum, das sich kaum noch an alles von uns Bekannte anschließt. Die Erde ist unbewohnbar, die Menschen, die einst einer Hochkultur (immerhin) angehörten, sind wie andere Zivilisationen verschwunden. Das ist eigentlich logisch, denn wenn wir den umgekehrten Blick in die Vergangenheit wagen, dann landen wir in etwa im Kambrium; den Menschen, selbst die Gattung Homo, gab es da noch nicht.

Die allermeisten Arten in der Entwicklungsgeschichte der Erde sind heute ausgestorben. Einige davon waren in evolutionäre Sackgassen geraten, andere sind zwar verschwunden, haben jedoch ein enormes evolutionäres Vermächtnis hinterlassen. Große Entwicklungsschübe gab es stets nach Massenaussterben, die in den allermeisten Fällen auf globale Klimaveränderungen zurückgeführt werden können.

Sechs Millionen Jahre in die Zukunft spekuliert, was erwartet uns da? Viele Hochkulturen, die entstanden sein könnten, sind wieder ausgestorben, andere wie die von Brandhorst kreierten "Moy" kontrollieren das Weltall. Da es diese Zivilisation, wie auch andere im Roman vertretene, noch nicht gibt, vermutlich auch nie geben wird, findet sich im Anhang des Buches ein zwölfseitiges Glossar. So wird es möglich sich in der imaginären Zukunft zurecht zu finden.

Die Handlung kommt dagegen fast profan daher. Aron, der letzte Mensch sucht möglicherweise verbliebene Artgenossen im Andromedanebel, unterstützt von der Bordintelligenz Sal, die fast als Freund daherkommt. Begleitet wird er von Curax, einem sogenannten Blender, ein Außerirdischer, dessen gute oder schlechte Absichten nicht offensichtlich werden.

Diese eher schlichte Handlung wird aufgewogen durch die fulminanten Schilderungen der Vorgänge im Weltall. Ob die Astrophysik dahinter funktioniert, kann ich nicht beurteilen, doch Brandhorst ist ein versierter SF-Autor, dem umfangreiche Recherchen zugetraut werden können.


"Die runde zweidimensionale Clusterkarte wurde zu einer Kugel, die sich schnell ausdehnte und den ganzen Nukleus füllte. Kosmische Filamente aus gewaltigen Galaxienhaufen strichen an Aron (…) und Curax vorbei, drehten sich langsam wie in einem besonderen Wind. Für einen Moment verglich Aron sie mit DNS-Helices und stellte sich das Universum als einen immensen Organismus vor, dessen Funktionen von der Anordnung und Zusammensetzung der Galaxiencluster bestimmt wurden." (Ruf der Unendlichkeit, S. 196)


So könnte eine Sternenkarte am Rande des Universums aussehen. Beim Nukleus, so besagt es das Glossar, handelt es sich schlicht und ergreifend um das Kontrollzentrum des Raumschiffs. Doch spannender ist die Schilderung der Karte. Allein der Virgo-Haufen, an dem sich die Bordintelligenz Sal orientiert, umfasst etwa hunderttausend Galaxien und hat eine Ausdehnung von fünfhundertzwanzig Millionen Lichtjahren. Zeiträume und Entfernungen werden in diesem Buch geradezu inflationär gehandelt. So rechnet der Autor später in Jahrmilliarden, die Zeit wird relativ, und er versucht eine Erklärung der Vorgänge vom Anbeginn der Zeit bis hin in die Unendlichkeit.

Vielleicht soll hier eine Art von Religionsersatz angeboten werden, denn bestehende Glaubensrichtungen mit ihren Vorschriften und ihrem missionarischen Eifer gelangen schwer in die Kritik. Das Buch ist zweifelsohne interessant, überholt herkömmliche Science-Fiction und stellt sich damit fast außerhalb jedes Vergleichs. Wer sich auf die Gedankenexperimente von Andreas Brandhorst einlassen will, ist gut bedient und kann sich der Faszination des Universums und seiner Rätsel hingeben. Wem diese jedoch zu abstrakt oder gar abstrus daherkommen, sollte das Buch besser zur Seite legen.


Ellen Norten - 8. Februar 2023
ID 14040
Fischerverlage-Link zu Ruf der Unendlichkeit


Post an Dr. Ellen Norten

Buchkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeige:


LITERATUR Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUTORENLESUNGEN

BUCHKRITIKEN

DEBATTEN

ETYMOLOGISCHES
von Professor Gutknecht

INTERVIEWS

KURZGESCHICHTEN-
WETTBEWERB
[Archiv]

LESEN IM URLAUB

PORTRÄTS
Autoren, Bibliotheken, Verlage

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal





Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)