Behauptung
und Verweigerung
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Peter Iden gehört zu der letzten Generation von Theaterkritikern, die man heute, nicht unbedingt bewundernd, „Großkritiker“ nennt. Zusammen mit Wolfram Schütte und Hans-Klaus Jungheinrich prägte er über Jahrzehnte hinweg das Feuilleton der Frankfurter Rundschau, die damals als die linksliberale Alternative zur Frankfurter Allgemeinen, zur Süddeutschen Zeitung und zur Welt galt und überregional, insbesondere von jenen, die der so genannten Studentenbewegung nahe standen, gelesen wurde. Auch Peter Iden war von den Vorgängen um 1968 infiziert – das hat sich später geändert –, und die Artikel, mit denen er Aufführungen, Regisseure, Schauspieler und Institutionen mit einem Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen begleitete, waren angesehen und Pflichtlektüre für jeden, der am Theater Interesse hatte.
Aber Iden schrieb auch über bildende Kunst. Jetzt ist unter dem Titel Die Macht der Bilder eine Sammlung von Beiträgen zur Kunst aus fast sechzig Jahren erschienen, die sich in ihrer Gesamtheit fast wie eine Enzyklopädie der zeitgenössischen – vorwiegend: der deutschen – Kunst ausnimmt. Das Spektrum der in chronologischer Reihung zum Teil mehrfach diskutierten Künstler reicht von Joseph Beuys bis Anselm Kiefer, von Markus Lüpertz bis Bazon Brock, von Rebecca Horn bis Georg Baselitz, von Werner Tübke bis Wolfgang Mattheuer, von Arnulf Rainer bis Markus Prachensky, von Robert Rauschenberg bis Mark Rothko, von George Segal bis Marina Abramović. Die große Zahl bekannter Namen und die Vielfalt der Richtungen, für die sie stehen, zeichnen den Kunstkritiker gegenüber dem Kunsthistoriker aus. Dieser kann es sich leisten, über Jahrzehnte hinweg an seinem bevorzugten Lieblingsthema zu verharren. Jener muss seine Leser über Tendenzen, möglichst in ihrer ganzen Breite, informieren. Das wirkt sich auch auf die Form aus. Idens Texte sind konzis, pointiert, ohne Fachwissen verständlich. Von schlechteren Kunstkritiken unterscheiden sie sich durch den Verzicht auf Leerformeln und pure Äußerungen des eigenen Befindens – sei es der Begeisterung, sei es der Langeweile.
Peter Iden ist kein Dogmatiker. Er war stets offen für sehr unterschiedliche Auffassungen und Ausführungen von Kunst (und was er partout nicht mochte, hat er eben ausgespart). Einen Beitrag über Markus Lüpertz beginnt er mit dem Satz: „Kunst ist immer auch: Behauptung.“ Und einen Artikel über Bazon Brock beendet er mit einem Zitat des Künstlers: „Die großen, weil unvergleichlich mühevollen Taten sind die der Verweigerung und Verhinderung.“ Die beiden Sätze sind kaum mit einander vereinbar. Aber sie sind beide wahr.
Thomas Rothschild – 21. Oktober 2019 ID 11757
Verlagslink zu
Die Macht der Bilder von Peter Iden
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