Krimi oder
Klamauk?
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Bewertung:
Das Reizwort heißt "70er-Jahre Krimi", das war die Zeit meiner Jugend und zieht mich an. Ein Ermittler ohne Handy und Internet, der zum Recherchieren noch die Bibliothek aufsuchen muss, ist schon fast Zeitgeschichte. Dass selbiger Hobbydetektiv sich jedoch einen Traktor als Transportmittel zulegt und mit diesem sogar auf die Autobahn fährt, ist weder originell noch der Handlung zuträglich.
Überhaupt erleben das Ermittlertrio Theo Kettling, Lieselotte Larisch und Sabine von der Band Hill Cats Abenteuer, die mit dem eigentlichen Krimi nicht in Verbindung stehen, diesen aber in die Länge ziehen und in Belanglosigkeiten abgleiten lassen. So wird langatmig ein Schiffsausflug auf dem Biggesee geschildert, bei dem sich eine Hochzeitsgesellschaft und ein Kegelverein prügelnd in die Haare geraten, Dick und Doof lassen grüßen.
Ach so, die eigentliche Handlung. Theo und Sabine lernen am Chiemsee ein Ehepaar kennen. Die Frau ist depressiv und ertränkt sich noch in derselben Nacht im malerischen Gewässer. Mord oder Selbstmord ist die kriminalistische Frage? Die Tatsache, dass die Ehefrau eine eineiige Zwillingsschwester mit einer kriminellen Vergangenheit hat, die zudem seit Jahren verschollen ist, lenkt Leser wie Ermittler in die richtige Richtung.
"'Ich weiß, was sie sagen möchten meine Liebe. Das nämlich die kriminelle ‘Karriere’ der Marion Nelling ein großes Unglück war – für die Opfer und ihre Angehörigen wie auch für ihre eigene Familie. Und dass es zwar höchst bedauerlich ist, wenn auch noch die Schwester mit ihrer Depression Grund zur Sorge gibt und sich unter den Einfluss dieser schlimmen Krankheit schließlich das Leben nimmt. Das es aber, so furchtbar das alles auch sein mag, nun mal Familien gibt, denen ein solch doppeltes Maß an Unglück widerfährt.' Äußert Lieselotte Larisch gegenüber ihren Mitstreitern." (Michael Wagner, Still ruft der See, S. 84)
Auch stört es, dass immer wieder Bezüge zu alten Fällen, also den Vorgängerromanen, genommen werden, die natürlich nicht zu viel verraten, denn vielleicht möchte man sich die Werke auch kaufen, was den Autor natürlich freuen würde. Insgesamt wird in diesem Buch viel erzählt, was nicht der Handlung dient. Warum jedoch das Ermittlerteam zusammen arbeitet, wo sich die ehemalige Schuldirektorin, die Bandsängerin Sabine und der traktorfahrende Frührentner Theo kennengelernt haben, bleibt offen.
In der vierzehnseitigen (!) Danksagung bedient der Autor eine Fangemeinde, von der ich nicht weiß, ob es sie überhaupt so gibt. Selbst der Titel wird in seiner Entstehung diskutiert, ein Titel, der eigentlich schon sprachlich nicht funktioniert, denn wie kann ein See „still“ rufen. Vielleicht hätte mich dies gleich von der Lektüre zurückschrecken lassen sollen, aber die siebziger Jahre hatten es mir wohl angetan.
Ellen Norten - 8. Dezember 2020 ID 12641
LV-Link zum Krimi
Still ruft der See
Post an Dr. Ellen Norten
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