Achtzig
Jahre
in die
Zukunft
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Bewertung:
2104 - dieses Jahr mögen einige Enkel von uns noch erleben. Es ist Zukunft, aber die liegt nicht allzu fern, und die Schilderungen von Kathleen Weise könnten dann Realität sein: Es gibt Raumstationen, und das Asteroid Mining ist ein vielversprechender Wirtschaftszweig. Die sogenannten Spaceworker sind die Helden der neuen Generation. Wir verfolgen deren abenteuerliches Leben. Natürlich kommt da eine gehörige Portion Faszination mit ins Spiel, aber die Autorin weiß auch die harten Bedingungen zu schildern, unter denen die Menschen im All leben; die komplizierten Sicherheitsmaßnahmen, die allgegenwärtige Unfallgefahr und die gnadenlose Strahlung, die die Gesundheit ruiniert.
In der Raumstation Chione arbeitet eine Crew, die die Jupitermonde erkundet, Vorposten im Weltraum, die eine Erzausbeutung vorbereiten sollen. Doch es kommt zu einem mysteriösen Unfall und einem Fieber, dessen Ursachen völlig im Dunkeln liegen…
"Und Bea hat einfach so aufgehört zu atmen, während sie noch Sams Hand gedrückt hielt. Wie ein Kind hat er sich an sie geklammert und geweigert, sie gehen zu lassen, denn hier draußen, wo es außer ihm und zwei Mäusen niemanden weiter gibt, bringt der Tod eine Einsamkeit mit sich, die nur schwer zu ertragen ist.
In allen Einsätzen, in jedem Krisengebiet, in dem er war, gab es immer noch Menschen irgendwo. Doch hier hinter dem Gürtel ist niemand mehr außer ihm. Nicht mal der Feind hinter der nächsten Häuserecke. Keine Zivilisten, keine entfernten Coptergeräusche, nur das beständige Rauschen der Station." (S. 109)
Sam und zwei Mäuse sind die Überlebenden, die nächsten Menschen befinden sich achtzehn Monate entfernt. Auf der Erde streiten sich die Interessensvertreter, ob und wie dieser einzelne Mensch gerettet werden soll. Finanzielle Interessen stehen dabei im Vordergrund. Die Firma Space Rocks, die die Station finanziert, betreibt ein undurchsichtiges Spiel, und hinter den Kulissen werden noch andere, rätselhafte Güter verschoben. Wer letztendlich das Rennen macht, wird jedoch nicht von den Entscheidungsträgern bestimmt, sondern eine besondere Situation im All sorgt für ein unerwartetes Ende…
In ihrem persönlichen Nachwort begründet die Autorin, warum ihr Roman nicht unter Science-Fiction fällt. Ihr physikalisches Hintergrundwissen sei für echte Science, also Wissenschaft zu gering, noch verfüge sie über die nötigen technischen Kenntnisse, die einen „echten“ SF bestimmen. Doch dieses Argument dürfte wohl für viele Autoren gelten, die ihr Werk dennoch als SF verkaufen. Mir scheint hier ein anderer Aspekt bei dieser Kategorisierung eine wichtige Rolle zu spielen. Noch in den siebziger Jahren gab es in Deutschland eine Faszination für technische Themen. Der utopische Roman in der DDR und die faszinierenden SF-Abenteuer in der Bundesrepublik lockten Leser und galten als gutes Verkaufsargument. Das stellt sich heute genau umgekehrt dar. Atomkraft und Gentechnik, um nur einige Themen zu nennen, sorgen bei vielen Menschen für eine Ablehnung modernen Technologien, so auch der obendrein teuren Raumfahrt. Science-Fiction gilt zudem unberechtigt als Heftchenliteratur, manchmal sogar als Schund. Da konnten auch ein Stanisław Lem oder ein Isaac Asimov wenig dran ändern.
So fällt Der vierte Mond einfach in die Kategorie Roman, es ist eben ein Buch, ein sehr spannendes Buch, bei dem viele Handlungen zufällig im Weltraum spielen, ein Roman, faszinierend, spannend und gut geschrieben, dazu in einem sehr modernen Sprachduktus.
Ellen Norten - 17. November 2021 ID 13301
Heyne-Link zu
Der vierte Mond
Post an Dr. Ellen Norten
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