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Politisches Sachbuch

Globale

Gerechtigkeit





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Es gibt sie ja noch und zum Glück immer wieder, die Menschen, die aufbegehren und Widerstand leisten gegen das Unrecht auf dieser Welt, die nicht nur Privilegien für die eigene Gruppe ergattern wollen und, unter dem Vorwand der Gleichberechtigung, das Recht, vom größeren Unrecht zu profitieren, sondern globale Gerechtigkeit auch und gerade für jene, denen sie selbst nicht angehören. Ihnen geht es nicht um den eigenen Vorteil, sondern um ein humanistisches Prinzip. Noam Chomsky ist vielleicht der bekannteste und angesehenste – daher auch am unflätigsten angefeindete – Repräsentant dieses Typs, aber er ist nicht der einzige.

Allerdings neigen die meisten politischen Aktivisten dazu, ihre spezifische Agenda zu verabsolutieren und gegen andere emanzipatorische Aktionen auszuspielen. Zu groß ist die globale Misere, als dass man sich um alles kümmern könnte. Also muss man, um die Notwendigkeit des eigenen Kampfes größer erscheinen zu lassen, andere Gefährdungen verkleinern. Solche Grabenkriege zwischen Menschen und Kollektiven, die eigentlich das Gute wollen, schaden allen. Zumal viele Missstände mit einander zusammenhängen. Die längst eingetretene Klimakatastrophe und der Hunger in weiten Teilen der Welt, Kinderarbeit und Ausbeutung durch die Industrienationen sowie die Zerstörung der Natur, der Sexismus und der Rassismus sind nicht konkurrierende Malaisen, zwischen denen sich der redliche Mensch entscheiden muss. Sie bedingen einander wechselseitig. Wenn Roger Hallam von Extinction Rebellion den Holocaust bagatellisiert, um dem Kampf gegen die Bedrohung durch die Klimakatastrophe Nachdruck zu verleihen, argumentiert er ebenso einseitig wie seine Gegner, die auf einem Alleinstellungsmerkmal des nationalsozialistischen Genozids bestehen und nicht wahrhaben wollen, dass die mangelnde Bereitschaft, den Klimawandel radikal zu stoppen, einem Genozid gleichkommt, der im Übrigen, anders als der Holocaust, noch abzuwenden wäre, wenn man sich nur dazu entschlösse, zu handeln.

*

David Goeßmann und Fabian Scheidler vom Fernsehmagazin Kontext TV haben Persönlichkeiten aus aller Welt nach ihrem Kampf um globale Gerechtigkeit befragt. Die Auskünfte, die sie erhalten haben, kann man in einem Buch des Wiener Promedia Verlags nachlesen, der sich selbst den Kampf gegen politisches Unrecht zum Programm gemacht hat. Dabei besticht die sachliche Nüchternheit, die fast völlige Absenz von agitatorischem Eifer in den Antworten. Die indische Physikerin Vandana Shiva etwa belehrt: „Weil Wachstum nur die kommerziellen Transaktionen misst und dabei die Abnutzung der Natur, die Zerstörung von Leben und von Lebensräumen der Armen außer Acht lässt und externalisiert, ist Wachstum tatsächlich ein Prozess, der Armut herstellt und vertieft, statt Armut zu bekämpfen.“ Das bleibt nicht bloß Behauptung. Shiva sowie andere Befragte des Bandes – einige haben bezeichnenderweise den „Alternativen Nobelpreis“ erhalten – belegen ihre Thesen mit zahlreichen Beispielen.

Alle nehmen die Bedrohungen ernst, aber sie unterscheiden sich im Optimismus oder im Pessimismus bezüglich der Erfolgsaussichten von Widerstandsbewegungen und den Prognosen für die Zukunft. Die Kanadierin Maude Barlow beispielsweise beteuert in Bezug auf den „Kampf ums Wasser“: „Wir haben unsere Bewegung wachsen sehen und sie wächst immer noch.“ Der Journalist Harald Schumann hingegen argwöhnt: „Das Modell, von dem die Europäer meinten, dass es sie von vielen anderen Gegenden der Welt unterscheide – nämlich auf soziale Gerechtigkeit achten, Absicherung für schwere Lebenslagen, also der sogenannte Rheinische Kapitalismus, der in ganz Europa, außer vielleicht in Großbritannien, Rückhalt hatte –, dieses Modell soll im Grunde geschleift werden.“

Die Aspekte, die in dem Buch angesprochen werden, sind vielfältig. Sie reichen von der Exploitation der natürlichen Ressourcen über die europäischen und nordamerikanischen politischen und wirtschaftlichen Konflikte bis zur anhaltenden Ausbeutung der sogenannten Entwicklungsländer. Eine Stärke des Bandes ist, dass die Fachleute durchweg auf die Notwendigkeit politischer Aktion setzen statt, wie heute verbreitet, auf sprachliche Retuschen. Ein Manko ist es, dass Osteuropa und Russland nicht vorkommen. Dass sie intern wie gegenüber ihren Nachbarn keine Probleme hätten mit der (sozialen, wirtschaftlichen, politischen) Gerechtigkeit, wird wohl niemand behaupten wollen. Die Fixierung der Herausgeber auf den traditionellen Raum des fortgeschrittenen Kapitalismus ist selbst ein Ausfluss der mangelnden globalen Gerechtigkeit, den wir als Erbe des Kalten Krieges aufgesogen haben.


Thomas Rothschild – 7. Dezember 2019
ID 11872
Link zum Sachbuch Kampf um globale Gerechtigkeit


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