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Louise Pennys neuester Kriminalroman Hinter den drei Kiefern gehört zweifellos zu den Buchveröffentlichungen dieses Herbstes, deren deutsche Covergestaltung den Leser auf die falsche Fährte lockt. Dasselbe gilt für den deutschen Titel. Der Originaltitel Glass Houses wäre in jeder Hinsicht passender gewesen. Was hier insgesamt nach einem idyllisch anmutenden Herbst-Schmöker aussieht, entpuppt sich als hochkarätiger Krimi, der es in sich hat.

Pennys Serienheld ist Armand Gamache, der Polizeichef der Provinz Québec, der mit einem zugegebenermaßen peniblen Gerechtigkeitssinn ausgestattet ist und schon einige Fälle gelöst hat. Im aktuellen Roman der Gamache-Reihe kämpft er gegen ein gewaltiges Drogensyndikat.

In Three Pines, umgeben von dem beharrlichen Wäldermeer Kanadas, herrscht auf den ersten Blick tatsächlich so etwas wie eine Idylle vor. Jedenfalls mutet das Dorf mitsamt seinen schrulligen Einwohner so an. Dann jedoch dämmert der Morgen von Halloween herauf und vieles ändert sich. Auf dem Marktplatz erscheint eine finster gekleidete Gestalt. Niemand kennt diese Person. Auch Gamache, der ein Ferienhaus in diesem Dorf besitzt, das etwa hundert Meilen von Montréal entfernt ist, gelingt es nicht, mit dieser Person ins Gespräch zu kommen. Kurz darauf nun taucht eine Leiche auf, doch Gamache sieht sich außerstande, etwas Sinnvolles zu unternehmen, geschweige denn den Mord aufzuklären. Ihm fehlt schlichtweg die Idee. Als er sich Monate später vor Gericht verteidigen muss, ist ihm selbst noch immer unklar, ob sein Plan zur Überführung des Mörders, den er damals gefasst hat, aufgeht.

Die Erzählstruktur des Romans stellt sich wie folgt dar: Penny berichtet parallel die Mordgeschichte und die spätere Gerichtsverhandlung, so dass dem Leser unterschiedliche zeitliche Ebenen des Geschehens angeboten werden. Insbesondere die Gerichts-Szenerie eröffnet einen intimen und äußerst spannenden Einblick in die Psychologie der handelnden Personen, namentlich in deren moralischen Sinn für Recht und Unrecht. Dabei wird deutlich, wie volatil moralische Sensibilitäten mit Blick auf wechselnde Kontexte sind, und in welchem Ausmaß durch Faktoren unterbestimmt, die keinesfalls als genuin moralische Indikatoren gelten.

Das ist eine beachtliche Leistung für einen Krimi, entspricht es doch den moraltheoretischen Debatten unserer Gegenwart, die sich längst nicht mehr mit grobkörnigen ethischen Forderungen begnügen, sondern die feinmaschige Psychologie von Handlungen und Werturteilen in unterschiedlichen Kontexten bewerten. So gelangt Gamache etwa in vielen Situationen an die Grenzen seines moralischen Sinns, so dass er dazu gezwungen wird, nicht-moralische Faktoren wie etwa Affekte in seine Überlegungen einfließen zu lassen. Genau dieses moralische Gegengewicht erhöht im Fortgang der Handlung nicht nur die Komplexität, sondern auch den Unterhaltungswert seiner kriminologischen Analysen.

Natürlich ist ein Ermittler kein Richter. Andererseits bleibt es nicht aus, dass der Polizist Gamache die Verbrechen bewertet, die er aufzuklären hat. Darüber hinaus will er sich selbst gegenüber Rede und Antwort stehen, jedenfalls ist diese Figur mit ihren hohen moralischen Skrupeln so angelegt, dass sie dieses Bedürfnis unaufhörlich empfindet.

Das alles ist ein Riesenvergnügen für einen krimi-begeisterten Leser, der nicht nur den üblichen Thrill sucht, sondern eine analytische, gelegentlich fast moralphilosophische Geschichte vorzieht. An Spannung mangelt es diesem Roman also mitnichten. Im Gegenteil: Hinter den drei Kiefern ist der unbestrittene Gewinner der Kriminalliteratur in diesem Herbst und sei daher wärmstens anempfohlen.


Jo Balle - 4. November 2018
ID 11018
Link zum Buch: http://kampaverlag.ch/louise-penny-hinter-den-drei-kiefern/


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