Zicken und
Skandalnudeln?
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Bewertung:
Um ehrlich zu sein, von den achtundzwanzig Frauen, die im Buch vorgestellt werden, ist mir keine sympathisch. Warum eigentlich? Ich kenne sie nicht persönlich und studiere auch nicht die sogenannte Yello Press, Zeitungen, die über Prominente und deren Skandale berichten. Trotzdem haben diese Frauen und ihr Ruf den Weg zu mir gefunden und zwar in negativer Weise. Obwohl ich nicht über sie nachgedacht habe, assoziiere ich abfällige Begriffe mit ihnen. Ob das Bild, das die Medien von ihnen zeichnen oder gezeichnet haben, stimmt, darüber habe ich wenig nachgedacht. Umso mehr taten dies die Autorinnen im Buch, die die Lebenswege der Frauen „gerade rücken“. Ein interessanter und wichtiger Ansatz, verurteilen die Medien doch oft allzu schnell und sind bei ihrem Urteil über prominente Frauen – und das ist eine klare Aussage des Buches – deutlich strenger, als über prominente Männer.
"Warum wurde Justin Timberlakes Ungeschicklichkeit bei einem gemeinsamen Super-Bowl-Auftritt mit Janet Jackson zum 'Nipplegate'Skandal? Warum ging die außereheliche Beziehung eines US-Präsidenten, ohne ihn namentlich zu erwähnen, als 'Lewinsky-Affäre' und 'Monica-Gate' in die Geschichte ein? Warum wurde nicht über Tommy Lee jahrelang sabbernd und abwertend gewitzelt, der schließlich gemeinsam mit Pamela Anderson auf dem inzwischen berühmten Sex-Tape zu sehen war?
Es ist ein uralter misogyner Nährboden, der unser frauenfeindliches Denken, Sprechen und Handeln am Leben erhält.“
(Gerade gerückt, S 13)
Nicht alle Portraits überzeugen mich, doch in vielen kommen wichtige Aspekte der Frauen zum Ausdruck, die das Verhalten der Prominenten in einem anderen Licht erscheinen lassen. So sorgen die Pornos von Pamela Anderson und Paris Hilton für deren schlechten Ruf, dass es sich in beiden Fällen um Privatpornos handelt, die gestohlen wurden, weiß dagegen kaum jemand.
Dennoch bleibt mir Paris Hilton unsympathisch, auch wenn ich nun weiß, dass sie großen Einfluss auf die Influencer-Szene genommen hat – sicher ein extrem erfolgreiches Konzept entwickelte, doch kann ich persönlich mit einer solchen Person wenig anfangen. Anders geht es mir bei Marie-Antoinette, deren Biografie ein tragisches Schicksal zeichnet. Fast noch als Kind heiratet sie Ludwig XVI. und verliert damit den Kontakt zu ihrer österreichischen Heimat. Von den Franzosen wird sie abgelehnt, das berühmte Kuchenzitat soll sie so nie gesagt haben, ihr letzter Satz war eine Entschuldigung an den Henker, dem sie versehentlich auf den Fuß trat – doch der schlechte Ruf bleibt.
So auch bei Mia Farrow. Obwohl ihr Partner Woody Allen sie mit ihrer Adoptivtochter betrügt und heute mit dieser verheiratet ist, haftet der schlechte Ruf an ihr. Wenige Monate nach dem Auffliegen der Liaison zeigt Farrow Allen wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen siebenjährigen Adoptivtochter Dylan an. Noch als Erwachsene bestätigt Dylan den sexuellen Übergriff durch den Vater, doch der schlechte Ruf klebt nicht an Allen, sondern Mia Farrow . Sie gilt als rachsüchtige Expartnerin.
Sechzehn Autorinnen, die meisten davon Journalistinnen beim österreichischen Standard haben die Biografien zusammengestellt. Sie haben manches gerade gerückt, anderes von einer feministischen Perspektive beleuchtet. Interessant ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sowohl bei Pamela Anderson, als auch bei Whitney Houston nicht nur der sexuelle Missbrauch in der Kindheit benannt werden, sondern auch, dass es sich um Missbrauch durch Frauen und nicht etwa durch Männer gehandelt hat. Das Thema der weiblichen Pädophilie wird hier zwar nicht ausgeführt, aber dennoch als solches benannt, was leider auch heute noch fast immer tabuisiert ist.
Ellen Norten - 16. März 2023 ID 14103
Verlagslink zum Sachbuch
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