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Sachbuch

Dem Menschen

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Wenn von Natur die Rede ist, dann ist meist die „unberührte“ Natur gemeint, und der Begriff wiederum meint, dass sie vom Menschen unberührt ist. Diese unberührte Natur gibt es allerdings kaum noch, denn mit knapp 8 Milliarden Individuen sind wir in die hintersten Winkel auf unserem Erdball vorgedrungen. Naturschutz bedeutet für die meisten Menschen wohl ein Zurück zu einer weitgehend menschenfreien Natur – und damit schaffen wir uns selbst ab. Der Mensch zählt zu den Bewohnern unseres Planeten, und wir gestalten diesen mit; wie das zu bewerten ist, hängt von recht unterschiedlichen Faktoren ab und macht den Sachverhalt schwierig.

Doch auch bevor wir als moderne Menschen existieren, gab es Veränderungen, man denke an die Eiszeiten, Vulkanausbrüche oder – das Aussterben der Dinosaurier. Manche Arten zogen ihre Vorteile daraus, andere standen oder stehen am Ende einer evolutionären Entwicklung, können sich nicht anpassen und sterben aus.


"Warum klammern wir – ob stillschweigend oder explizit – die Menschen immer aus der Gleichung aus, wenn wir von Natur sprechen? Warum das Ameisennest, das in dem Baum da drüben hängt als Natur bezeichnen, die von Menschen erbauten Städte aber nicht? Warum bewundern wir diese Ameisen ob der herausragenden Funktion, die sie bei der ökologischen Bearbeitung und Gestaltung ihres Stückchens Regenwald ausüben, entrüsten uns aber gleichzeitig über die Art und Weise, wie Menschen ein Landschaftsbild unterwerfen und es dominieren können. Es besteht da kein wesentlicher Unterschied."

(Menno Schilthuizen, Darwin in der Stadt, S. 38)



Wie also die Natur schützen und wovor? Was ist der ursprüngliche Zustand der Natur, und hat es den je gegeben? Naturschutz bekommt vor diesem Hintergrund eine ganz andere Bedeutung oder streng genommen gar keine mehr und ist nur der nichtwissenschaftliche Hilfsbegriff für eine Sicht, die unsere Umwelt für unsere Körper gesund und für unsere Seelen erfreulich macht. In Darwin in der Stadt von Menno Schilthuizen geht es aber um Wissenschaft und Evolutuion. Evolution ist Entwicklung; neue Arten entstehen, andere sterben aus. Wer den neuen Bedingungen gut angepasst ist zieht seine Vorteile daraus, wer neue Verhaltensweisen entwickelt mag erfolgreicher werden als seine Artgenossen, denen er dann evolutiv davonläuft.

*

Albi, 2019 – ich stehe an der wohl ältesten Steinbrücke Frankreichs, der Pont Vieux, und beobachte die Tauben, die auf einer Kiesinsel im Fluss Tarne stehen oder im seichten Wasser baden. Im trüben Wasser sehe ich lang dunkle Schatten, mindestens 1,5 Meter lang. Handelt es sich um Müll, sind es Wasserpflanzen? Die Schatten bewegen sich langsam, und ich erkenne Flossen. Das sind Fische, die da irgendwie unheimlich auf der Lauer liegen. Ich gehe weiter und verpasse vermutlich eine spektakuläre Aktion, denn wenige Tage später stoße ich bei der Lektüre des Buches zufällig auf die seltsamen Fische. Es handelt sich um Welse, die eine völlig neue Verhaltensweise entwickelt haben. Sie werfen sich aus dem Wasser, packen eine badende Taube an den Beinen, zerren sie unter Wasser und würgen sie in einem Stück herunter. Wohl bekomms, kein Wunder dass die Fische so unheimlich auf mich wirkten – aber auch zu dumm, dass ich diese Information erst nach meinem Besuch in Albi las, sonst hätte ich doch auf das einmalige Schauspiel gewartet. Aber wer weiß, vielleicht ahmen andere Fische in naher Zukunft diese Verhaltensweise nach, fressen sich mal richtig satt - Evolution erfolgt in Sprüngen.

*

Dieses Beispiel [s.o.], wie auch viele andere im Buch sind ausgesprochen spannend. Schilthuizen versteht es zu schreiben und weiß seine Leser zu bannen. Dennoch tritt bei ihm immer wieder der Wissenschaftler zu Tage, der nicht nur sensationsheischend eigentümliche Beispiele präsentiert. Nein, er liefert auch die exakten wissenschaftlichen Hintergründe und grenzt gegen andere Vorgänge, die nicht oder nur bedingt mit Evolution einhergehen, ab. Da fallen Begriffe wie multiple Allelie oder Epigenetik, die für den Laien schier unverständlich sind. Und gerade diese Phänomene sollen klären, dass in bestimmten Fällen gerade keine Evolution stattfindet, nachdem man im Buch die Evolutionsprozesse verstanden zu haben glaubt. Hier wird das eigentlich unterhaltsame Sachbuch zur wissenschaftlichen Lektüre. Tatsächlich schließen sich 22 Seiten Literaturhinweise an. Insofern ist schwer zu entscheiden, an wen sich das Buch richtet. Der Nichtfachmann wird wohl einige Kapitel überschlagen müssen oder sich akribisch in die komplizierten Sachverhalte einlesen. Selbst der Biologe wird hin und wieder bei der Lektüre seine grauen Zellen anstrengen müssen.


Ellen Norten - 11. Mai 2019
ID 11407
Link zum Sachbuch Darwin in der Stadt


Post an Dr. Ellen Norten

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