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Rezension

Mark Rowlands - "Der Philosoph und der Wolf - Was ein wildes Tier uns lehrt"

Aus dem Amerikanischen von Bernd Rullkötter
Zweitausendeins, 2009



Philosophie fasziniert die Menschen wieder. Oder besser: immer noch. Besonders in der entschlackten, locker aufbereiteten Form. Ohne seine "Welt als Wille und Vorstellung" bzw. die gesamte "Politeia" den Flammen zum Fraß vorwerfen zu müssen, darf man sich heutzutage in der Lokalbuchhandlung über neuen Input freuen, der weder wissenschaftlich verbrämt noch anspruchlos ist. Um Tacheles zu reden: Was junge Autoren wie Richard D. Precht präsentieren, ist nicht nur höchst intelligent, sondern auch leicht verdaulich. Und irgendwie sogar auch hip.
Den Spagat zwischen Pop und Philo beherrscht auch der Wahlamerikaner und gebürtige Waliser Mark Rowlands, wie er unlängst mit Bestsellern wie "Der Leinwandphilosoph – Große Theorien von Aristoteles bis Schwarzenegger" unter Beweis stellte. Wie es ihm allerdings gelingt, mitten durch das Gestrüpp authentischer Emotionen durch den Wald philosophischer Fachtermini zum Leser durchzudringen - das ist eine Kunst für sich.

Rowlands Vorliebe für den besten Freund des Menschen namens Hund veranlasst ihn dazu, seinen Lebenspartner mittels Zeitungsannonce zu suchen, und er findet Brenin, ein Wolfsjunges. Wie sich herausstellen soll, erweist sich dieses unberechenbare Tier als zutraulicher und allgemein zugeneigter als ein menschliches Pendant zu sein imstande ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten - das zerstörte Mobiliar spricht für sich - gewinnt Rowlands in Brenin, der ihn fast ein Jahrzehnt auf Schritt und Tritt begleiten soll, einen Freund fürs Leben. Nein, mehr noch: einen Bruder.
Brenin, den der vielgereiste und vielreisende Philosophieprofessor selbst in den Hörsaal mitnimmt, wird nicht nur die Hauptattraktion des alltäglichen Lebens eines Singles, sondern gleichzeitig auch zur größten Herausforderung und größten Freude: Mit seinem ungebändigten Termperament spornt er zu gemeinschaftlichen sportlichen Exzessen an, während sein exotisches Äußeres die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht. Doch nicht zuletzt dient er als Quelle stetiger Inspiration für jemanden, der sich ein halbes Leben lang mit Seinskategorien und dem Wesen des Menschen beschäftigt und nicht damit gerechnet hat, in einem jungen Wolf eine Art philosophischen Lehrmeister zu finden.

Mit leiser Selbstironie spürt Rowlands dem Seelenleben eines Raubtiers und den Unterschieden zwischen Wolf und Mensch nach. Und mit wachsendem Interesse liest man von seinen Überlegungen zu dem Bösen und der Moral, Trieb und Wille, zu Kampflust und der zivilisierten Gesellschaft der Lügner. Dass der Autor dabei Kant und Hobbes, sowie weitere Philosophen, Psychologen und zeitgenössische Verhaltensforscher zu Wort kommen lässt, unterbricht den Erzählfluss manchmal etwas jäh, ohne allerdings den Text allzu sperrig werden zu lassen. Indes holt er zu wahren Überraschungen aus - wenig schmeichelhaft für den Leser ist sicherlich, dass er sich in seiner Eigenschaft als Mensch mit einem Mal mit seinen eher unliebsamen, evolutionshistorisch bedingten Merkmalen konfrontiert sieht. Denn äffisch sei der Mensch, so Rowlands, und daher zwar intelligent und zivilisiert, doch mindestens ebenso intrigant wie betrügerisch, ausbeuterisch und oftmals gewissenlos. Es scheint verrückt, dass ihm während zahlloser Stunden in freier Natur und auf Reisen nach Übersee ausgerechnet ein verspielter und oft auch sturköpfiger Wolf zu diesen Erkenntnissen verholfen haben soll.

Letztlich bereitet es aber pures Lesevergnügen, Rowlands beim Nachdenken mitzuerleben, nicht nur bei abgegriffenen Themen wie Tod und Zeitbegriff, sondern gerade auch bei seinen theoretischen Exkursen zu Glücks-Junkies, dem Sexualverhalten des Canis lupus und zum Zusammenhang zwischen einem Schokocroissant und der beglückenden Wiederkehr des Gleichen.
Es ist ein Wolf, von dem er lernt, und von dem er sagt, dass ihrer beider Existenzen "nahtlos miteinander verflochten" seien. Schließlich geht der Tod des Tieres dem Leser fast so nahe wie Rowlands selbst, der stets mehr als nur ein "Herrchen" war.

Das Buch erweist sich nicht allein deswegen als Glücksgriff, weil es die Beziehung Mensch - Tier gründlich in Frage stellt, sondern weil der Philosophieprofessor trotz worttechnisch ausgefeilter abstrakter Gedankensprünge durch den autobiographischen Bericht immer nah am Geschehen, und vor allem nah den Emotionen bleibt. Man fasst das Buch zunächst vielleicht mit spitzen Fingern an, und ist nach Abschluss der Lektüre dann doch hoffnungslos dem Faszinosum Wolf erlegen. Ob man es glaubt oder nicht, dem wortgewandten Denker fehlen für die Liebe zu seinem "Wolfsbruder" am Ende der Geschichte schlichtweg die Worte. Nicht ganz zufällig lautet der Name seines kleinen Sohnes: Brenin.



Jaleh Ojan - red. 19. Mai 2010
ID 4629
Mark Rowlands:
Der Philosoph und der Wolf -
Was ein wildes Tier uns lehrt

Aus dem Amerikanischen von Bernd Rullkötter
284 Seiten, geb., € 19,90
ET: März 2009
Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins

Siehe auch:
http://www.zweitausendeins.de





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